Als ich in Irkutsk ankam, hingen überall Plakate, die ansagten, dass bald das Militärensemble aus Moskau für ein Konzert anreisen wird. Vitalij bot mir an, es mit ihm und seinen Großeltern zu besuchen. Da ich ja klassische Chormusik echt gern mag und weil ich gemerkt habe, dass es im Ausland das Beste ist, am Anfang immer alle Angebote anzunehmen, um so viel kennen zu lernen, wie möglich, stimmte ich zu. Also gingen wir vier am Abend des Konzerts gemeinsam in das Stadion der Stadt.
Der Anlass des Konzerts war eigentlich der 70-jährige Sieg gegen den Faschismus, der in Russland offiziell am 9. Mai, dem „Tag des Sieges“ gefeiert wird. Das Ensemble hat aber wohl noch ein paar andere Ziele auf ihrer Tourneeliste und somit fand das Konzert schon Anfang April statt.
Auf den Sitzen Platz genommen ging es auch schon los. Das Militärensemble – natürlich in Uniform – betrat die Bühne. Das Programm war sehr vielfältig gestaltet. Die ersten Stücke, die vom Chor gesungen wurden, handelten vom Krieg. Zwar habe ich das natürlich textlich nicht verstanden, aber die riesigen Bildschirme links und rechts neben der Bühne, die Filmmaterial aus dem zweiten Weltkrieg zeigten, machten es deutlich – für mich anfangs sehr neu, ungewöhnlich und gewöhnungsbedürftig.
Es folgten sowohl reine Orchesterstücke, als auch viele von starken Solisten gesungene Volkslieder. Nicht nur Solosänger traten auf, es standen auch vereinzelte Instrumente im Vordergrund. Und natürlich – auch die Balalaika!
Generell war das Konzert, soweit ich das einschätzen kann, musikalisch echt top! Mich hat besonders beeindruckt, mit welchem Stolz viele Volkslieder von Chor und Solisten gesungen wurden. Und nach melancholischen Stücken, die zum Beispiel von den Weiten des Baikalsees handeln, kam es echt gelegen, dass eine traditionelle Tanz- und Steppeinlage, die Stimmung im Stadion wieder auflockerte. An der Euphorie des Publikums konnte ich oft erkennen, wie bekannt die gesungenen Lieder waren; bis wir zum Höhepunkt des Abends kamen, dem Lied Kalinka, das selbst ich schon kannte.
Alles in allem war der Abend für mich sehr interessant, beeindruckend und angenehm zugleich, da ich die Möglichkeit hatte, russischen Patriotismus und russisches Kulturgut, hier in Form von Musik, hautnah mitzuerleben.
Archiv für den Monat: April 2015
Kicken in der Kälte
So kitschig das klingt, aber es sind auch wirklich die kleinen Dinge, die mir die Zeit hier verschönern! In den ersten Wochen bin ich ja in der Schule von Deutschklasse zu Deutschklasse spaziert und habe mich vorgestellt, Fragerunden gemacht, „Hangman“ mit deutschen Wörtern gespielt usw… Also war ich auch in einer 11ten Klasse, die den Schwerpunkt auf Naturwissenschaften hatte und somit nicht wirklich viel Deutsch konnte. Sie waren trotzdem wahnsinnig interessiert und die Jungs haben mich am Ende der Stunde eingeladen, am Samstag mit ihnen eine Runde Fußballspielen zu gehen.
Also traf ich mich am Samstag mit zwei Schülern an der Schule und wir gingen Richtung Fußballplatz, wo der Rest auf uns wartete. Ich hatte am Anfang gar nicht erwartet, dass wir eine so große Gruppe sein würden, aber so konnten wir echt zwei große Mannschaften bilden. Zum Glück wurde der Kunstrasenplatz frei, sodass wir nicht auf dem matschigen Bolzplatz nebenan spielen mussten.
