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Was ich als Freiwilliger so mache

Mein Freiwilligenprojekt

Hi! Ich bin froh, in all der Action hier, nun doch noch wieder ein bisschen Zeit zu haben, ein paar Zeilen zu schreiben. Bis Mitte Juni war ich noch voll und ganz beim Assistieren in der Schule64, meiner Einsatzstelle, eingeplant. Bis dahin hatte ich mir das Ziel gesetzt, mein geplantes Freiwilligenprojekt abzuschließen, was am Ende doch sehr viel Zeit gebraucht, aber dafür echt Spaß gemacht hat.
Nur kurz für die, die nicht genau wissen, was das ist: Jeder kulturweit-Freiwilliger soll in der Zeit seines Freiwilligendienstes ein Projekt durchführen um eigenverantwortliches Organisieren und Arbeiten zu verbessern. Die Freiwilligen sollen dabei möglicherweise auch neue Perspektiven und Zugänge zum Einsatzland erhalten. Ein Projekt kann alles sein, solang es gemeinnützig, respektvoll und nachhaltig ist. Das gibt einem die komplette Freiheit, das zu tun, was man auch wirklich machen will.
Die Idee für mein Projekt entstand in den ersten Wochen, die ich in der Schule assistiert habe. Als ich mich mit den Schülern, den Lehrern, oder dem Fachberater unterhalten habe und ganz besonders, als ich bei den Sprachdiplomprüfungen dabeisaß, ist mir aufgefallen dass viele sich einigermaßen gut auf Deutsch ausdrücken können, aber Schwierigkeiten haben, mir etwas über ihre Heimatstadt Irkutsk zu erzählen, außer die Information, dass es da viele interessante Sehenswürdigkeiten gibt.
Also bin ich an verschiedenen Tagen von Deutschklasse zu Deutschklasse gegangen – von der sechsten bis zur elften – und habe mit den Schülern zuerst jeweils einen Text erstellt, der dann auf eine Kalenderseite kommt. Der erarbeiteten Text ist über eine Sehenswürdigkeit oder einen Lieblingsort in oder in der Nähe von Irkutsk. Dazu habe ich dann, soweit es möglich war, nachmittags, mit den Klassen, Exkursionen zu den Sehenswürdigkeiten unternommen. Währenddessen haben wir über das jeweilige Thema etwas mehr geredet und haben Fotos gemacht, die auch auf den Kalenderseiten abgebildet sind. Wenn es nicht möglich war eine Exkursion zu machen, weil der Ort beispielsweise zu weit entfernt war, gab es glücklicherweise immer mindestens einen Schüler, Schülerin oder Lehrerin, die dort schon einmal waren und Fotos davon gemacht haben. Zum Abschluss wurden dann die Namen der Schüler, die mitgearbeitet haben, am unteren Seitenrand verewigt. Die Kalenderseiten sind im PDF-Format, sodass man sie ganz einfach überall ausdrucken kann.
Nicht nur hat das Projekt echt Spaß gemacht und mir die Möglichkeit gegeben, noch mehr von Irkutsk kennen zu lernen, sondern auch viele Schüler haben nun etwas mehr von ihrer eigenen Stadt kennen gelernt, ohne es langweilig im Schulbuch nachzulesen. Ich hoffe natürlich, dass wenn der Kalender tagtäglich in den Klassenzimmern hängt, die Schüler ihn ab und zu mal durchblättern und nachlesen; oder dann wenn die DSD-Prüfung vor der Tür steht, dass sie sich gezielt nochmal mit den Texten auseinandersetzen, damit sie dann bei Fragen zur eigenen Stadt, mehr zu sagen wissen als vorher.
Im Moment bin ich noch dabei, Kontakt zu den Schulen der deutschen Partnerstadt Irkutsks – Pforzheim – aufzunehmen. Sie stehen öfters mal im Austausch mit den Schulen hier. Für die Schüler und Schülerinnen dort ist es bestimmt auch interessant, ein bisschen mehr über Irkutsk zu erfahren. Außerdem sehen dann die Austauschschüler, was ihre Freunde in Irkutsk so im Unterricht treiben. Zum Glück konnte ich in der Zeit meines Freiwilligendienstes auch Lehrkräfte und Schüler von verschiedenen anderen Schulen hier in Irkutsk kennen lernen. Der Plan ist, dass auch sie im kommenden Jahr ein paar Exemplare des Kalenders bekommen um sich auf die Prüfungen vorzubereiten.
Ich muss sagen, froh und stolz bin ich schon ein wenig, auch dass es zeitlich alles noch so geklappt hat, wie ich es mir erhofft hatte.

