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Ein Drittel

Kaum zu glauben! Jetzt ist es genau 2 Monate her, dass ich am Werbellinsee im Vorbereitungsseminar von „kulturweit“ saß und mich mit allen anderen Freiwilligen über meine Erwartungen und Sorgen für die Zukunft im Ausland austauschte. Einerseits kommt es mir vor, als wäre die Zeit verflogen, wie nichts, andererseits, wenn ich über die Zeit nachdenke, hatte ich in den letzten Wochen so wahnsinnig viele neue Erlebnisse, die mir den Eindruck geben, als wäre ich schon eine Ewigkeit hier.

Was ich jeden Fall sagen kann ist: Ich habe mich sehr gut eingewöhnt! An das Leben in der Stadt, die Arbeit in der Schule, die neuen Menschen, die ich kennen gelernt habe und an tausende Eindrücke die mich in den ersten Tagen zugegebenermaßen in einen ziemlichen Kulturschock versetzt haben.

Am Anfang nutzte ich jeden freien Nachmittag, um durch die Stadt zu spazieren und jedes Mal gefiel sie mir ein bisschen besser. Kommt man erstmal durch den Gürtel der Plattenbauten durch, kann man im Stadtzentrum wunderschöne Plätze oder Straßen mit alten Gebäuden vorfinden. Man merkt, dass es eine natürlich gewachsene Stadt ist, die aber auch groß angelegte Straßen, besitzt, die bei der ersten Orientierung extrem hilfreich waren. Eine meiner Lieblingsstraßen ist die sogenannte „Karl Marx Straße“, die von meinem Gastopa schmunzelnd nur als Broadway bezeichnet wird, wegen der vielen Theater, Boutiquen, Restaurants oder teuren Geschäften am Straßenrand. Es ist eine große Verbindungsstraße im Zentrum der Stadt zwischen Westen und Osten, die zwar viel Verkehr hat, ihren Charme aber nicht verliert, durchdie Bäume am Straßenrand und viele, wunderschöne, alte Gebäude. Wie ich schon mal erwähnt habe, war es zu meiner Ankunft noch sehr schmutzig in der Stadt, da der Schnee schmolz und überall die schmutzige Brühe durch die Straßen floss. Jetzt liegt hier schon lange kein Schnee mehr. In den letzten Wochen war die Stadt in Frühlingsputz-Stimmung. Die Parks wurden langsam grüner. Viele Leute gingen auf die Straßen, um den Bürgersteig vor ihren Geschäften sauber zu machen, oder die Fassaden neu zu streichen. Auch die Angara, der große Fluss, der durch Irkutsk fließt ist seit wenigen Tagen vollkommen geschmolzen: jetzt kann langsam der Sommer kommen!

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Es sind oft Kleinigkeiten gewesen, die für mich am Anfang ziemlich ungewohnt waren. Zum Beispiel die laute Musik auf den Straßen. An jeder größeren Kreuzung, Straße oder Platz sind Lautsprecher angebracht, die Tagsüber laufend Musik spielen. Ich finde das ehrlich gesagt eine ziemlich coole Idee. Mir gefällt der Mischmasch aus den russischen Songs oder den international bekannten Oldies und es übertönt ein wenig den Lärm der Fahrzeuge auf den Straßen. Naja, ich möchte, denk ich, trotzdem nicht die Person sein, die direkt auf Lautsprecherhöhe ihr Apartment hat; ich denke nicht jeder Anwohner wird bei der Anbringung der Boxen nach Erlaubnis gefragt. Außerdem sind es, auf den Straßen, durch die zusätzliche Beschallung, oft zu viele Eindrücke auf einmal.