Wir konnten zwar nicht so gut miteinander kommunizieren, die Regeln sind ja aber international bekannt. Also haben wir uns auf Anhieb, ohne groß miteinander zu sprechen, echt gut verstanden und hatten einen riesigen Spaß!
Ein Problem war nur… es war saukalt!! Die Sonne schien zwar, aber bei Temperaturen um den Nullpunkt und starken Wind, bekamen wir den wunderbaren Charme des Sibirischen Frühlings zu spüren. Als ich abends zu Hause ankam, war ich echt froh, unter der warmen Dusche zu stehen; nichts desto trotz war es nötig, sich mal wieder richtig auszupowern. Und zusätzlich habe ich echt herzliche, neue Freunde kennen gelernt, mit denen ich hoffentlich noch öfter sporteln werde – ein gelungener Samstagnachmittag!
Die Bären-Story
Dem einen oder anderen habe ich die Story zwar schon erzählt und es ist auch schon etwas her, aber um es noch Blogoffiziell zu machen, bitteschön:
An einem Samstagnachmittag lud mich mein Gastbruder Vitalij zu einem kleinen Ausflug mit seiner Familie ein. Somit hatte ich unter anderem die Möglichkeit, seine Eltern und seinen Bruder kennen zu lernen, bei denen ich mich ebenfalls nur mit russisch durchkämpfen durfte; für Smalltalk geht’s aber zum Glück inzwischen.
Ich stieg also mit der Familie in das Auto und wir fuhren etwa eine halbe Stunde in ein kleines Dorf außerhalb der Stadt, wo sich ein Restaurant befand, dessen Kellner Vitalijs Vater kannte. Die Gästeattraktion des Restaurants befand sich im Vorgarten, in einem Käfig: zwei ausgewachsene sibirische Braunbären. Nun kamen vor kurzem 2 weitere Attraktionen hinzu, denn vor ein paar Wochen bekamen die beiden Bären Junge.
Wir gingen also in das Restaurant und bekamen nach einer kurzen Unterhaltung mit dem Kellner eines der süßen, jungen Bärchen in die Hand gedrückt. Das Verhalten des Kleinen kam mir so ähnlich vor, wie das eines Hundewelpen. Nur die schon riesigen Tatzen und das etwas rauere Fell zeigten mir, dass es ein doch exotischeres Tierchen ist, was ich da auf meinem Arm halte. Danach durften wir den Bären sogar noch mit dem Fläschchen füttern. Kaum zu glauben, dass in ein paar Wochen schon aus so einem niedlichen, kleinen Teddy ein riesiger Bär wird, der, wenn man ihm in der freien sibirischen Wildbahn begegnet, einem Menschen echt gefährlich werden kann.
Danach bekamen wir vom Kellner eine Konservendose mit Kondensmilch, mit der wir nach draußen zu den Bäreneltern gingen. Die chillten ganz gelassen in ihrem Häuschen. Am Käfig selbst hat es ziemlich gestunken und am Boden sah man, dass die Bären, von Roter Bete bis Bierdosen so ziemlich alles gefüttert bekamen. Faszinierend anzusehen fand ich jedoch, was für motorische Fähigkeiten die Bären besitzen um an ihre Nahrung zu kommen. Mit ihren scharfen Krallen war es für sie ein Leichtes, die Konservendose zu öffnen und die Milch genüsslich auszuschlürfen.
Das war sie, meine direkte Begegnung mit einem russischen Bären. Auf der Rückfahrt meinte Vitalij nur mit einem Schmunzeln, jetzt müsse ich nur noch Wodka trinken und Balalaika spielen und ich wäre ein richtiger Russe. In diesem Sinne, ich melde mich bald wieder!
