Archiv des Autors: Vera Paulmann

Blog-Wettbewerb

Liebe treue Leser,

Im Leben ist alles ein Wettbewerb. Nein, zum Glück nicht ganz. Aber auch mein kleiner, ruhiger Blog wird jetzt vor eine „Challenge“ gestellt: Im Wettbewerb der Kulturweit-Blogs gut abzuschneiden. Ihr könnt mir dabei helfen! Durch den Abstimmbutton könnt ihr mir für jeden Artikel, der euch von mir gefällt, eure Stimme geben. Am Ende wird der beliebteste Blog und auch der beliebteste Artikel prämiert. Und da ich ja immer von allen höre, wie interessant doch mein Blog sei, rechne ich mir ganz gute Chancen aus.

Also: Scrollt einfach nochmal durch meine bisherigen Artikel und gebt ihnen eure Stimme!

Alltag in Reșița

Mir ist vor kurzem aufgefallen, dass ich erst weniger als als zwei Monate in Rumänien bin. Das kann doch nicht sein! Ich habe schon so viel erlebt, dass es sich anfühlt wie mindestens drei Monate. Um ein Resümee zu verfassen ist es wohl noch ein bisschen früh. Aber ich habe inzwischen genügend Eindrücke gewonnen, um euch zumindest einen Überblick über den Alltag hier zu verschaffen.

Der öffentliche Nahverkehr

Steigt man in den Bus ein, wird man zunächst von Radiomusik begrüßt, die in Lautsprechern durch den ganzen Bus schallt. Man braucht also schon mal keinen MP3-Player mit auf den Weg nehmen, für Beschallung ist gesorgt. Eine Fahrkarte kostet nur zwei RON (0,4€) und man kauft sie nicht am Automaten oder beim Fahrer. Es gibt in jedem Bus einen Fahrkartenverkäufer, der durch den Bus läuft und die Karten verkauft. Bei meiner allerersten Busfahrt hatte ich kein bestimmtes Ziel. Ich wollte einfach mal mit dem Bus durch die Stadt fahren, bis zum neuen Stadtteil und dann dort herumspazieren. Der Ticketverkäufer, der wahrscheinlich hilfreich sein wollte, konnte sich aber nicht vorstellen, dass jemand einfach nur mit dem Bus fährt, um zu fahren. Dass es nicht wirklich wichtig ist, wo ich lande. Als ich ihm keine Adresse geben konnte, die ich erreichen wollte, fing er an mir einzureden, ich sei im falschen Bus. Es ging so weit, dass er mich an der nächsten Haltestelle dazu brachte, auszusteigen. Ich stand dann vollkommen verwirrt an der Haltestelle und wartete auf den nächsten Bus. Der fuhr natürlich genau die selbe Strecke wie der zuvor, aber hier fragte mich niemand, wo ich denn eigentlich hinwolle. Glück gehabt!

Das Shopping-Center

Im Zentrum, über dem Carrefour, gibt es ein „Shopping-Center“. Es ist wirklich interessant. Drinnen gibt es verschiedene Läden und Boutiquen, die allerdings nicht voneinander abgetrennt sind. Es gibt keine Wände oder Vorhänge, die die Ladenflächen einteilen. Es ist einfach ein großer Raum, mit den Waren und Kleiderstangen der verschiedenen Geschäfte.

Das unglaublich realistische Versprechen dieses Schönheitsinstituts bringt mich immer zum lachen, wenn ich die Rolltreppe zum "Shopping-Center" hochfahre.

Das unglaublich realistische Versprechen dieses Schönheitsinstituts bringt mich immer zum lachen, wenn ich die Rolltreppe zum „Shopping-Center“ hochfahre.

Der Zoo

Als wir mit der 5ten Klasse einen Ausflug in den Zoo nach Timişoara gemacht haben, war ich überrascht. So einen Zoo hatte ich noch nie gesehen: Die Gehege aller Tiere sind einfach auf dem schon vorhandenen Waldboden angelegt. Es gibt keine spezifischen Untergründe für Tiere aus einer anderen Weltregion. Kängurus hüpfen in ihrem Gehege durch den rumänischen Wald. Natürlich ist alles auch nicht so besucherfreundlich, wie man das aus deutschen Zoos kennt – keine Glasscheiben, damit man die Tiere gut photographieren kann. Stattdessen alle Gehege von Maschendrahtzaun umgeben. Und zwischendrin laufen überall Hühner durch die Gegend.

Die Affen klettern auf den Bäumen hoch über dem Ende des Maschendrahtzauns.

Die Affen klettern auf den Bäumen hoch über dem Ende des Maschendrahtzauns.

Das Schwimmbad

Ich gehe jetzt jeden Morgen schwimmen. Das macht richtig Spaß und abends falle ich komplett erledigt ins Bett. Bis man allerdings im Schwimmbad aufgenommen wird, ist das eine richtige Prozedur. Man braucht nämlich eine Bescheinigung vom Hautarzt, dass man keine Hautkrankheiten hat. Super, es sah also so aus, als müsste ich hier irgendeinen Arzt finden, der mich versteht und mir so bald wie möglich einen Termin gibt. Schon in meinem Reiseführer hatte ich gelesen, dass sowohl Arzt als auch Krankenschwester ein Geschenk erwarten, damit man überhaupt einen Termin bekommt. Bestechung also. Meine Kollegin Yvonne aus der Schule half mir netterweise bei dem ganzen. Als wir gerade auf der Suche nach der Hautarztpraxis waren, schaute eine Frau aus dem Fenster und erkannte Yvonne. Die beiden gehen zusammen schwimmen. Die Frau ist Krankenschwester und war so nett, mir diese Bescheinigung zu schreiben. Ich habe mich natürlich gefreut, dass ich nicht wegen diesem Wisch einen Arzttermin ausmachen musste. Aber trotzdem ist das natürlich Doppelmoral: Jeder soll eine Bescheinigung vorweisen, dass er keine Hautkrankheiten hat und untersucht wird man dann aber nicht, wenn man sie geschrieben bekommt.