Eine weitere Sache, die neu war: überall kyrillische Schrift! Klar hatte ich mich schon darauf eingestellt und auch schon gelernt wie man sie liest, aber sie so schnell zu lesen, wie wenn es lateinische Buchstaben wären, geht ja auch wieder nicht. Außerdem gibt einem die andere Schrift das definitive Gefühl in einem fremden Land zu sein. Ich fand es von Anfang an total abgefahren; es hat mich ehrlich gesagt ein bisschen an meine Zeit in der ersten Klasse der Grundschule erinnert, als ich lesen lernte. Jedes Schild oder jede Werbetafel wurde laut und/oder leise gelesen. So auch hier J

Zwischendurch sieht man dann aber doch hin und wieder lateinische Buchstaben durchblitzen. Marken wie Adidas, Sony oder Subway sind ja dann doch wieder international. Ach ja diese hunderttausenden Subways in Irkutsk… Das ist echt auffällig! In fast jeder etwas größeren Straße gibt es einen; sogar im Haus neben dem meinem Plattenbau, wo ich wohne. Das war in den ersten Wochen mein großes Glück. Weil ich ja in der Wohnung kein WLAN habe, war ich dort oft ein gern gesehener Gast. Das WLAN in den Cafés und Bars in Irkutsk ist bis heute meine einzige Möglichkeit zu skypen. Das führt oft zu sehr verwunderten Blicken der anderen Gäste, die nah an meinem Tisch sitzen und plötzlich eine unbekannte Sprache hören, aber naja, auch daran gewöhnt man sich schnell.

Aber nicht nur WLAN ist der Grund, warum ich mich gerne in den vielen Cafés und Bars hier aufhalte. In den meisten Cafés fühle ich mich hier einfach wahnsinnig wohl. Das Angebot an Möglichkeiten ist auch echt abwechslungsreich. So wie die Subways, gibt’s hier auch „Harats Pubs“ wie Sand am Meer. Das sind echt urige Irish-Pubs in denen eigentlich immer ausgelassene Stimmung herrscht! Das Stadtbild wird zusätzlich durch abertausende Bankfilialen geprägt; ich frage mich manchmal, wozu es so viele braucht, man kommt ja auch mit weniger aus. So wie die vielen, vielen Blumengeschäfte an jeder Straßenecke. Wovon man in Deutschland oft zu wenig hat, hat man hier fast schon zu viel. Aber vielleicht sollte ich einfach nicht alles hinterfragen…

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Die Arbeit in der Schule klappt auch eigentlich ganz gut und die Arbeit mit den Kids macht meistens auch ziemlichen Spaß! Bei ein paar Stunden durfte ich mit assistieren, oder ich habe beim Thema Landeskunde einen kleinen Vortrag über meine Heimatstadt Regensburg gehalten und warum sie mir so gut gefällt. Ansonsten helfe ich sehr oft der 10. Klasse, die sich auf das zweite deutsche Sprachdiplom vorbereitet, indem wir deren Präsentationen durchgehen oder ich ihnen ein paar neue Redewendungen beibringe. In die sechsten Klassen gehe ich eigentlich am liebsten und bringe denen pro Unterrichtsstunde immer einen neuen deutschen Zungenbrecher mit. Die sind immer so motiviert und wissbegierig. Sie wollen alles verstehen und machen mir die Arbeit somit viel einfacher.

Ehrlich gesagt, hatte ich mir vorgestellt, etwas mehr in der Schule gebraucht und eingesetzt zu werden. Denn die Lehrerinnen wussten teilweise nicht genau, was sie mit mir anfangen sollten. Dadurch, unter anderem,kam ich auf eine Idee für mein „kulturweit“-Projekt. Und als ich den Lehrern vorschlug in den nächsten Wochen, bis zum Ende des Schuljahres, das Projekt durchzuziehen, begrüßten sie die Idee und erlaubten mir in so viele Deutschstunden vorbeikommen, wie ich benötige. Die nächsten Wochen bis Ende Mai habe ich jetzt auf jeden Fall genug zu tun. Zur Idee und zur Durchführung des Projekts werde ich aber demnächst mehr schreiben.