Mein Einsatz in der Schule64 ist hiermit schon vorbei und endete sehr feierlich mit der Zeugnisverleihung an die Abiturienten, Ende Juni. Hier in Irkutsk ist im Moment Hochsommer, oft ist es sehr schwül, bei 32°C, deshalb flüchten die meisten Irkutsker im Moment auf ihre Datscha oder an den Baikalsee. So auch ich. Derzeit bin ich zwar noch in Irkutsk, doch die letzten Tage war ich auf einem Deutschcamp am Baikalsee, im kleinen Dorf „Bolschoe Goloustnoe“, als Lehrer, Assistent und Animator. Danach in dem Behindertendorf Istok, wo ich im April schon einmal war, in einem Freiwilligencamp, wo wir Sämtliches Neues für die Einwohner gebaut haben. Bald geht’s dann auch schon weiter an die östliche Seite des Baikalsees, auch zu einem Sprachcamp, aber für Englisch, wo ich hauptsächlich das Nachmittagsprogramm für die Kinder mitorganisiere. Die nächsten Wochen bin ich also auch noch beschäftigt, bevor es dann Ende August zurückgeht. Da eine Internetverbindung außerhalb der Stadt oft überhaupt nicht vorhanden ist, hoffe ich, in den nächsten Wochen noch auf meinem Blog etwas schreiben zu können.
Hier aber erstmal ein paar Seiten von dem Kalender:

Kalender Dezember 9a Die Dekabristenmuseen Kalender Februar 6a Meine Schule Kalender Juni 8b Die Holzhäuser im Stadtviertel Nr. 130 Kalender März 10b Am Ufer der Angara

Ein Drittel

Kaum zu glauben! Jetzt ist es genau 2 Monate her, dass ich am Werbellinsee im Vorbereitungsseminar von „kulturweit“ saß und mich mit allen anderen Freiwilligen über meine Erwartungen und Sorgen für die Zukunft im Ausland austauschte. Einerseits kommt es mir vor, als wäre die Zeit verflogen, wie nichts, andererseits, wenn ich über die Zeit nachdenke, hatte ich in den letzten Wochen so wahnsinnig viele neue Erlebnisse, die mir den Eindruck geben, als wäre ich schon eine Ewigkeit hier.

Was ich jeden Fall sagen kann ist: Ich habe mich sehr gut eingewöhnt! An das Leben in der Stadt, die Arbeit in der Schule, die neuen Menschen, die ich kennen gelernt habe und an tausende Eindrücke die mich in den ersten Tagen zugegebenermaßen in einen ziemlichen Kulturschock versetzt haben.

Am Anfang nutzte ich jeden freien Nachmittag, um durch die Stadt zu spazieren und jedes Mal gefiel sie mir ein bisschen besser. Kommt man erstmal durch den Gürtel der Plattenbauten durch, kann man im Stadtzentrum wunderschöne Plätze oder Straßen mit alten Gebäuden vorfinden. Man merkt, dass es eine natürlich gewachsene Stadt ist, die aber auch groß angelegte Straßen, besitzt, die bei der ersten Orientierung extrem hilfreich waren. Eine meiner Lieblingsstraßen ist die sogenannte „Karl Marx Straße“, die von meinem Gastopa schmunzelnd nur als Broadway bezeichnet wird, wegen der vielen Theater, Boutiquen, Restaurants oder teuren Geschäften am Straßenrand. Es ist eine große Verbindungsstraße im Zentrum der Stadt zwischen Westen und Osten, die zwar viel Verkehr hat, ihren Charme aber nicht verliert, durchdie Bäume am Straßenrand und viele, wunderschöne, alte Gebäude. Wie ich schon mal erwähnt habe, war es zu meiner Ankunft noch sehr schmutzig in der Stadt, da der Schnee schmolz und überall die schmutzige Brühe durch die Straßen floss. Jetzt liegt hier schon lange kein Schnee mehr. In den letzten Wochen war die Stadt in Frühlingsputz-Stimmung. Die Parks wurden langsam grüner. Viele Leute gingen auf die Straßen, um den Bürgersteig vor ihren Geschäften sauber zu machen, oder die Fassaden neu zu streichen. Auch die Angara, der große Fluss, der durch Irkutsk fließt ist seit wenigen Tagen vollkommen geschmolzen: jetzt kann langsam der Sommer kommen!

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Es sind oft Kleinigkeiten gewesen, die für mich am Anfang ziemlich ungewohnt waren. Zum Beispiel die laute Musik auf den Straßen. An jeder größeren Kreuzung, Straße oder Platz sind Lautsprecher angebracht, die Tagsüber laufend Musik spielen. Ich finde das ehrlich gesagt eine ziemlich coole Idee. Mir gefällt der Mischmasch aus den russischen Songs oder den international bekannten Oldies und es übertönt ein wenig den Lärm der Fahrzeuge auf den Straßen. Naja, ich möchte, denk ich, trotzdem nicht die Person sein, die direkt auf Lautsprecherhöhe ihr Apartment hat; ich denke nicht jeder Anwohner wird bei der Anbringung der Boxen nach Erlaubnis gefragt. Außerdem sind es, auf den Straßen, durch die zusätzliche Beschallung, oft zu viele Eindrücke auf einmal.