Auch im Schwimmbad selbst gibt es interessante Regeln: Man bekommt eine Uhrzeit zugeteilt, und nur innnerhalb dieser einen Stunde darf man dort schwimmen. Bei mir war die Angestellte so nett, zwei Uhrzeiten auf mein Abonnement zu schreiben, damit ich entweder morgens oder abends kommen kann. Außerdem gilt die Pflicht des Badekappentragens. Damit komme ich gar nicht zurecht, denn ich habe ja so dicke Haare. Ich bin mit meiner Badekappe auf Kriegsfuß: Ständig rutscht sie mir vom Kopf, ich reiße sie mit aller Kraft tief in die Stirn, sie schnalzt gegen meinen Kopf und quetscht mir die Augäpfel ein, weil sie zu tief gerutscht ist. Aaaah!

Ansonsten ist das Schwimmbad aber super, die Bahnen haben olympische Länge und es gibt Zuschauerplätze, weil dort am Wochenende immer Wettkämpfe stattfinden.

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Die Sprachbarriere

Fragt man jemanden (zum Beispiel an einem Ticketschalter), ob er oder sie Englisch spricht, bekommt man immer ein Nein. Davon darf man sich aber nicht verunsichern lassen: Meistens verstehen sie einen dann doch irgendwie. Trotzdem ist es sehr deprimierend, wie verloren man ohne Rumänisch-Kenntnisse ist. Ich spreche fließend Englisch, Deutsch und Französisch, doch das hilft mir hier kaum weiter. Ich hatte inzwischen schon dreißig Stunden Rumänisch-Unterricht und habe große Fortschritte gemacht. Trotzdem muss ich mehr üben und wiederholen, damit ich besser werde. Ein paar lustige Vokabeln kann ich ja mit euch teilen: Zum Beispiel die Zahl 16 –  șaisprezece. Die Kurzversion davon ist șai’s’pe, dass spricht man schaischpe aus. Wieso ich da immer lachen muss, ist ja klar… Oder varză, das bedeuted Kohl. Da muss ich immer an Warze denken. Warm heißt hier cald, das ist natürlich total verwirrend. Kalt heißt übrigens frig.

Die Kultur

Die Deutschen sind im Ausland für ihre Direktheit bekannt. Auch hier stößt man deswegen auf Missverständnisse. Wenn man in der rumänischen Kultur etwas zu essen oder zu trinken angeboten bekommt, dann lehnt man zunächst dankend ab. Erst beim zweiten Mal, dass man es angeboten bekommt, sagt man ja. Wenn ich allerdings Nein sage, dann meine ich Nein. Nur wird das hier nicht so richtig ernst genommen, schließlich ist es ja normal, dass man seinem Gast das Essen erst aufdrängen muss. Es ist nicht so einfach etwas abzulehnen, ohne dass man den anderen beleidigt.

Das Rauchen

Ja, dieses maßlose Rauchen stört mich ungemein. Ich habe das Gefühl, dass ich der einzige Mensch in Rumänien bin, der nicht raucht. Geraucht wird natürlich nicht nur auf der Straße sondern auch in Cafés und Restaurants. Ich hasse es, wenn sich Rauchschwaden über mein Essen ziehen. Bei all den rauchfreien Zonen in Deutschland, bin ich an so was nicht (mehr) gewöhnt. Zum Glück ist es inzwischen so warm, dass man in den Cafés draußen sitzen kann. An der frischen Luft ist der Rauch erträglicher.

Einflüsse auf dem Ausland

Man ist überrascht, wie zusammengestückelt die rumänische Infrastruktur  ist: Die lokalen Busse sind aussortierte Modelle aus den Niederlanden, die Züge sind alte französische Restposten. Ich habe auch schon Krankenwagen mit der Aufschrift „Deutsches Rotes Kreuz“ gesehen… Es gibt hier  viel Second-Hand-Kleidung aus Deutschland. So kommt es vor, dass man immer wieder Leute in ausrangierten DeutschePost-Jacken oder T-shirts mit deutschen Aufdrücken herumlaufen sieht. Ich frage mich dann immer, ob die Leute verstehen, was auf ihrer Kleidung steht. Zum Beispiel bin ich heute an einem Mann vorbeigelaufen, auf dessen T-shirt eine Bulldogge war und darüber stand „Ich will dich nur spielen“.

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Religion

Die vorherrschenden Religionen sind hier der Katholizismus und der Orthodoxismus. Gehen Orthodoxe an einer (orthodoxen) Kirche vorbei, bekreuzigen sie sich. Das habe ich vorher noch nie gesehen. Manche Frauen habe ich schon in High heels und Minirock die Straße entlang tackeln und sich dann auch auf Höhe der Kirche bekreuzigen sehen. Finde ich amüsant…

Sinti- und Roma-Hass

Leider leider herrscht hier immer noch eine große Diskriminierung gegenüber Romas. Im Bus werden ihnen böse Blicke zugeworfen, generell werden sie verachtet und bei jeder Gelegenheit beschimpft. Auch von den gebildetsten Leuten, von denen man so etwas nie erwarten würde, mit denen man sich ansonsten gut versteht, bekommt man schlimmes über die „Zigeuner“ zu hören. Ein Beispiel: Ich war vor einigen Wochen auf der Osterfeier des Deutschen Forums und auf dem Heimweg habe ich mich ganz normal mit einer Frau unterhalten, die ich dort kennengelernt hatte. Wir redeten harmlos über den kleinen Hundewelpen, den ich an diesem Tag gefunden hatte, da fing sie auf einmal aus dem Nichts an, darüber zu schimpfen, dass in diesem Viertel ja so viele „Zigeuner“ leben würden. Sie sagte, und das sagte sie wirklich: „Diese Zigeuner sind gar keine Menschen. Was die alles anstellen. Das sind Unmenschen!“ Ich war komplett vor den Kopf gestoßen. Ich wurde schon davor gewarnt, dass es nichts bringt, eine Diskussion über diese Einstellung anzufangen. Ich schneide dieses Thema nie von mir aus an, denn bei den meisten Leuten will ich lieber gar nicht wissen, was sie über die Roma denken, weil ich weiß, dass ich dann enttäuscht sein werde. Trotzdem kommt oft genug zu Sprache, meistens nur in Nebensätzen, wie schlimm und falsch und hinterlistig die Roma doch sind. Ich habe noch keinen Weg gefunden, mit solchen Aussagen klarzukommen.