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Ansonsten bin ich fleißig am russisch lernen. Täglich versuche ich Zeit und Motivation zu finden, mich an den Schreibtisch zu setzen um neue Vokabeln zu lernen. Ich habe nun auch eine Privatlehrerin, mit der ich mich wöchentlich treffe. Aber zugegeben: ich hatte mir erhofft, dass es schneller geht, die Sprache zu verinnerlichen. Es kommt immer noch in Restaurants, auf der Straße, oder in der Gastfamilie zu Missverständnissen oder einem Mischmasch aus russisch und Zeichensprache. So einen „Klick“-Moment, von dem viele sprechen, habe ich leider noch nicht erfahren, aber ein bisschen Zeit bis August habe ich ja noch.

Ostern und nochmal Ostern

Die Feiertage der russisch orthodoxen Kirche und der christlichen Kirchen in Deutschland fallen nicht immer auf den gleichen Tag. Somit hatte ich hier in Irkutsk die Möglichkeit, an zwei Wochenenden hintereinander Ostern zu feiern. Die „deutschen“ Ostern waren eine Woche früher.

Über Kontakte um viele Ecken lernte ich hier einen deutschen, evangelischen Pfarrer kennen, der seit vielen Jahren hier schon wohnt und sich deshalb super in Irkutsk auskennt. Leider ist er für die nächsten 5 Monate in Deutschland. Aber solange er noch da war, hat er mich mit vielen netten und interessanten Menschen bekannt gemacht. Außerdem zeigte er mir etwas außerhalb der Stadt eine kleine Farm, eines der einzigen Behindertendörfer in Russland. Dort wurde ich auch sehr herzlich begrüßt. In das winzige Dörfchen kommt er manchmal, um zu helfen, oder für eine kleine Bibelrunde. Da werde ich auf jeden Fall auch noch mal vorbeischauen – Vielleicht im Sommer!

Zu Ostern lud er mich zu sich nach Hause zu einer privaten Messe mit Familie und Freunden ein. Mit ihm habe ich mich am Anfang oft unterhalten. Es war eine gute Möglichkeit, noch viele Fragen über Land und Leute loszuwerden. Generell ist mir aufgefallen, dass es hier wirklich viele Verbindungen zu Deutschland gibt – hatte ich anfangs im tiefsten Sibirien nicht erwartet…

Jedenfalls kam ich am Ostersonntag zu Ihm nach Hause, wo auch langsam ein paar Freunde eintrudelten. Wir waren etwa 25 Leute, von denen die Hälfte Kinder waren. Die kleine Andacht fand im Wohnzimmer statt. Wir saßen im Kreis, sangen Lieder und hörten uns die Predigt an. Echt lustig fand ich, die mir bekannten Kirchenlieder auf russischer Sprache zu singen; etwas schwierig, aber natürlich eine super Übung! Danach räumten wir den Raum um in ein Esszimmer um und es folgte ein Festmahl! Jeder hatte irgendeine andere Leckerei mitgebracht: Salate, Fisch- und Fleischspeisen und natürlich auch gefärbte Eier. Der Nachmittag war ein lockeres Beisammensitzen mit guter Unterhaltung und köstlichem Essen. Und für die Kinder hatte der Osterhase natürlich auch draußen ein paar Schokoladen-Ostereier versteckt. Die Zeit verging sehr schnell, bis ich spät abends netterweise nach Hause gebracht wurde… So viel zu meinen „deutschen“ Ostern in Sibirien.

