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Alles was mit Kunst zu tun hat

Ostern und nochmal Ostern

Die Feiertage der russisch orthodoxen Kirche und der christlichen Kirchen in Deutschland fallen nicht immer auf den gleichen Tag. Somit hatte ich hier in Irkutsk die Möglichkeit, an zwei Wochenenden hintereinander Ostern zu feiern. Die „deutschen“ Ostern waren eine Woche früher.

Über Kontakte um viele Ecken lernte ich hier einen deutschen, evangelischen Pfarrer kennen, der seit vielen Jahren hier schon wohnt und sich deshalb super in Irkutsk auskennt. Leider ist er für die nächsten 5 Monate in Deutschland. Aber solange er noch da war, hat er mich mit vielen netten und interessanten Menschen bekannt gemacht. Außerdem zeigte er mir etwas außerhalb der Stadt eine kleine Farm, eines der einzigen Behindertendörfer in Russland. Dort wurde ich auch sehr herzlich begrüßt. In das winzige Dörfchen kommt er manchmal, um zu helfen, oder für eine kleine Bibelrunde. Da werde ich auf jeden Fall auch noch mal vorbeischauen – Vielleicht im Sommer!

Zu Ostern lud er mich zu sich nach Hause zu einer privaten Messe mit Familie und Freunden ein. Mit ihm habe ich mich am Anfang oft unterhalten. Es war eine gute Möglichkeit, noch viele Fragen über Land und Leute loszuwerden. Generell ist mir aufgefallen, dass es hier wirklich viele Verbindungen zu Deutschland gibt – hatte ich anfangs im tiefsten Sibirien nicht erwartet…

Jedenfalls kam ich am Ostersonntag zu Ihm nach Hause, wo auch langsam ein paar Freunde eintrudelten. Wir waren etwa 25 Leute, von denen die Hälfte Kinder waren. Die kleine Andacht fand im Wohnzimmer statt. Wir saßen im Kreis, sangen Lieder und hörten uns die Predigt an. Echt lustig fand ich, die mir bekannten Kirchenlieder auf russischer Sprache zu singen; etwas schwierig, aber natürlich eine super Übung! Danach räumten wir den Raum um in ein Esszimmer um und es folgte ein Festmahl! Jeder hatte irgendeine andere Leckerei mitgebracht: Salate, Fisch- und Fleischspeisen und natürlich auch gefärbte Eier. Der Nachmittag war ein lockeres Beisammensitzen mit guter Unterhaltung und köstlichem Essen. Und für die Kinder hatte der Osterhase natürlich auch draußen ein paar Schokoladen-Ostereier versteckt. Die Zeit verging sehr schnell, bis ich spät abends netterweise nach Hause gebracht wurde… So viel zu meinen „deutschen“ Ostern in Sibirien.

Das darauffolgende Wochenende verlief etwas anders: Ich hatte mir nicht viel vorgenommen. Für Sonntag hatte ich mit Vitalij ausgemacht, gegen 2 Uhr mittags mit seiner Familie eine Kirche zu besuchen. Sonst spürte ich nicht viel Osterstimmung in der Stadt oder in der Schule. Man merkt, dass es hier ein Feiertag ist, der in der Kirche bleibt oder zu Hause bei den Familien. Es gibt keinen freien Ostermontag und eigentlich auch nicht das Ostereiersuchen für die Kinder. Dennoch ist es ein großes Familienfest in Russland; das bedeutet – viel gutes Essen! Dies betreffend bereiteten sich auch meine Gastgroßeltern auf Ostern vor. Über die letzten Wochen wurden die Zwiebelschalen aufgehoben. Daraus wurde dann eine braune Brühe angerührt, in der die weißen Eier gekocht wurden und so eine gleichmäßig hellbraune Tönung bekamen.

