Archiv für den Monat: März 2015

Nach einer Woche…

Eine Woche Irkutsk hinter mir und jeder Tag war auf seine Weise ein Erlebnis… Nach einem langen, ausgiebigen Schlaf (der leider für eine Stunde mitten in der Nacht durch Jetlag gestört wurde) machte ich mich fertig und befand mich gleich wieder mitten im russischen Leben. Denn zum Frühstück servierte mir mein Gastopa eines der anscheinend typischsten russischen Gerichte: Gretschi, eine Art Buchweizenbrei, den man entweder süß oder salzig essen kann. Dazu noch einen Krautsalat und einen heißen Schwarztee. Auch die Tage später stellte ich fest, dass das Frühstück hier sich doch sehr vom mir geläufigen Frühstück in Deutschland unterscheidet. So gab es morgens auch mal Nudeln mit Geschnetzeltem oder leckeren Fischauflauf; meist jedoch den Weizenbrei, der mir mit der Zeit immer besser schmeckt!
Nach dem Frühstück rief mich Vitalij an und wir beschlossen, bevor wir uns mit seiner Freundesclique trafen, noch in das Museum sibirischer Geschichte zu gehen. Es ist zwar nicht sehr groß, aber man bekommt dort ein gewisses Basiswissen über die Region: die wirtschaftliche Entwicklung Irkutsks, aber besonders auch die verschiedenen Sibirischen Völker (z.B. Burjaten, Tuwiner oder Jakuten), die in meinen Augen ziemlich den Mongolen ähneln und heute noch einen großen Teil der sibirischen Bevölkerung ausmachen. Im Gegensatz dazu natürlich der russische Einfluss, der verstärkt seit dem 17.Jahrhundert das Gebiet Irkutsk prägt. Wenn man durch die Stadt geht, finde ich, sieht man oft die Vielfältigkeit der ethnischen Herkunft. Vielleicht kann ich in den nächsten Wochen etwas mehr darüber erfahren, würde mich mal interessieren…
Am nächsten Tag war mein erster Arbeitstag. Also nahm ich das erste Mal alleine den Bus um in die Schule zu kommen… Die Hälfte des Montages bestand daraus, mit den Deutschlehrern viele organisatorische Dinge abzuklären, wann Ferienbeginn ist, wo ich assistieren kann etc. Danach durfte ich gleich mit einer Deutschlehrerin mitgehen und in zwei Deutschstunden die zehnten Klassen kennen lernen. Nach einer deutschen Vorstell- & Fragerunde sollte ich dann auch gleich deutsche Grammatik erklären, war gar nicht mal so einfach 
Am darauffolgenden Tag war die fünfte Klasse dran. Und das 5 Mal… 5 Mal mich vorstellen, 5 Mal die gleichen Fragen beantworten… Irgendwann wurde es doch sehr anstrengend. Das schöne war aber, dass die Kids alle so interessiert waren und mit ihren doch so wenigen Wörtern deutsch, versucht haben, so viel zu erfragen wie möglich. Es kam mir so vor, als würden sie jetzt verstehen, warum es Sinn macht, deutsch zu lernen, da sie mit russisch bei mir nicht sehr weit kamen. Und als sie nichts mehr sagen und fragen konnten, kam zum Glück das Spiel „Hangman“ mit deutschen Wörtern ganz gut an. Danach war ich aber doch ziemlich geschafft und beschloss an der frischen Luft zu Fuß über den Staudamm nach Hause zu gehen, der den einzigen Abfluss vom Baikalsee „Angara“ staut und von dem man eine schöne Aussicht auf die langsam auftauende Stadt hat.
Demnächst werde ich wahrscheinlich jede Deutschklasse einmal kennen lernen dürfen und dann sehen, wo ich am besten anpacken kann. Die Tage danach waren jedoch erstmal ganz dem deutschen Sprachdiplom gewidmet. Denn aus Nowosibirsk kam der deutsche Fachberater der ZfA um die DSD1-Prüfung den Neuntklässlern abzunehmen. Mit so einer bestandenen Sprachprüfung dürfte man schon an wenigen deutschen Universitäten studieren. Die Tage bis Sonntag durfte ich also bei den mündlichen Prüfungen und den darauf folgenden Bewertungsgesprächen daneben sitzen und auch die ein oder andere eigene Meinung einfließen lassen. Nebenbei hatte ich die Möglichkeit, in den Pausen den Fachberater mit all meinen Fragen zu löchern, die ich schon in den wenigen Tagen angesammelt hatte und viele Tipps und Informationen über Sibirien, die DSD-Schulen und deren System und meine Rolle als Freiwilliger darin, von ihm zu ergattern.
Nach den Prüfungen am Montag ging es raus aus dem noch schmutzigen Irkutsk und mit der 11ten Klasse auf Klassenfahrt, rein in die Natur, an den Baikalsee, aber darüber später mehr…