Das darauffolgende Wochenende verlief etwas anders: Ich hatte mir nicht viel vorgenommen. Für Sonntag hatte ich mit Vitalij ausgemacht, gegen 2 Uhr mittags mit seiner Familie eine Kirche zu besuchen. Sonst spürte ich nicht viel Osterstimmung in der Stadt oder in der Schule. Man merkt, dass es hier ein Feiertag ist, der in der Kirche bleibt oder zu Hause bei den Familien. Es gibt keinen freien Ostermontag und eigentlich auch nicht das Ostereiersuchen für die Kinder. Dennoch ist es ein großes Familienfest in Russland; das bedeutet – viel gutes Essen! Dies betreffend bereiteten sich auch meine Gastgroßeltern auf Ostern vor. Über die letzten Wochen wurden die Zwiebelschalen aufgehoben. Daraus wurde dann eine braune Brühe angerührt, in der die weißen Eier gekocht wurden und so eine gleichmäßig hellbraune Tönung bekamen.

Am Sonntag musste meine Gastoma arbeiten, aber mein Gastopa servierte mir dann zum Frühstück die gefärbten Eier. Außerdem gab es süßes, russisches Osterbrot, dass „Kulitsch“ genannt wird. Echt lecker! Dann, als ich mich gerade in mein Zimmer zurückziehen wollte, klingelte es an der Tür und ein alter Freund meines Gastopas kam vorbei mit einer Flasche Wodka in der Hand. Und ehe ich mich versah, saß ich wieder am Tisch in der Küche… Bei jedem Gläschen wurde traditionellerweise auf etwas anderes getrunken (Von „auf die Auferstehung!“, bis „auf die Freundschaft!“ oder „auf den Weltfrieden“ war praktisch alles dabei.) Dazwischen haben wir immer vom köstlichen Essen auf dem Tisch genascht. Für das leibliche Wohl war also gesorgt. Es herrschte echt gute Stimmung am Tisch, auch wenn ich nicht alles verstand, worüber gesprochen wurde. Bald musste ich aber die Beiden alleine lassen, denn dann ging es schon mit Vitalijs Familie los in die Kirche. Dort war zwar kein Gottesdienst, aber bei meditativer Musik hatte man die Möglichkeit, Kerzen anzuzünden oder einfach nur zu lauschen und innezuhalten. Ich war außerdem noch froh, mit dieser wirklich prunkvollen „Kasan“-Kirche eine Ecke von Irkutsk zu sehen, die ich davor noch nicht kannte.

Kasan Kirche

Danach besuchten Vitalij und ich seine Großmutter (meine Gastgroßmutter) bei der Arbeit im Rathaus, um ihr auch frohe Ostern zu wünschen. Und weil ja Feiertag war und somit so gut, wie kein Betrieb herrschte, hatten wir die Möglichkeit, ein paar Räume und Säle zu besuchen, in die man als normaler Tourist wahrscheinlich nicht reingekommen wäre. Als wir uns genug umgesehen hatten, wollte ich noch nicht gleich nach Hause und Vitalij hatte auch noch ein bisschen Zeit. Also beschlossen wir, noch ein Museum zu besuchen: die Kunstgalerie – eine weitere Sehenswürdigkeit der Stadt, die ich mir auf keinen Fall entgehen lassen wollte!

Zu den anderen Sehenswürdigkeiten, die ich mir hier angesehen habe, kann ich wahrscheinlich wann anders noch ausführlicher berichten…

Die Bären-Story

Dem einen oder anderen habe ich die Story zwar schon erzählt und es ist auch schon etwas her, aber um es noch Blogoffiziell zu machen, bitteschön:

An einem Samstagnachmittag lud mich mein Gastbruder Vitalij zu einem kleinen Ausflug mit seiner Familie ein. Somit hatte ich unter anderem die Möglichkeit, seine Eltern und seinen Bruder kennen zu lernen, bei denen ich mich ebenfalls nur mit russisch durchkämpfen durfte; für Smalltalk geht’s aber zum Glück inzwischen.

Ich stieg also mit der Familie in das Auto und wir fuhren etwa eine halbe Stunde in ein kleines Dorf außerhalb der Stadt, wo sich ein Restaurant befand, dessen Kellner Vitalijs Vater kannte. Die Gästeattraktion des Restaurants befand sich im Vorgarten, in einem Käfig: zwei ausgewachsene sibirische Braunbären. Nun kamen vor kurzem 2 weitere Attraktionen hinzu, denn vor ein paar Wochen bekamen die beiden Bären Junge.

