Die erste Woche in Rumänien neigt sich schon langsam dem Ende zu und während alle anderen hier fleißig schreiben, bin ich am… ja, was eigentlich? Für den Teil des Tages der zum Blogschreiben geeignet wäre gilt wohl: Skypen. Mit allem und jedem und am besten mindestens eine Stunde. Oder auch gerne seitenlange Mails schreiben. Oder Briefe. Oder mit Christine auf dem Balkon sitzen und quatschen. Aber dazu später noch einmal. Diese Teile des Tages sind im Großen und Ganzen nämlich eher begrenzt. Es sei denn natürlich, ich zweige ein bisschen von meiner Nacht dafür ab. Kommt auch vor. Aber von vorn…
Nach meiner Ankunft hier hatte ich gerade mal eine kurze Nacht zum Entspannen, am Montag hieß es dann um 9:00 h das erste Mal nach vier Monaten zurück in die Schule. Meine Mentorin holte mich ab. In der Schule angekommen wurde ich erst einmal der stellvertretenden Direktorin vorgestellt und auch gleich an sie weitergereicht. Frau C ist seitdem meine geheime Ansprechpartnerin, meine offizielle Mentorin bekomme ich nur so einmal pro Tag zu Gesicht.
Im Direktorinnenbüro (ohja, Frauen in Führungspositionen ist hier nicht sooo fremd 😉 ) setzten wir uns erst einmal um zu reden. Zum zweiten Mal in zwei Tagen also: „Erzähl mir von dir!“ Warum wird man darauf eigentlich nicht vorbereitet? Was fällt einem da auf die Schnelle so ein; ich bin 18 Jahre alt, aber nicht mehr lange… Nee. Die zweite Frage haute mich dann so ziemlich vom Hocker: „Was kannst du unterrichten?“ – Ähhh… KÖNNEN?! Ist ja nicht so, dass ich gerade von der Schule komme. Kurz darauf die Eröffnung: In einer Woche wirst du es wohl oder übel können müssen, lieb verpackt in: Du kannst mich ja dann nächste Woche vertreten, ich fahre mit meiner Tochter nach Wien. So macht man das hier also.
Nachdem die Direktorin dann auch gekommen war und ähnliche Themen wiederholt wurden ging ich dann mit Frau C raus auf den Hof, sie zeigte mir die Schule und schleifte mich in gefühlte hundert Klassen um mich vorzustellen. In der ersten stand gleich Frau G, die ich schon von einem kleinen Schlüsseldilemma am Vortag kannte. Sie stellte mich direkt selber als „die neue Deutschlehrerin“ vor. Nicht so ganz, berichtigten Frau C und ich schnell und von dem Moment an war ich die deutsche Praktikantin. Offensichtlich auch nicht die beste Wortwahl, denn in der 11. Klasse wollte mich ein Lehrer direkt zu seinen Schülern setzen. Also wurde die Praktikantin, ich, schnell zur Lehrerpraktikantin, wie schön.
Die Klassen zu sehen war auch sehr interressant. Zwei von ihnen standen auf, denn „das macht man in Deutschland so!“, eine hatte eine Schuluniform, weil das die Eltern so wollten, jemand reagiert mit einem bewundernden „uhh“ als deutlich wurde, dass ich für Theaterprojekte zuständig bin („also, ich weiß eigentlich selber noch nicht genau, wie das laufen soll…“), in einer hing eine rumänische Fahne, in einer anderen das Wappen und eine Lehrerin wies darauf hin, auch immer schön zu grüßen, wenn man mir auf dem Flur begegnet.
Die Klassen sind alle auf zwei Häuser verteilt, in einem sind zudem die Internatszimmer. Außerdem gibt es eine Kantine, eine Ruine (es wird noch nach Geldern für die Renovierung gesucht) und einen Sportplatz der wohl im Winter überdeckt wird, keine Ahnung, wie sie das anstellen 🙂 In der Kantine kann ich auch essen und es ist annehmbar, wird also bis auf weiteres unter der Woche meine einzige warme Mahlzeit pro Tag bleiben. Für diejenigen, die es noch nicht mitbekommen haben: Eine Küche habe ich nicht, dafür aber einen Kühlschrank auf dem Flur vom Jugendzentrum in dem auch mein Zimmer ist.