Eine weitere Sache, die neu war: überall kyrillische Schrift! Klar hatte ich mich schon darauf eingestellt und auch schon gelernt wie man sie liest, aber sie so schnell zu lesen, wie wenn es lateinische Buchstaben wären, geht ja auch wieder nicht. Außerdem gibt einem die andere Schrift das definitive Gefühl in einem fremden Land zu sein. Ich fand es von Anfang an total abgefahren; es hat mich ehrlich gesagt ein bisschen an meine Zeit in der ersten Klasse der Grundschule erinnert, als ich lesen lernte. Jedes Schild oder jede Werbetafel wurde laut und/oder leise gelesen. So auch hier J

Zwischendurch sieht man dann aber doch hin und wieder lateinische Buchstaben durchblitzen. Marken wie Adidas, Sony oder Subway sind ja dann doch wieder international. Ach ja diese hunderttausenden Subways in Irkutsk… Das ist echt auffällig! In fast jeder etwas größeren Straße gibt es einen; sogar im Haus neben dem meinem Plattenbau, wo ich wohne. Das war in den ersten Wochen mein großes Glück. Weil ich ja in der Wohnung kein WLAN habe, war ich dort oft ein gern gesehener Gast. Das WLAN in den Cafés und Bars in Irkutsk ist bis heute meine einzige Möglichkeit zu skypen. Das führt oft zu sehr verwunderten Blicken der anderen Gäste, die nah an meinem Tisch sitzen und plötzlich eine unbekannte Sprache hören, aber naja, auch daran gewöhnt man sich schnell.

Aber nicht nur WLAN ist der Grund, warum ich mich gerne in den vielen Cafés und Bars hier aufhalte. In den meisten Cafés fühle ich mich hier einfach wahnsinnig wohl. Das Angebot an Möglichkeiten ist auch echt abwechslungsreich. So wie die Subways, gibt’s hier auch „Harats Pubs“ wie Sand am Meer. Das sind echt urige Irish-Pubs in denen eigentlich immer ausgelassene Stimmung herrscht! Das Stadtbild wird zusätzlich durch abertausende Bankfilialen geprägt; ich frage mich manchmal, wozu es so viele braucht, man kommt ja auch mit weniger aus. So wie die vielen, vielen Blumengeschäfte an jeder Straßenecke. Wovon man in Deutschland oft zu wenig hat, hat man hier fast schon zu viel. Aber vielleicht sollte ich einfach nicht alles hinterfragen…

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Die Arbeit in der Schule klappt auch eigentlich ganz gut und die Arbeit mit den Kids macht meistens auch ziemlichen Spaß! Bei ein paar Stunden durfte ich mit assistieren, oder ich habe beim Thema Landeskunde einen kleinen Vortrag über meine Heimatstadt Regensburg gehalten und warum sie mir so gut gefällt. Ansonsten helfe ich sehr oft der 10. Klasse, die sich auf das zweite deutsche Sprachdiplom vorbereitet, indem wir deren Präsentationen durchgehen oder ich ihnen ein paar neue Redewendungen beibringe. In die sechsten Klassen gehe ich eigentlich am liebsten und bringe denen pro Unterrichtsstunde immer einen neuen deutschen Zungenbrecher mit. Die sind immer so motiviert und wissbegierig. Sie wollen alles verstehen und machen mir die Arbeit somit viel einfacher.

Ehrlich gesagt, hatte ich mir vorgestellt, etwas mehr in der Schule gebraucht und eingesetzt zu werden. Denn die Lehrerinnen wussten teilweise nicht genau, was sie mit mir anfangen sollten. Dadurch, unter anderem,kam ich auf eine Idee für mein „kulturweit“-Projekt. Und als ich den Lehrern vorschlug in den nächsten Wochen, bis zum Ende des Schuljahres, das Projekt durchzuziehen, begrüßten sie die Idee und erlaubten mir in so viele Deutschstunden vorbeikommen, wie ich benötige. Die nächsten Wochen bis Ende Mai habe ich jetzt auf jeden Fall genug zu tun. Zur Idee und zur Durchführung des Projekts werde ich aber demnächst mehr schreiben.

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Ansonsten bin ich fleißig am russisch lernen. Täglich versuche ich Zeit und Motivation zu finden, mich an den Schreibtisch zu setzen um neue Vokabeln zu lernen. Ich habe nun auch eine Privatlehrerin, mit der ich mich wöchentlich treffe. Aber zugegeben: ich hatte mir erhofft, dass es schneller geht, die Sprache zu verinnerlichen. Es kommt immer noch in Restaurants, auf der Straße, oder in der Gastfamilie zu Missverständnissen oder einem Mischmasch aus russisch und Zeichensprache. So einen „Klick“-Moment, von dem viele sprechen, habe ich leider noch nicht erfahren, aber ein bisschen Zeit bis August habe ich ja noch.