Wir gingen also in das Restaurant und bekamen nach einer kurzen Unterhaltung mit dem Kellner eines der süßen, jungen Bärchen in die Hand gedrückt. Das Verhalten des Kleinen kam mir so ähnlich vor, wie das eines Hundewelpen. Nur die schon riesigen Tatzen und das etwas rauere Fell zeigten mir, dass es ein doch exotischeres Tierchen ist, was ich da auf meinem Arm halte. Danach durften wir den Bären sogar noch mit dem Fläschchen füttern. Kaum zu glauben, dass in ein paar Wochen schon aus so einem niedlichen, kleinen Teddy ein riesiger Bär wird, der, wenn man ihm in der freien sibirischen Wildbahn begegnet, einem Menschen echt gefährlich werden kann.

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Danach bekamen wir vom Kellner eine Konservendose mit Kondensmilch, mit der wir nach draußen zu den Bäreneltern gingen. Die chillten ganz gelassen in ihrem Häuschen. Am Käfig selbst hat es ziemlich gestunken und am Boden sah man, dass die Bären, von Roter Bete bis Bierdosen so ziemlich alles gefüttert bekamen. Faszinierend anzusehen fand ich jedoch, was für motorische Fähigkeiten die Bären besitzen um an ihre Nahrung zu kommen. Mit ihren scharfen Krallen war es für sie ein Leichtes, die Konservendose zu öffnen und die Milch genüsslich auszuschlürfen.

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Das war sie, meine direkte Begegnung mit einem russischen Bären. Auf der Rückfahrt meinte Vitalij nur mit einem Schmunzeln, jetzt müsse ich nur noch Wodka trinken und Balalaika spielen und ich wäre ein richtiger Russe. In diesem Sinne, ich melde mich bald wieder!

Schaschlik, Sauna, Baikalsee

Nach den DSD1-Prüfungen der 9ten Klasse begannen offiziell die Schulferien. Doch trotzdem klingelte am Montag der Wecker um 07:30 Uhr. Der Grund: Mit der 11ten Klasse ging es für 3 Tage auf Klassenfahrt. Also nahm ich meinen gepackten Rucksack und machte mich auf den Weg zum Treffpunkt, dem schönen, alten irkutsker Bahnhof, der noch aus der Zarenzeit stammt, innen aber im sozialistischen Stil ausgekleidet ist. In einer Art S-Bahn (Auf Russisch: Elektritschka) ging es dann übers Land, Richtung Sludjanka, einen kleinen Ort am Südlichen Zipfel des Baikalsees. Wir fuhren an vielen schnuckligen sibirischen Dörfern vorbei, die fast ausschließlich aus den typischen Holzhäusern bestanden. Ansonsten sah man endlich mal sauberen, weißen Schnee und Wald, sehr viel Wald (ich habe glaub ich noch nie so viele Birken auf einmal gesehen).

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Auf der Fahrt hatte ich die Möglichkeit, sowohl eine Deutschlehrerin, als auch die Schüler und Schülerinnen der 11ten Klasse ein bisschen besser kennen zu lernen. Da sie dieses Jahr schon Abitur machen (in Russland nur 11 Jahre fürs Abi) und viele von ihnen nur eineinhalb Jahre jünger als ich sind, war ich sehr schnell ein Teil der Truppe und fühlte mich fast wieder wie ein ganz normaler Schüler (auch mal wieder schön). Außerdem waren sehr viele von Ihnen mindestens schon einmal mit einem Austauschprogramm für 3 Monate in Deutschland, somit hatten wir keine großen Schwierigkeiten bei der Kommunikation.