Die ersten 24 Stunden

Freitag, der 13.03., Koffer gepackt, Abflug Berlin Schönefeld 14:00 Uhr… Und los geht‘s!
Im zweistündigen Zwischenstopp in Moskau gab es WLAN und günstigen russischen Kaviar, sodass die Zeit schnell verflog… Die Einreise mit meinem Visum verlief glücklicherweise reibungslos und schon gings ab nach Sibirien ins ferne Irkutsk. Zum Glück konnte ich schon ein paar Worte russisch, sodass ich mich einigermaßen mit den Männern an den Schaltern oder den Stewardessen im Flugzeug verständigen konnte.
Nach der Landung am Irkutsker Flughafen, um 08:25 Uhr Ortszeit, warteten schon zwei Schüler aus der 11ten Klasse meiner Einsatzschule auf mich, den totmüden Philipp… Sie begrüßten mich freundlich, mit sehr gutem Deutsch. Vitalij, einer der Beiden bestellte ein Taxi und als endlich mein Koffer am Laufband ankam gingen wir hinaus in die trockene Kälte und fanden als Taxi einen schwarzen Renault vor, mit dem Lenkrad auf der rechten Seite, der in meinen Augen mehr wie ein Privatfahrzeug aussah…. In diesem Wagen ging es dann mit Vollgas und lauter Techno-Mucke über die Straßen Irkutsks, bis wir an einem der vielen Plattenbauten Halt machten. Darin befand sich die Wohnung von Vitalijs Großeltern, welche für die nächste Zeit auch mein Zuhause sein sollte. Die Großeltern nahmen mich herzlich auf, auch wenn Sie kein Wort deutsch sprachen und ich mich mit Russisch doch noch sehr schwertat.
Dann wurde ich in mein Schlafzimmer geführt, das gefüllt war mit vielen Pflanzen, Bücherregalen, einem Computer, einer zum Bett umfunktionierten Couch und meinem im Vergleich dazu riesigem Koffer, den ich dort abstellte. Gleich danach nahmen mich die Beiden Schüler Vitalij und Artjom mit, um mir die Stadt zu zeigen. Wir nahmen den Bus und waren nach sehr kurzer Zeit im Stadtzentrum angelangt.
Dort zeigten Sie mir sehr viel: Von den vielen typischen, alten Holzhäusern, dem ältesten noch vorhandenen Eisbrecher der Welt, bis hin zu den alten Statuen von Lenin, von Zar Alexander III. am Ufer der Angara, oder von Babr, dem Wappentier von Irkutsk. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ansonsten haben sie mir gleich geholfen, einen „Raiffeisen“ Bankomaten ausfindig zu machen (um kostenlos abzuheben), einen Stadtplan und eine günstige Handykarte zu kaufen(mit viel Internetvolumen, um ohne WLAN auszukommen…). Die Stadt kam mir auf den ersten Blick sehr schmutzig vor (auch in der Luft – Abgase), doch die Beiden Schüler erklärten mir, dass dies nur in dieser Jahreszeit der Fall ist, da im Moment der Schnee schnell schmilzt, und wegen der Kälte aber noch niemand mit dem Fahrrad unterwegs ist.
Nach der doch schon etwas größeren Stadtführung verabschiedete sich Artjom und nach einem kleinen russischen Snack mit Blins (vergleichbar mit gefüllten salzigen Crêpes), zeigte mir Vitalij seine Schule, wo ich ab Montag arbeiten sollte. Dort lernte ich auch gleich viele andere seiner Freunde kennen, die mich ebenfalls sehr herzlich und interessiert begrüßten. Die Deutschlehrerin (meine Ansprechperson), mit der ich die Monate vorher schon im E-Mail Kontakt stand, lernte ich dort auch kennen. Sehr viele Lehrer, auch die russischen Kinder begrüßten mich sehr herzlich auf dem Gang mit einem freundlichen, deutschen „Guten Tag“ und ich fühlte mich sehr schnell sehr wohl.
Als die Probe von Vitalijs Schulrockband zu Ende war (was der eigentliche Grund war, warum ich am ersten Tag schon die Schule besuchte) begleitete er mich zurück in mein neues Zuhause, wo meine Gastoma uns mit einem Kartoffeleintopf empfing.
Nach dem Essen war ich einfach nur noch froh, endlich im Bett zu liegen, auszuschlafen und dabei all die spannenden, neuen und auch ungewohnten Eindrücke zu verarbeiten.
Und schon sind die ersten 24 Stunden meines Freiwilligendienstes vorbei…