Bestechung

„In Rumänien läuft alles über Beziehungen“, meinte ein anderer Rumänien-Freiwilliger vor einiger Zeit zu mir. Er hatte Recht – das sieht man ja ganz gut an dem Beispiel mit der Hautarzt-Bescheinigung. Läuft etwas nicht über Beziehungen, läuft auch heute leider noch vieles über Bestechung. Wenn man sein Zugticket nicht am Ticketschalter kaufen will, kann man auch einfach in den Zug einsteigen und dem Schaffner etwas zustecken (meistens ungefähr die Hälfte des Ticketpreises). Der steckt das dann in die eigene Tasche und man selber hat die Hälfte gespart. Viele Prozesse sind so über-bürokratisiert, dass man fast gezwungen wird, sie über andere Wege zu lösen. Um zum Beispiel ein Hausdach auszubauen, muss man einen Antrag stellen, der meistens über ein Jahr lang braucht, bis er bearbeitet ist. Außerdem ist es sehr teuer, deutlich teurer als das Dach einfach schwarz auszubauen, ohne Antrag. Diese Tatsache führt dazu, dass einfach jeder macht, was er will und die Regierung keine Kontrolle mehr über Umbaumaßnahmen hat. So passiert es auch, dass tolle alte Häuser – Wahrzeichen der Stadt – mit nicht-epochenadäquaten Fenstern o.ä. verunstaltet werden.

Ratet mal, welches mein Breifkasten ist. ...Richtig! Aber mag er auch noch so klein sein, er ist hat dennoch großen Appetit auf Post. Adresse bekommt ihr von mir :)

Ratet mal, welches mein Briefkasten ist. …Richtig! Aber mag er auch noch so klein sein, er hat dennoch großen Appetit auf Post. Adresse bekommt ihr von mir 🙂

Es ist nicht alles schlecht und hoffnungslos hier. Ich denke, dieses Land hat großes Potential. Und ich werde immer wieder überrascht. Schlaglöcher, von denen man das Gefühl hat, sie seien schon zwanzig Jahre in der Straße, sind auf einmal zugeteert. Mein Hausflur ist plötzlich frisch gestrichen, als ich aus dem Urlaub wiederkomme. Es gibt Veränderungen. Es gibt Verbesserungen. Man darf einfach nicht vergessen, dass dieses Land bis vor nur etwas mehr als zwei Jahrzehnten noch in der kommunistischen Dikatur Ceaușescus gefangen war!

Und die abgefahrenste Nachricht kommt zum Schluß: Am vorletzten Sonntag hatte ich mit dem Chor des Deutsche Forums einen Auftritt in Tracht! Stellt euch bitte mich in Tracht vor. Halt, stellt es euch lieber nicht vor. Na ja, auf jeden Fall, da ich ja keine Tracht besitze und auch schockierender Weise weder einen langen Rock noch ein weißes Hemd mit nach Rumänien genommen habe, habe ich für Sonntag eine Tracht geliehen bekommen. Diesen Anblick will ich meinen treuen Lesern natürlich nicht vorenthalten und deshalb jetzt am Ende dieses langen Beitrags noch eine kleine Aufheiterung:

Ich im Dirndl...

Ich im Dirndl…

 

Unser Chor-Auftritt

Unser Chor-Auftritt

Timișoara – eine Stadt auf Rollen

Hallo Welt!

Es scheint, als sei mein Internetproblem gelöst. Das ist eine große Erleichterung. Vor ein paar Wochen, bei meiner Ankunft in Rumänien hat mir mein Vermieter gesagt, in Reșița gäbe es nichts außer das Internet. Ich wollte es nicht glauben, ein bisschen hat er aber schon Recht. Darüber will ich jetzt aber nicht zu viel verraten, denn in meinem nächsten Beitrag will ich mehr über den Alltag vor Ort berichten. Jetzt muss aber erst mal ein kurzes Stadtportrait eingeschoben werden.

Diese Woche sind Frühlingsferien und diese verbringe ich in Timișoara – einer wunderschönen Stadt drei Zugstunden von Reșița enfernt. Die Reise lohnt sich. Timișoara hat alles, was Reșița nicht hat: Kunst und Kultur, große Parks, eine Uferpromenade, junge Leute, Sprachkurse, Erasmus-Studenten, Postkarten… Diese Woche fülle ich meinen ausgetrockneten Kulturtank bis zum Rand!

Eine richtige Stadt, wisst ihr? Eine Stadt mit über 300.000 Einwohnern!

Eine richtige Stadt, wisst ihr? Eine Stadt mit über 300.000 Einwohnern!

Es gibt hier eine tolle kleine Boutique, die Schmuck und Taschen von lokalen Künstlern verkauft. Dort habe ich schon bei meinem letzten Besuch zugeschlagen. Heute bin ich nichtsahnend im Zentrum herumgelaufen und auf Stände mit tollem Schmuck gestoßen – alles Handarbeit, alles lokal. Ich habe vier (vier!) Paar Ohrringe gekauft. Und ich hatte schon Angst, ich würde nirgends die Möglichkeit finden, mein Taschengeld auszugeben.

Auch meine Eltern, die mich Anfang der Woche besuchten, haben sich von der rumänischen Kunstszene verzaubern lassen und bei einer Sonderausstellung im hiesigen Kunstmuseum sogar ein Werk erstanden. Nachdem sie abgereist waren, habe ich mir diese Ausstellung auch mal angeschaut. Ich bin dort auf die Künstlerin getroffen, die mich durch die Räume geführt und mir alles erklärt hat. Das war natürlich super! Überhaupt war sie sehr nett und hat mir angeboten, mir einmal die Kunstfakultät der Uni zu zeigen, an der sie unterrichtet.

Es gibt hier sehr viele Tauben. Die Leute stellen sich mit ihren Kindern in die Mitte des Platzes und füttern sie. In Deutschland ist das nicht angesehen, hier aber durchaus.

Es gibt hier sehr viele Tauben. Die Leute stellen sich mit ihren Kindern in die Mitte des Platzes und füttern sie. In Deutschland ist das nicht angesehen, hier sieht man das aber nicht so eng.