Schaschlik, Sauna, Baikalsee
Nach den DSD1-Prüfungen der 9ten Klasse begannen offiziell die Schulferien. Doch trotzdem klingelte am Montag der Wecker um 07:30 Uhr. Der Grund: Mit der 11ten Klasse ging es für 3 Tage auf Klassenfahrt. Also nahm ich meinen gepackten Rucksack und machte mich auf den Weg zum Treffpunkt, dem schönen, alten irkutsker Bahnhof, der noch aus der Zarenzeit stammt, innen aber im sozialistischen Stil ausgekleidet ist. In einer Art S-Bahn (Auf Russisch: Elektritschka) ging es dann übers Land, Richtung Sludjanka, einen kleinen Ort am Südlichen Zipfel des Baikalsees. Wir fuhren an vielen schnuckligen sibirischen Dörfern vorbei, die fast ausschließlich aus den typischen Holzhäusern bestanden. Ansonsten sah man endlich mal sauberen, weißen Schnee und Wald, sehr viel Wald (ich habe glaub ich noch nie so viele Birken auf einmal gesehen).
Auf der Fahrt hatte ich die Möglichkeit, sowohl eine Deutschlehrerin, als auch die Schüler und Schülerinnen der 11ten Klasse ein bisschen besser kennen zu lernen. Da sie dieses Jahr schon Abitur machen (in Russland nur 11 Jahre fürs Abi) und viele von ihnen nur eineinhalb Jahre jünger als ich sind, war ich sehr schnell ein Teil der Truppe und fühlte mich fast wieder wie ein ganz normaler Schüler (auch mal wieder schön). Außerdem waren sehr viele von Ihnen mindestens schon einmal mit einem Austauschprogramm für 3 Monate in Deutschland, somit hatten wir keine großen Schwierigkeiten bei der Kommunikation.
Kurz vor der Ankunft in Sludjanka sah ich endlich, wenn auch nur kurz, den Baikalsee – noch vollkommen gefroren und mit Schnee bedeckt. Doch erstmal stiegen wir am Bahnhof um, in eine typische Marschrutka (Sprinter-ähnlicher Kleinbus) und fuhren eine weitere halbe Stunde, entfernten uns wieder etwas vom See, bis wir in einem kleinen Dorf ankamen, wo sich eine Schullandheim-ähnliche Anlage befand: Unsere Unterkunft für die nächsten zwei Nächte. Schon war es Nachmittag und mit einem Bärenhunger beschlossen wir, an einem nahegelegenen Fluss Schaschlik zu grillen.
An den Abenden traf sich immer die ganze Klasse, um sich zum Beispiel einen Horrorfilm anzusehen (da muss man zum Glück nicht viel russisch können…), oder um verschiedenste Spiele zu spielen. Bei vielen konnte ich leider dann doch nur zuschauen und -hören, da dafür doch noch ausgeprägtere Russischkenntnisse nötig waren. Umso mehr freute ich mich, dass es dort auch einen Billard-Tisch und eine Tischtennisplatte gab und auch wenn klassische Kartenspiele gespielt wurden, war ich gerne dabei.
Ansonsten genoss ich es dort, wieder mal in einem gemütlichen Bett zu liegen.
Tagsüber unternahmen wir gemeinsam eine einstündige Wanderung an den Baikalsee. Als wir uns langsam dem Steg näherten, merkte ich, wie alle langsam aufhörten zu reden. Auf dem Steg sagte niemand mehr etwas und gemeinsam genossen wir die absolute Stille, die Aussicht und die frische Luft am gefrorenen See. Wie schön, dass ich noch länger hier bin; ich freue mich schon auf das nächste Mal am Baikalsee, vielleicht wird er ja dann nicht mehr ganz zugefroren sein…
Auf dem Rückweg ging in der Gruppe langsam das Geplapper auf Russisch wieder los und in der Kälte freuten wir uns alle auf die Sauna, die uns erwartete.
Am Mittwoch kamen wir erst wieder spät nachts, nach langer Zugfahrt, in Irkutsk an. In den wenigen, noch verbleibenden Ferientagen hatte ich Zeit, die Stadt noch besser kennen zu lernen, bis dann wieder die Schule begann.