Am Sonntag musste meine Gastoma arbeiten, aber mein Gastopa servierte mir dann zum Frühstück die gefärbten Eier. Außerdem gab es süßes, russisches Osterbrot, dass „Kulitsch“ genannt wird. Echt lecker! Dann, als ich mich gerade in mein Zimmer zurückziehen wollte, klingelte es an der Tür und ein alter Freund meines Gastopas kam vorbei mit einer Flasche Wodka in der Hand. Und ehe ich mich versah, saß ich wieder am Tisch in der Küche… Bei jedem Gläschen wurde traditionellerweise auf etwas anderes getrunken (Von „auf die Auferstehung!“, bis „auf die Freundschaft!“ oder „auf den Weltfrieden“ war praktisch alles dabei.) Dazwischen haben wir immer vom köstlichen Essen auf dem Tisch genascht. Für das leibliche Wohl war also gesorgt. Es herrschte echt gute Stimmung am Tisch, auch wenn ich nicht alles verstand, worüber gesprochen wurde. Bald musste ich aber die Beiden alleine lassen, denn dann ging es schon mit Vitalijs Familie los in die Kirche. Dort war zwar kein Gottesdienst, aber bei meditativer Musik hatte man die Möglichkeit, Kerzen anzuzünden oder einfach nur zu lauschen und innezuhalten. Ich war außerdem noch froh, mit dieser wirklich prunkvollen „Kasan“-Kirche eine Ecke von Irkutsk zu sehen, die ich davor noch nicht kannte.

Kasan Kirche

Danach besuchten Vitalij und ich seine Großmutter (meine Gastgroßmutter) bei der Arbeit im Rathaus, um ihr auch frohe Ostern zu wünschen. Und weil ja Feiertag war und somit so gut, wie kein Betrieb herrschte, hatten wir die Möglichkeit, ein paar Räume und Säle zu besuchen, in die man als normaler Tourist wahrscheinlich nicht reingekommen wäre. Als wir uns genug umgesehen hatten, wollte ich noch nicht gleich nach Hause und Vitalij hatte auch noch ein bisschen Zeit. Also beschlossen wir, noch ein Museum zu besuchen: die Kunstgalerie – eine weitere Sehenswürdigkeit der Stadt, die ich mir auf keinen Fall entgehen lassen wollte!

Zu den anderen Sehenswürdigkeiten, die ich mir hier angesehen habe, kann ich wahrscheinlich wann anders noch ausführlicher berichten…

Von Balalaika bis Kalinka

Als ich in Irkutsk ankam, hingen überall Plakate, die ansagten, dass bald das Militärensemble aus Moskau für ein Konzert anreisen wird. Vitalij bot mir an, es mit ihm und seinen Großeltern zu besuchen. Da ich ja klassische Chormusik echt gern mag und weil ich gemerkt habe, dass es im Ausland das Beste ist, am Anfang immer alle Angebote anzunehmen, um so viel kennen zu lernen, wie möglich, stimmte ich zu. Also gingen wir vier am Abend des Konzerts gemeinsam in das Stadion der Stadt.
Der Anlass des Konzerts war eigentlich der 70-jährige Sieg gegen den Faschismus, der in Russland offiziell am 9. Mai, dem „Tag des Sieges“ gefeiert wird. Das Ensemble hat aber wohl noch ein paar andere Ziele auf ihrer Tourneeliste und somit fand das Konzert schon Anfang April statt.
Auf den Sitzen Platz genommen ging es auch schon los. Das Militärensemble – natürlich in Uniform – betrat die Bühne. Das Programm war sehr vielfältig gestaltet. Die ersten Stücke, die vom Chor gesungen wurden, handelten vom Krieg. Zwar habe ich das natürlich textlich nicht verstanden, aber die riesigen Bildschirme links und rechts neben der Bühne, die Filmmaterial aus dem zweiten Weltkrieg zeigten, machten es deutlich – für mich anfangs sehr neu, ungewöhnlich und gewöhnungsbedürftig.
Es folgten sowohl reine Orchesterstücke, als auch viele von starken Solisten gesungene Volkslieder. Nicht nur Solosänger traten auf, es standen auch vereinzelte Instrumente im Vordergrund. Und natürlich – auch die Balalaika!
Generell war das Konzert, soweit ich das einschätzen kann, musikalisch echt top! Mich hat besonders beeindruckt, mit welchem Stolz viele Volkslieder von Chor und Solisten gesungen wurden. Und nach melancholischen Stücken, die zum Beispiel von den Weiten des Baikalsees handeln, kam es echt gelegen, dass eine traditionelle Tanz- und Steppeinlage, die Stimmung im Stadion wieder auflockerte. An der Euphorie des Publikums konnte ich oft erkennen, wie bekannt die gesungenen Lieder waren; bis wir zum Höhepunkt des Abends kamen, dem Lied Kalinka, das selbst ich schon kannte.
Alles in allem war der Abend für mich sehr interessant, beeindruckend und angenehm zugleich, da ich die Möglichkeit hatte, russischen Patriotismus und russisches Kulturgut, hier in Form von Musik, hautnah mitzuerleben.

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