Diese Woche markiert übrigens eindeutig den Frühlingsanfang! Alles blüht und duftet, die Sonne strahlt. Am Ufer der Bega blühen Magnolien und Kirschbäume, Verliebte sitzen eng umschlungen auf den Bänken, Kajaks streifen durch das dreckigbraune Wasser. Es ist fast zu schön zum Aushalten. Nachts gewittert es dann oft – auch heute Nacht. Und tags scheint wieder unschuldig die Sonne. Seit die Sonne sich hervorgewagt hat, ist die ganze Stadt in Bewegung. Überall fahren die Leute mit Inlinern hin und her, es gibt lauter Skatboarder und BMXler. Seit ein paar Tagen haben Fahrradverleih-Stationen geöffnet, an denen man für drei Lei pro Stunde (umgerechnet 70 Cent) gelbe Räder ausleihen kann.

Dieses Bild habe ich heute am Ufer der Bega gemacht. Der Duft der Kirschblüten liegt mir noch in der Nase.

Dieses Bild habe ich heute am Ufer der Bega gemacht. Der Duft der Kirschblüten liegt mir noch in der Nase.

Das hört sich jetzt alles nach Urlaub an. Aber ganz so war das diese Woche nicht, schließlich habe ich einen intensiven Intensivkurs Rumänisch gemacht. 20 Unterrichtsstunden in 4 Tagen! Das war natürlich anstrengend aber auch sehr hilfreich. Jetzt verstehe ich hoffentlich besser, was die Kiddies in der Schule so reden, wenn sie denken, ich verstehe sie nicht!

Im Park am Ufer gibt es einen riesigen Spielplatz, der Kinderherzen höher schlagen lässt, und mich beängstigend an Disneyland erinnert.

Im Park am Ufer gibt es einen riesigen Spielplatz, der Kinderherzen höher schlagen lässt, und mich beängstigend an Disneyland erinnert.

Internetprobleme

Liebe Leute, es tut mir Leid. Ich habe schon seit einiger Zeit vor, einen neuen Eintrag zu schreiben, aber mein Internet ist jetzt endgültig zusasammengestürzt. Gerade schreibe ich aus einem Café in Timisoara, wo ich eine sehr schöne Ferienwoche verbringe.

Ich muss mich jetzt um eine andere Möglichkeit in Sachen Internetzugang kümmern und so bald wie möglich stelle ich dann meinen neuen Eintrag ein.

Wünscht mir Glück! 🙁

Geschichten aus dem Schulalltag

28.März 2013

Es war heute ein sehr ereignisreicher Tag. Nachdem ich gemerkt habe, dass mir das kulturweit-Geld ausgegangen ist, der Monat aber noch nicht ganz zu Ende ist, bin ich erst mal auf die Suche nach einer Wechselstube gegangen, um ein paar meiner „Puffer“-Euros umzustauschen. Dann ging es in den Schreibwarenladen, um Druckerpapier und Filzstifte zu besorgen. Warum Druckerpapier? An der Schule muss jeder Lehrer sein eigenes Papier kaufen, wenn er/sie Kopien für den Unterricht machen möchte. Es gibt keinen Materialfundus oder eine Bezuschussung. Was soll man machen? Wenn kein Geld da ist, ist kein Geld da.

Die unschöne Konsequenz, die ich aus dieser Gegebenheit schließe, ist dass die Schüler kaum Arbeitsblätter zur  Veranschaulichung bekommen, sondern das meiste frontal diktiert wird. Ist ja verständlich: Wenn man von seinem ohnehin kleinen Gehalt als Lehrer auch noch Unterrichtsmaterial finanzieren muss, wie soll man dann über die Runden kommen? Damit das Geld überhaupt reicht, geben die Lehrer hier jeden Tag nach der Schule Nachhilfe.

Das Schulgebäude von außen sieht sehr schön aus. Gegenüber ist zerfallenes Fabrikgelände.

Das Schulgebäude von außen sieht sehr schön aus. Gegenüber ist zerfallenes Fabrikgelände.

In der nächsten Woche wird kein Unterricht stattfinden, sondern es werden Ausflüge, Workshops und Aktionen veranstaltet. Ich gebe einen Workshop zum Thema „Upcycling„. Das bedeutet, dass ich mit den Kindern aus „Müll“ Kunst, Schmuck und Gebrauchsgegenstände bastele. Es gibt hier kein Recycling. Alles wird einfach in eine Tonne geschmissen. Was bringt es also, wenn ich in meiner Wohnung schön brav Plastik und Papier von Restmüll trenne? Das Mülltrennungssystem werde ich wohl in den nächsten Monaten nicht umkrempeln können – wohl aber die Einstellung der Kinder. Ich möchte ein Bewusstsein schaffen – ein Bewusstsein für die drei R’s (Reduce, Reuse, Recycle). Immerhin zwei davon können ja auch hier umgesetzt werden. Wir werden am Montag aus Plastikflaschen Blumen basteln, aus alten T-shirts Schals herstellen, aus Tetrapacks Geldbeutel machen und vieles mehr. Ich freue mich schon riesig darauf, denn so was macht mir total Spaß. Tolle Inspirationen habe ich auf der Seite weupcycle.com gefunden. Schaut mal rein, wenn euch so etwas interessiert.

Auf jeden Fall hat heute das erste Treffen der Theater AG stattgefunden. In den letzten zwei Wochen bin ich in jede Klasse gegangen und habe dafür Werbung gemacht. In unterschiedlichem Ausmaß habe ich mit den Schülern ein paar Theaterübungen gemacht, um sie für die AG zu begeistern. Das ist gut angekommen. Aber inwiefern es für sie einfach eine willkommene Abwechslung zum Unterricht war, oder sie es wirklich interessiert hat – das hat sich heute gezeigt.

Ich habe zwei Treffen veranstaltet, einmal für die Dritte bis Sechste Klasse und einmal für die Siebte bis Zehnte. Beim ersten Treffen sind ausreichend Kinder erschienen (zwar nicht so viele, wie ich nach der Begeisterung erwartet hatte, aber genügend um Dinge auf die Beine zu stellen). Es war auf alle Fälle eine Herausforderung, neun Kinder dazu zu bringen, zu kooperieren. Aber es hat auch Spaß gemacht. Wir haben Steckbriefe von uns erstellt und einfache Kennenlern-Spiele gespielt. Dann haben wir Übungen gemacht, um ein Gefühl für Raum und die Personen um uns herum zu bekommen. Schließlich haben wir einen imaginären Bilderrahmen mit Leben gefüllt und darin ein Märchen dargestellt. Insgesamt ist es sehr gut gelaufen und natürlich war ich zum Schluss vollkommen am Ende.