Kurz vor der Ankunft in Sludjanka sah ich endlich, wenn auch nur kurz, den Baikalsee – noch vollkommen gefroren und mit Schnee bedeckt. Doch erstmal stiegen wir am Bahnhof um, in eine typische Marschrutka (Sprinter-ähnlicher Kleinbus) und fuhren eine weitere halbe Stunde, entfernten uns wieder etwas vom See, bis wir in einem kleinen Dorf ankamen, wo sich eine Schullandheim-ähnliche Anlage befand: Unsere Unterkunft für die nächsten zwei Nächte. Schon war es Nachmittag und mit einem Bärenhunger beschlossen wir, an einem nahegelegenen Fluss Schaschlik zu grillen.

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An den Abenden traf sich immer die ganze Klasse, um sich zum Beispiel einen Horrorfilm anzusehen (da muss man zum Glück nicht viel russisch können…), oder um verschiedenste Spiele zu spielen. Bei vielen konnte ich leider dann doch nur zuschauen und -hören, da dafür doch noch ausgeprägtere Russischkenntnisse nötig waren. Umso mehr freute ich mich, dass es dort auch einen Billard-Tisch und eine Tischtennisplatte gab und auch wenn klassische Kartenspiele gespielt wurden, war ich gerne dabei.

Ansonsten genoss ich es dort, wieder mal in einem gemütlichen Bett zu liegen.

Tagsüber unternahmen wir gemeinsam eine einstündige Wanderung an den Baikalsee. Als wir uns langsam dem Steg näherten, merkte ich, wie alle langsam aufhörten zu reden. Auf dem Steg sagte niemand mehr etwas und gemeinsam genossen wir die absolute Stille, die Aussicht und die frische Luft am gefrorenen See. Wie schön, dass ich noch länger hier bin; ich freue mich schon auf das nächste Mal am Baikalsee, vielleicht wird er ja dann nicht mehr ganz zugefroren sein…

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Auf dem Rückweg ging in der Gruppe langsam das Geplapper auf Russisch wieder los und in der Kälte freuten wir uns alle auf die Sauna, die uns erwartete.

Am Mittwoch kamen wir erst wieder spät nachts, nach langer Zugfahrt, in Irkutsk an. In den wenigen, noch verbleibenden Ferientagen hatte ich Zeit, die Stadt noch besser kennen zu lernen, bis dann wieder die Schule begann.