Zu dem gibt es auch so einiges zu erzählen. Zum einen wäre da der rieseige Fernseher, der den einzigen Tisch einnimmt, aber leider nicht funktioniert, was einige Lehrer in großes Entsetzen stürzte („Wenigstens fernsehen muss sie doch können!“) bis ich ihnen versicherte, dass mir das nicht allzu viel ausmachen würde, solange ich Internet hätte. Nicht vergessen will ich auch die drei Matratzen in der Zimmerecke. Was sie da sollen weiß keiner so richtig, aber Abstellkammern sind natürlich auch vollkommen überbewertet! 😉
Die nächsten Tage liefen nach einem sehr ähnlichen Muster ab, die ersten drei Stunden Unterricht von ersten bis dritten Klassen besichtigen, dann Bibliotheksarbeit. Da gibt es tatsächlich eine Menge Arbeit, also frisch und munter auf ans Werk, mein erstes Projekt: entstauben, katalogisieren, Kartei anlegen und das Ganze den Schülern gut verkaufen. Klingt in der Tat langweiliger als es ist, da ich viel von der Zeit nutze um mein Allgemeinwissen bezüglich Bücher aufzufrischen. Und ich kann mir jederzeit eines mitnehmen, das schränkt die Trauer über die Zurückgelassenen etwas ein.
Die (Grund-)Schüler sind alle sehr nett, manche sind sofort ganz angetan, wollen meine Kette sehen, fragen mich nach meinen Rumänisch- und Ungarischkenntnissen, winken oder kommen auch mal in der Pause um mich zu umarmen. Andere müssen erst gebändigt werden, wie die fünf, die mir gestern mit der restlichen Klasse in der Pause zum gemeinsamen Essen und Spielen übergeben wurden. Ein hartes Stück Arbeit, aber am Ende der Pause hatte ich sie von allen Zäunen und Bäumen gejagt und war, ich leugne es nicht, sehr zufrieden mit mir selbst. Vor allem der eine von ihnen ist seitdem mein größter Verehrer, holt meinen Schal aus der Kantine wenn ich ihn vergessen habe, übersetzt und versucht die anderen für mich zur Ruhe zu bringen. Eindeutig sinnvoll die größte Nervensäge auf seiner Seite zu wissen!
Zum Übersetzen erscheint es mir unerlässlich auch ein Wort zu sagen. Das Problem hier ist, dass nicht einmal alle Kinder rumänisch sprechen, weil viele zu Hause nur ungarisch gelernt haben. Außerdem haben sie ab der ersten Klasse jedes Fach auf deutsch (was bedeutet, dass in Mathe erstmal Farben gelernt werden) und mehrmals die Woche Englischunterricht. Die Lehrer müssen anfangs also alles auf drei Sprachen wiederholen und die Kinder können dann in der dritten Klasse gut deutsch, aber immer noch kein rumänisch. Oder sie werfen alles durcheinander, in Englisch wird dann das ship zu Schiff. Das macht es umso schwerer für mich (ich versuche mir alles was ich in der Schule beigebracht bekomme zweisprachig zu lernen) und umso wichtiger für sie, dass sie mit mir nur deutsch reden können.
Am Montag werde ich dann also meine ersten zwei Stunden halten und das Wochenende wird voll damit sein, das Konzept zu „Stadtmaus und Landmaus“ auszuarbeiten, ein Plakat für die wieder ins Leben gerufen Schülerzeitung zu entwerfen, mit dem Chor in der Kirche zu singen und darüber nachzudenken, was denn nun beim Theater auf mich zukommt. Der Alltag ist schon fast da!
… aber ein paar österreichisch-bayerische Erfahrungen kannst Du ja immerhin ein bringen, oder? 😀
Stadtmaus und Landmaus, da kannst Du eigentlich viel von Dir erzählen, oder??
Wieso, ich bin doch in Berlin aufgewachsen?! Ich finde, das ist sehr eindeutig Stadt 🙂