Die Steckbriefe wurden mit "Blinden Selbstporträts" beschmückt: Man hält ein Blatt vor sein Gesicht, macht die Augen zu und lässt sich von den anderen anleiten, wie man sich malen soll.

Die Steckbriefe wurden mit „Blinden Selbstporträts“ beschmückt: Man hält ein Blatt vor sein Gesicht, macht die Augen zu und lässt sich von den anderen anleiten, wie man sich malen soll.

Eine halbe Stunde später sollte die ältere Gruppe beginnen, aber leider sind nur zwei Schülerinnen erschienen. Das war natürlich das Horrorszenario. Was sollte ich machen? 90 Prozent der Dinge, die ich vorbereitet hatte, ließen sich zu so wenigen nicht machen. Ich konnte sie ja auch nicht einfach wieder nach Hause schicken, dann hätte ich die beiden auch noch verloren. Also musste ich knallhart improvisieren. Einige Übungen habe ich, so gut es ging, für drei Personen zurecht geschnitten. Und den Rest der Zeit musste ich mir die Ideen aus dem Ärmel schütteln. Da haben wir zum Beispiel aus bewegten Standbildern mit Geräuschen kleine Mini-Szenen entstehen lassen oder selbst-geschriebene Postkartentexte zum Leben erweckt. Im Endeffekt ist es dann ganz gut gelaufen. Da bin ich ziemlich stolz auf mich, dass ich das so hinbekommen habe. Ich werde in der nächsten Woche nochmal kräftig Werbung für die Theater AG machen und zur Not muss ich eben die beiden Gruppen zusammenlegen.

Gesichtspantomime: Eine Person stellt ein Gefühl nur durch den Gesichtsausdruck dar und die anderen müssen es erraten.

Gesichtspantomime: Eine Person stellt ein Gefühl nur durch den Gesichtsausdruck dar und die anderen müssen es erraten.

 

Es war auf alle Fälle, wie gesagt, ein ereignisreicher Tag. Hinzu kommt, dass mein Internet heute beschlossen hat, nicht zu funktionieren. Deswegen schreibe ich diesen Eintrag gerade per Hand und stelle ihn dann ein, sobald ein freundlicher, kompetenter Mitarbeiter der Internetfirma vorbeigekommen ist und mir das ganze repariert hat.

 

Mediaș – in der Mitte Rumäniens

Kaum bin ich angekommen, geht es schon wieder los. 7 Tage nach meiner Ankunft in Reșița fahre ich auf ein ZfA-Seminar nach Mediaș. (ZfA=Zentralstelle für Auslandschulwesen) Die Busfahrt ist lang (fast 6 Stunden) und anstrengend (nervige Radiomusik, voll aufgedreht). Ich bin also froh, als wir endlich am Hotel ankommen. Ich werde mit zwei anderen kulturweit-Freiwilligen auf einem Zimmer sein, das weiß ich schon von der Teilnehmerliste. Nach ein bisschen Verwirrung und Verwechslung ist das dann auch so und Josephine (, die ich schon vom Vorbereitungsseminar kenne), Lenja und ich beziehen unser Zimmer. Es ist früher Sonntagabend und die erste Veranstaltung geht los. Wir werden von den den Organisatoren des Seminars begrüßt, danach stellen die ersten Schülergruppen ihre Unterrichtsprojekte zum Thema „Epochenfestival“ vor. Auch am nächsten Tag geht es weiter mit den Projektvorstellungen. Ich bin so froh, dass ich da bin und mich mit den Leuten hier austauschen kann. Sich mit Olli und Lenja zu unterhalten, die schon seit 6 Monaten ihren Freiwilligendienst machen, ist sehr hilfreich.

 Wir sind die kulturweit-Freiwilligen Rumäniens: Josephine, Lenja, Olli, Vera (und Max, der schon wieder im Zug nach Iași sitzt)

Die kulturweit-Freiwilligen Rumäniens: Josephine, Lenja, Olli, Vera und Max (,der schon wieder im Zug nach Iași sitzt)

Auch mit den Schülern und Lehrern aus ganz Rumänien in Kontakt zu kommen, ist interessant. Am zweiten und dritten Tag werden die Schüler in Arbeitsgruppen eingeteilt und erarbeiten selbstständig Präsentationen zu DSD-Themen. (DSD = Deutsches Sprach-Diplom)

Die Lehrer machen eine Fortbildung zum Thema „Selbständiges Lernen und kooperatives Arbeiten„, wir stehen währenddessen den Schülern für Fragen zur Verfügung. Abends gehen wir mit einigen Lehrern Pizza essen. Wir reden über die Fahrradkarawane, die in den Sommerferien von kulturweit veranstaltet wird. Man muss sich auf einen Platz bewerben. Es gibt drei Routen: Eine startet in Bukarest (an dieser möchte ich teilnehmen), eine in Budapest und eine in Zagreb. Am Ende der Tour treffen sich alle in Belgrad. Das ganze wird super, wir freuen uns riesig darauf. Ich hoffe nur, dass ich einen Platz bekomme, dass man sich darauf bewerben muss ist etwas beunruhigend. Ich will unbedingt mitmachen!!!

Ok, ich schweife ein bisschen ab, ich bin nur so nervös wegen der Bewerbung. Wahrscheinlich mache ich mich da etwas zu sehr verrückt. Aber man muss mit genialen Ideen kommen, wie man das kulturelle Rahmenprogramm der Tour gestalten könnte. Oder mit einer Übernachtungsmöglichkeit auf der Route. Da die Tour aber nicht durch Reșița führt, sondern entlang der Donau kann ich mit Übernachtung nicht dienen. Na ja, mir wird schon noch etwas einfallen!

Die Schüler bereiten in Arbeitsgruppen Vorträge und Plakate zu DSD-Themen vor.

Die Schüler bereiten in Arbeitsgruppen Vorträge und Plakate zu DSD-Themen vor.