Nach einer Woche…

Eine Woche Irkutsk hinter mir und jeder Tag war auf seine Weise ein Erlebnis… Nach einem langen, ausgiebigen Schlaf (der leider für eine Stunde mitten in der Nacht durch Jetlag gestört wurde) machte ich mich fertig und befand mich gleich wieder mitten im russischen Leben. Denn zum Frühstück servierte mir mein Gastopa eines der anscheinend typischsten russischen Gerichte: Gretschi, eine Art Buchweizenbrei, den man entweder süß oder salzig essen kann. Dazu noch einen Krautsalat und einen heißen Schwarztee. Auch die Tage später stellte ich fest, dass das Frühstück hier sich doch sehr vom mir geläufigen Frühstück in Deutschland unterscheidet. So gab es morgens auch mal Nudeln mit Geschnetzeltem oder leckeren Fischauflauf; meist jedoch den Weizenbrei, der mir mit der Zeit immer besser schmeckt!
Nach dem Frühstück rief mich Vitalij an und wir beschlossen, bevor wir uns mit seiner Freundesclique trafen, noch in das Museum sibirischer Geschichte zu gehen. Es ist zwar nicht sehr groß, aber man bekommt dort ein gewisses Basiswissen über die Region: die wirtschaftliche Entwicklung Irkutsks, aber besonders auch die verschiedenen Sibirischen Völker (z.B. Burjaten, Tuwiner oder Jakuten), die in meinen Augen ziemlich den Mongolen ähneln und heute noch einen großen Teil der sibirischen Bevölkerung ausmachen. Im Gegensatz dazu natürlich der russische Einfluss, der verstärkt seit dem 17.Jahrhundert das Gebiet Irkutsk prägt. Wenn man durch die Stadt geht, finde ich, sieht man oft die Vielfältigkeit der ethnischen Herkunft. Vielleicht kann ich in den nächsten Wochen etwas mehr darüber erfahren, würde mich mal interessieren…
Am nächsten Tag war mein erster Arbeitstag. Also nahm ich das erste Mal alleine den Bus um in die Schule zu kommen… Die Hälfte des Montages bestand daraus, mit den Deutschlehrern viele organisatorische Dinge abzuklären, wann Ferienbeginn ist, wo ich assistieren kann etc. Danach durfte ich gleich mit einer Deutschlehrerin mitgehen und in zwei Deutschstunden die zehnten Klassen kennen lernen. Nach einer deutschen Vorstell- & Fragerunde sollte ich dann auch gleich deutsche Grammatik erklären, war gar nicht mal so einfach 
Am darauffolgenden Tag war die fünfte Klasse dran. Und das 5 Mal… 5 Mal mich vorstellen, 5 Mal die gleichen Fragen beantworten… Irgendwann wurde es doch sehr anstrengend. Das schöne war aber, dass die Kids alle so interessiert waren und mit ihren doch so wenigen Wörtern deutsch, versucht haben, so viel zu erfragen wie möglich. Es kam mir so vor, als würden sie jetzt verstehen, warum es Sinn macht, deutsch zu lernen, da sie mit russisch bei mir nicht sehr weit kamen. Und als sie nichts mehr sagen und fragen konnten, kam zum Glück das Spiel „Hangman“ mit deutschen Wörtern ganz gut an. Danach war ich aber doch ziemlich geschafft und beschloss an der frischen Luft zu Fuß über den Staudamm nach Hause zu gehen, der den einzigen Abfluss vom Baikalsee „Angara“ staut und von dem man eine schöne Aussicht auf die langsam auftauende Stadt hat.
Demnächst werde ich wahrscheinlich jede Deutschklasse einmal kennen lernen dürfen und dann sehen, wo ich am besten anpacken kann. Die Tage danach waren jedoch erstmal ganz dem deutschen Sprachdiplom gewidmet. Denn aus Nowosibirsk kam der deutsche Fachberater der ZfA um die DSD1-Prüfung den Neuntklässlern abzunehmen. Mit so einer bestandenen Sprachprüfung dürfte man schon an wenigen deutschen Universitäten studieren. Die Tage bis Sonntag durfte ich also bei den mündlichen Prüfungen und den darauf folgenden Bewertungsgesprächen daneben sitzen und auch die ein oder andere eigene Meinung einfließen lassen. Nebenbei hatte ich die Möglichkeit, in den Pausen den Fachberater mit all meinen Fragen zu löchern, die ich schon in den wenigen Tagen angesammelt hatte und viele Tipps und Informationen über Sibirien, die DSD-Schulen und deren System und meine Rolle als Freiwilliger darin, von ihm zu ergattern.
Nach den Prüfungen am Montag ging es raus aus dem noch schmutzigen Irkutsk und mit der 11ten Klasse auf Klassenfahrt, rein in die Natur, an den Baikalsee, aber darüber später mehr…