Zurück zum Seminar: Dienstagvormittags schließen die Schüler ihre Gruppenarbeiten ab und stellen die Plakate fertig. Nach dem Mittagessen präsentieren sie dann ihr Thema. Man sieht, wie viel Arbeit die meisten in das Projekt gesteckt haben. Es geht um Themen rund um Mobilität (Radfahren, Fliegen, Zu Fuß gehen), Geschichte, aber auch um Themen wie Inklusion und Alternative Schulen. Am Ende gibt es eine Abschlussrunde, in der Schüler und Lehrer Rückmeldung über das Erlebte geben. Manche Gruppen reisen noch am selben Abend ab, denn sie haben eine lange Reise vor sich. Die meisten bleiben allerdings noch eine Nacht in Mediaș und lassen die Veranstaltung im angeblichen „Irish Pub“ ausklingen. Nach dem Frühstück geht es am nächsten Morgen zurück in den verhassten Bus. Das Radio läuft natürlich auch auf dem Rückweg und als wir  von einer Sendezone in die andere fahren, hört man nur noch furchtbares Rauschen –  unterbrochen von Werbung. Es scheint niemanden zu stören außer mich. Ich frage dann trotzdem den Busfahrer, ob es er ausstellen kann und siehe da: Null Problemo, endlich Ruhe! So einfach geht das also…

Die Arbeitsgruppen präsentieren ihre selbstständig erarbeiteten Themen anhand selbstgestalteter Plakate.

Die Arbeitsgruppen präsentieren ihre erarbeiteten Themen anhand liebevoll gestalteter Plakate.

Jetzt wird’s spannend…

Ich komme endlich nach einer langen Reise in Timișoara an, wo ich netterweise von dem Mann meiner Vermieterin abgeholt werde. Es ist deutlich wärmer als in Berlin und als ich aus dem Flughafengebäude trete, fühle ich mich gleich auf eine merkwürdige Weise zu Hause. Das Grinsen ist mir nicht aus dem Gesicht zu wischen, ich bin einfach so froh endlich da zu sein! Mit dem Auto durchqueren wir Timișoara, dann fahren wir ewig lang auf einer Landstraße, die durch sämtliche Ortschaften und Kuhdörfer führt. Dass es mir so lang vorkommt, liegt wahrscheinlich daran, dass ich müde bin. Und generell empfinde ich einen Weg immer als länger, wenn ich ihn noch nicht kenne. Es ist vollkommen dunkel, als wir ankommen. Ein Empfangskomitee erwartet uns an meinem Häuserblock: Meine Ansprechpartnerin Sonja und meine Vermieterin Christina. Die beiden begrüßen mich herzlich und führen mich durch meine zukünftige Wohnung. Sie haben wirklich an alles gedacht: Damit ich mich nicht mehr durch die Dunkelheit zum Supermarkt schleppen muss, haben sie mir Brote geschmiert, auch Handtücher und Bettzeug liegen schon für mich bereit.

Meine große Sitzecke im Wohnzimmer

Meine große Sitzecke im Wohnzimmer

Am nächsten Morgen geht es direkt in die Schule. Bisher hatte ich noch nicht mal Zeit zum Auspacken. Sonja holt mich um Viertel vor Acht mit dem Auto ab und zeigt mir den Weg zur Schule. Im Lehrerzimmer werde ich allen vorgestellt und natürlich wird dort rumänisch gesprochen, das hatte ich mir schon gedacht. Ich lerne auch den Schulleiter kennen, der zwar auch kein Deutsch spricht, mit Sonjas Hilfe verstehen wir uns aber trotzdem.

Die ersten Tage werde ich einfach in die Klassen reinschnuppern und den Unterricht miterleben. So  lande ich dann in einer 8ten Klasse, in einem Klassenraum so groß wie ein Besenschrank, mit nur einem dutzend Schülern (mehr würden auch nicht in den Raum passen). Neugierig werde ich beäugt und Sonja meint, die Klasse sei nur so brav, weil ich dabei bin. Hier stellen sich alle zuerst mit dem Nachnamen und dann dem Vornamen vor, auch die Grundschüler. Für mich ist das komisch: Ich war in der Schule immer nur Vera, auch noch in der Oberstufe.

In der fünften Klasse mache ich mit den Schülern ein Spiel, dass ich auf dem Vorbereitungsseminar gelernt habe.

In der fünften Klasse mache ich mit den Schülern ein Spiel, dass ich auf dem Vorbereitungsseminar gelernt habe.

Generell werde ich von den Schülern und Lehrern sehr freundlich empfangen. Mit den beiden Deutschlehrern Martin und Sonja bespreche ich am zweiten Tag, was mein Aufgabenbereich in der Schule sein wird. Wir einigen uns darauf, dass ich vor allem für den Aufbau eines Nachmittagsprogrammes zuständig sein werde. Sie scheinen für jegliche Ideen und Vorschläge offen – im Moment gibt es gar keine Arbeitsgemeinschaften nach der Schule. Mein erster Ansatzpunkt wird eine Theater AG sein, da sind wir uns einig. Um die Kinder dafür zu begeistern, soll ich diese Idee in den Klassen vorstellen und den Schülern gleich mit ein paar Übungen zeigen, was sie in der AG erwarten wird. In der fünften Klasse gibt mir Sonja dafür ihre gesamte Klassenlehrerstunde. Es läuft super: Ich schaffe es, die Kinder zu motivieren und am Ende sind sie richtig ausgepowert (ich auch, übrigens).

Ich gehe auch noch in ein paar andere Klassen, dort habe ich allerdings jeweils nur die letzten zehn Minuten der Unterrichtsstunde um etwas mit den Schülern zu machen. Das funktioniert nicht so super. Einmal ist der Klassenraum viel zu klein fürs Theaterspielen und draußen hindert uns der Regen am aktiv werden. Das andere Mal trauen sich die Schüler nicht, die Übung zu machen, die ich vorschlage. Das ist natürlich unangenehm – ich kann sie ja nicht zwingen. Aber da mache ich einfach stattdessen ein einfacheres Spiel mit ihnen und kann sie so zumindest ein bisschen locker kriegen.

Mein Weg zur Schule führt durch das Zentrum der Altstadt, vorbei am Theater und durch einen kleinen Stadtpark.

Mein Weg zur Schule führt durch das Zentrum der Altstadt, vorbei am Theater und durch einen kleinen Stadtpark.

In der Stadt finde ich mich noch nicht so richtig zurecht. Die Schwester einer Lehrerin macht mit mir netterweise einen kleinen Rundgang, zeigt mir die Markthalle und das Theater. Wirklich viele Läden gibt es hier nicht. Zwei Minuten von meiner Wohnung ist ein Lidl – es gibt hier außerdem noch Kaufland, Penny, Real und Carrefour. Für mich ist es merkwürdig, in deutschen Läden einzukaufen, in denen es auch größtenteils das gleiche Angebot wie im deutschen Lidl/Kaufland etc. gibt.  Ich beschließe, möglichst viel auf dem lokalen Markt zu kaufen und nur das nötigste bei Lidl. Lebensmittel sind hier deutlich billiger als in Deutschland. Ein Euro ist umgerechnet circa 4 RON, deshalb kommt einem alles auf den ersten Blick teuer vor. Aber rechnet man nach, merkt man wie günstig es hier ist. Einen Laib Brot bekommt man beim Bäcker für 2 RON, fast ein Kilo Kartoffeln kaufe ich auf dem Markt für 3 RON. Eine Zwiebel schenkt mir die Verkäuferin noch dazu.

Blick aus meinem Fenster: Bei meiner Ankunft schien die Sonne noch bei 14°, ein paar Tage später schneit es plötzlich über Nacht!

Blick aus meinem Fenster: Bei meiner Ankunft schien noch die Sonne bei 14°, ein paar Tage später schneit es plötzlich. 

Es gibt noch so viel zu erzählen, aber ich will euch ja auch nicht mit tausend Kleinigkeiten langweilen. Sicher ist: Ich bin hier in einer anderen Welt. Vieles ist heruntergekommen, es gibt Straßen mit riesigen Schlaglöchern. Die meisten Häuser sind nicht angestrichen, oder nur zur Hälfte. Trotzdem gibt es ein paar schöne Gebäude und Plätze; besonders die Materialseilbahn, die über der Stadt ragt, ist sehr beeindruckend und irgendwie inspirierend. Bald erfahrt ihr mehr über meine Erlebnisse in der Schule und meine Versuche, mich mit der Stadt anzufreunden. Aber im nächsten Beitrag werde ich euch erst mal über meine spontane Fahrt nach Mediaș auf ein Zfa-Seminar berichten, und wen ich dort alles so kennengelernt habe…

Berlin

Als das Seminar zu Ende ist, bin ich komplett erledigt. Es war eine sehr schöne Zeit, aber natürlich auch ziemlich anstrengend. Diane, eine Freundin meiner Mutter nimmt mich für ein paar Tage in ihrer Berliner Wohnung auf. Ich muss erst mal schlafen. Am nächsten Tag ziehe ich los, will ein bisschen Kultur erleben. Ich streune durch die Straßen im Prenzlauer Berg. Dort gibt es viele kleine Boutiquen und Cafés. Als es mir dann zu kalt wird, mache ich mich auf zur Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. In Zeiten der DDR diente das Gelände als Untersuchungshaftanstalt für politische Gegner. Große Teile der Gebäude und der Einrichtung sind erhalten geblieben und vermitteln ein lebhaftes Bild der Haftbedingungen und Verhörmethoden der Stasi. 

Am nächsten Tag schlendern Diane und ich über einen tollen Markt (leider darf ich ja nichts kaufen, denn mein Koffer ist bis oben hin voll). Wir laufen Richtung Hackescher Markt, trinken dort einen Kaffee und flüchten uns schließlich vor dem beginnenden Schneeregen in die Straßenbahn zurück zu ihrer Wohnung. Abends gehen wir ins Lido (ein ehemaliges Kino, jetzt Club) auf die Balkan Beats – Party. Die perfekte Einstimmung auf Rumänien. Die Musik ist klasse, wieso hab ich die nicht schon früher entdeckt? Jeder tanzt so, wie er will – denn es weiß ja niemand genau, wie man auf diese Musik zu tanzen hat. Ach, es war war einfach eine gute Stimmung. Ich hätte noch ewig bleiben können, aber wir mussten ja noch durch den Schnee (ungerecht!) zurück nach Hause stapfen.

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Am nächsten (und letzten Tag) in Berlin, wagen wir uns wieder hinaus in die Kälte und auf einen sonntäglichen Flohmarkt am Mauerpark. Trotz Kälte tummeln sich dort einige Leute. Ich kaufe ein paar Ohrringe – die gehen schon noch in den Koffer. Abends schmeiße ich meine (mehr als Sieben) Sachen in den Koffer und wir gucken den sagenumwobenen ersten Tatort mit Till Schweiger. Den darf man sich natürlich nicht entgehen lassen! Fazit: Ja, er ist voller Klischees und Till spielt den Retter der Menschheit. Aber ich hatte schlimmeres erwartet, nach dem die Episode schon im Vornherein durch den Dreck gezogen wurde.

Die Sonnenseite des Lebens: Endlich habe ich sie gefunden, hier am Mauerpark in Berlin!

Die Sonnenseite des Lebens: Endlich habe ich sie gefunden, hier am Mauerpark in Berlin!

Am nächsten Morgen klingelt mein Wecker um 4.45 Uhr. Neeeein! Das ist einfach unmenschlich! Aber ich muss mich zwingen aufzustehen und schleppe mich im Halbschlaf zum Flughafen Tegel. Von dort aus fliege ich nach München. Absolut schwachsinnig, ich weiß. Doof doof, da muss ich einige Bäume pflanzen um das wieder auszubügeln.

Nach einem fast fünfstündigen Aufenthalt am Münchner Flughafen – der ist übrigens echt cool, mit kostenlosen Heißgetränken, Computern mit Internetzugang und Relax-Zonen voller Liegen und kuscheligen Schlafecken – geht es endlich in den Flieger nach Temeswar. Tja, und was dann kommt? Das lest ihr im nächsten SPANNENDEN Beitrag…

Warten, warten, warten...