Die ersten 24 Stunden

Freitag, der 13.03., Koffer gepackt, Abflug Berlin Schönefeld 14:00 Uhr… Und los geht‘s!
Im zweistündigen Zwischenstopp in Moskau gab es WLAN und günstigen russischen Kaviar, sodass die Zeit schnell verflog… Die Einreise mit meinem Visum verlief glücklicherweise reibungslos und schon gings ab nach Sibirien ins ferne Irkutsk. Zum Glück konnte ich schon ein paar Worte russisch, sodass ich mich einigermaßen mit den Männern an den Schaltern oder den Stewardessen im Flugzeug verständigen konnte.
Nach der Landung am Irkutsker Flughafen, um 08:25 Uhr Ortszeit, warteten schon zwei Schüler aus der 11ten Klasse meiner Einsatzschule auf mich, den totmüden Philipp… Sie begrüßten mich freundlich, mit sehr gutem Deutsch. Vitalij, einer der Beiden bestellte ein Taxi und als endlich mein Koffer am Laufband ankam gingen wir hinaus in die trockene Kälte und fanden als Taxi einen schwarzen Renault vor, mit dem Lenkrad auf der rechten Seite, der in meinen Augen mehr wie ein Privatfahrzeug aussah…. In diesem Wagen ging es dann mit Vollgas und lauter Techno-Mucke über die Straßen Irkutsks, bis wir an einem der vielen Plattenbauten Halt machten. Darin befand sich die Wohnung von Vitalijs Großeltern, welche für die nächste Zeit auch mein Zuhause sein sollte. Die Großeltern nahmen mich herzlich auf, auch wenn Sie kein Wort deutsch sprachen und ich mich mit Russisch doch noch sehr schwertat.
Dann wurde ich in mein Schlafzimmer geführt, das gefüllt war mit vielen Pflanzen, Bücherregalen, einem Computer, einer zum Bett umfunktionierten Couch und meinem im Vergleich dazu riesigem Koffer, den ich dort abstellte. Gleich danach nahmen mich die Beiden Schüler Vitalij und Artjom mit, um mir die Stadt zu zeigen. Wir nahmen den Bus und waren nach sehr kurzer Zeit im Stadtzentrum angelangt.
Dort zeigten Sie mir sehr viel: Von den vielen typischen, alten Holzhäusern, dem ältesten noch vorhandenen Eisbrecher der Welt, bis hin zu den alten Statuen von Lenin, von Zar Alexander III. am Ufer der Angara, oder von Babr, dem Wappentier von Irkutsk. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ansonsten haben sie mir gleich geholfen, einen „Raiffeisen“ Bankomaten ausfindig zu machen (um kostenlos abzuheben), einen Stadtplan und eine günstige Handykarte zu kaufen(mit viel Internetvolumen, um ohne WLAN auszukommen…). Die Stadt kam mir auf den ersten Blick sehr schmutzig vor (auch in der Luft – Abgase), doch die Beiden Schüler erklärten mir, dass dies nur in dieser Jahreszeit der Fall ist, da im Moment der Schnee schnell schmilzt, und wegen der Kälte aber noch niemand mit dem Fahrrad unterwegs ist.
Nach der doch schon etwas größeren Stadtführung verabschiedete sich Artjom und nach einem kleinen russischen Snack mit Blins (vergleichbar mit gefüllten salzigen Crêpes), zeigte mir Vitalij seine Schule, wo ich ab Montag arbeiten sollte. Dort lernte ich auch gleich viele andere seiner Freunde kennen, die mich ebenfalls sehr herzlich und interessiert begrüßten. Die Deutschlehrerin (meine Ansprechperson), mit der ich die Monate vorher schon im E-Mail Kontakt stand, lernte ich dort auch kennen. Sehr viele Lehrer, auch die russischen Kinder begrüßten mich sehr herzlich auf dem Gang mit einem freundlichen, deutschen „Guten Tag“ und ich fühlte mich sehr schnell sehr wohl.
Als die Probe von Vitalijs Schulrockband zu Ende war (was der eigentliche Grund war, warum ich am ersten Tag schon die Schule besuchte) begleitete er mich zurück in mein neues Zuhause, wo meine Gastoma uns mit einem Kartoffeleintopf empfing.
Nach dem Essen war ich einfach nur noch froh, endlich im Bett zu liegen, auszuschlafen und dabei all die spannenden, neuen und auch ungewohnten Eindrücke zu verarbeiten.
Und schon sind die ersten 24 Stunden meines Freiwilligendienstes vorbei…