Warten, warten, warten…

 

Tag 4-10

Langsam fließen die Tage nur so dahin. An Tag 4 reden wir über Konfliktmanagement und Kommunikation, nach dem Mittagessen hören wir einen Vortrag von unserer Versicherungsagentur „Dr. Walter“. Hochspannend! Sollten wir im Ausland schwanger werden, ist das unser Pech: Behandlungen und (Vorgsorge-)Untersuchungen sind nicht im Paket inbegriffen. Schwangerschaftsverhütung allerdings bezahlt die Auslandkrankenversicherung genauso wenig… Man kann also nichts richtig machen. Dr. Walter gibt es übrigens gar nicht (mehr). Die Firma heißt trotzdem weiter so, was zu allgemeiner Verwirrung führt. Schließlich haben die Meisten einen grauhaarigen verschrobenen Arzt (?) erwartet. In der anschließenden Homezone können wir uns von unserem Schock erholen und uns voll in die Planung der Seminarzeitung stürzen.

Das Zentrum der Organisation: Die "Zentrale" der Seminarzeitung

Das Zentrum der Organisation: Die „Zentrale“ der Seminarzeitung

An diesem und dem nächsten Abend findet der sogenannte MdM (Markt der Möglichkeiten) statt, bei dem jeder seine Talente und Vorlieben als Abendprogramm anbieten kann. Es gibt Chinesisch Kurse, Kickboxen, Spieleabende, Jamsessions, Gesangsimprovisation, Philosophisches BlubberBla und viel mehr. Ich spiele mit einigen Leuten „We Will Rock You – Das Spiel“ und habe danach viel Spaß bei dem russischen Kartenspiel „Durak„, was übersetzt so viel wie „Dummkopf“ heißt. Ausnahmsweise habe ich mal eine Glückssträhne und komme um diesen Titel herum.

Am zweiten Abend konstruieren wir bei einer Jamsession mit Gitarren, Ukulele, Quer- & Blockflöte und Gesang einen „kulturweit“-Song, den wir dann auch am Kulturabend an Tag 7 mit großem Erfolg aufführen. Die Arbeit an der Seminarzeitung nimmt deutlich mehr Zeit ein, als die Projekte der anderen Homezones – besonders für unsere Layout-Experten, die in den letzten Tagen vor dem Abgabetermin noch bis spät in die Nacht arbeiten.

Teamarbeit ist gefragt: Bei diesem Spiel müssen dem/der Jüngsten in kürzester Zeit 15 Kleidungsstücke angezogen werden!

Teamarbeit ist gefragt: Bei diesem Spiel müssen dem/der Jüngsten in kürzester Zeit 15 Kleidungsstücke angezogen werden!

An Tag 6 gibt es aber erst einmal Vormittags und Nachmittags Workshops zu den unterschiedlichsten Themen. Ich besuche den Kurs „Kreativ im Fremdsprachenunttericht“ und „Theaterpädagogik“ – beides super hilfreich im Hinblick auf meine Arbeit in Rumänien. Mein Plan ist ja im Moment, dort eine Theater AG zu eröffnen und der Workshop stattet mich noch einmal mit einem Koffer voller Methoden und Übungen aus, damit ich nicht dann in der AG stehe, und nicht weiß, was ich mit den kiddies machen solll. Auch auf den Deutschunterricht am Liceul Teoretic „Diaconovici-Tietz“ fühle ich mich jetzt besser vorbereitet. Am Abend gucken wir den Dokumentarkurzfilm „With Wings and Roots“ über Immigration und Identität. Super spannend, es ist nur leider vorher niemandem klar, dass danach auch noch ein richtiger Workshop zu dem Thema stattfinden wird. Nach einem bis oben hin voll gestopften Workshop-Tag ist das nicht wirklich das Wahre. Hier mal der Link zu dem Projekt, ist nämlich wirklich interessant: http://www.withwingsandroots.com

An Tag 7 geht es weiter mit den letzten Fotoshoots und Interviews für die Seminarzeitung. Alle sind im Stress, denn morgen Abend ist die Deadline für das Layout. Nach dem wir am nächsten Tag im Auswärtigen Amt empfangen und mit Vorträgen überhäuft werden, fahren die Layout-Leute unter vollem Einsatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück an den Werbelinsee, um die Zeitung fertig zu stellen. Währenddessen machen wir anderen uns einen schönen Nachmittag in Berlin. Ich gehe mit Sarah (Bulgarien), Viola (Ungarn) und Carmen (Ungarn) auf einen türkischen Markt in Kreuzberg, danach chillen wir in einem wunderschönen Café und schlendern um 20:00 Uhr zurück zum Hauptbahnhof, wo wir mit den anderen Kulturweitlern zurück nach Brandenburg fahren.

Blick aus dem Café in Berlin Kreuzberg

Blick aus dem Café in Berlin Kreuzberg

Tag 9 ist der letzte volle Tag am Werbelinsee. Vormittags treffen wir uns in Regionengruppen. Bei einem MSOE/GUS-Quiz räumen mein Team und ich ab. Wir gewinnen osteuropäische Süßigkeiten (für alle, natürlich)! Selin, ein ehemaliger Kulturweitler berichtet uns Vier Rumänien von seinem dortigen FSJ. Er macht uns richtig Vorfreude auf Land und Leute, das hilft sehr viel. Für die Osteuropa-Leute gibt es während ihrem Freiwilligendienst auch ein kleines Special: Die Fahrrad-Karawane! Anfang Juli findet diese 8-tägige Fahrradtour durch Osteuropa statt – das wird der Hammer. Man muss sich allerdings auf einen Platz bewerben, drückt mir also die Daumen, dass ich genommen werde!

In einer Mittagspause können wir einander Postkarten in die Einsatzstelle schicken.

In einer Mittagspause können wir einander Postkarten in die Einsatzstelle schicken.

Am letzten Abend gibt es eine Abschiedsparty, mit Harlem Shake, Balkan Beats und sonst noch jedem Quatsch, den man so abziehen sollte. Am nächsten Morgen sind natürlich alle gerädert, deswegen fängt die letzte Homezone in weiser Vorraussicht eine Stunde später an. Wir verabschieden uns alle schweren Herzens und machen uns auf den Weg zu den Reisebussen, die uns zurück zum Bahnhof fahren. Für mich beginnen heute die letzten Tage in Berlin, bevor ich am 11.März abfliege…