Da sitze ich hier am 06. November und bin wieder einmal erstaunt, wie schnell doch die Zeit vergeht. Es ist nicht mein erster Versuch, einen neuen Blogbeitrag zu schreiben. Schon mehrfach habe ich mich rangesetzt und dann doch schnell wieder das Interesse verloren. Andere Dinge waren dann doch interessanter oder wichtiger. Jedenfalls hatte ich mir schon „einfallsreiche“ Titel überlegt. Aus „1 Monat Montenegro“ wurde dann irgendwann „1 Monat und 14 Tage Montenegro“ und mittlerweile kann ich die „1“ schon wieder fast streichen und einfach „2 Monate Montenegro“ daraus machen. Wenn ich mir jetzt Blogs von anderen Mitfreiwilligen durchlese, fällt auf, dass so ziemlich alle ähnliches schreiben: Alle haben unglaublich viel erlebt, schon viel gelernt und in ihren Einsatzstellen erreicht. Auch bei mir kam bisher keine Langeweile auf. Schon meine ersten Tage waren geprägt von vielen Busfahrten. Durch den Schüleraustausch mit Freundenstadt (Süddeutschland) hatte ich gleich ein ganzes Touri-Programm der deutschen Austauschschüler zu absolvieren und das Privileg, schon viel von Montenegro zu sehen. Wir waren beispielsweise in Kotor (UNESCO Weltkulturerbe), Bars Altstadt, in einer Tropfsteinhöhle und in Murici am Skadar See, wo wir eine Bootstour machten. Montenegro macht seinem Namen „schwarze Berge“ alle Ehre und hat mich schon aus dem Flugzeug sehr beeindruckt. Nicht nur die Berge, auch die Kraft und Vielfalt des Meeres ist wirklich beeindruckend. Einen Beweis dafür liefert es mir wieder einmal dieses Wochenende. Es stürmt schon seit letzter Nacht ziemlich heftig. Leider wird mein Bad im Meer letzte Woche Montag dann wohl das letzte in diesem Jahr gewesen sein. Nach diesem Sturm wird das Wasser sicherlich sehr kalt sein.
An meinem ersten Wochenende wurde ich gleich eingeladen nach Shkodër, Albanien zu einem Fußballspiel zweier Albanischer Mannschaften zu fahren (ich bin immer noch nicht ganz sicher, woher die Mannschaften wirklich kamen). Das Spiel war ziemlich amüsant. Erstens, weil ich vermutlich die einzige Frau im Stadion war und zweitens, weil alle paar Minuten die Sanitäter auf das Spielfeld gerannt kamen. Das ist wenigstens noch richtiger Körpereinsatz. 😀 Das war also der erste Aufenthalt außerhalb Montenegros. Für Adrenalinschübe oder bessere Fahrpraxis empfehle ich übrigens die montenegrinischen Straßen. Hier kann man an Abhängen ohne Leitplanken üben, wie man sich in Millimeterarbeit an einem entgegenkommenden Auto vorbeifährt. Aber Achtung: Nach einer Weile setzt dann doch die montenegrinische Gelassenheit ein.
Mein zweiter Aufenthalt außerhalb Montenegros folgte schon bald, denn es stand ein 5-tägiges Schülerprojekt in Prizren, Kosovo an. Die Schüler, die am Projekt teilnahmen, kamen aus Serbien, Mazedonien, Kosovo, Frankreich und natürlich aus Ulcinj. Thema war die Situation flüchtender Kinder. Es gab verschiedene Gruppen, die sich damit, auf unterschiedliche Art und Weise, auseinandersetzten (z.B. im Chor, Theater). Ich unterstützte den Blog, der über die Ereignisse während der Projekttage informierte. Zum Schluss wurde ich sehr vor dem ZfA-Chef Südosteuropas gelobt, was mich natürlich freute. Prizren ist sehr beeindruckend. Die Bevölkerung ist sehr jung und die Stimmung am Abend ist immer etwas Besonderes gewesen. In den Kosovo werde ich mit Sicherheit irgendwann nochmal reisen.
In der Schule hatte ich gleich von Beginn an viel zu tun. Ich habe die letzten Wochen für die 6. und 7. Klassen der Grundschule (Die Grundschule geht von der 1. bis zur 9. Klasse) eine Klassenfahrt nach Berlin für nächsten Februar organisiert. Artan (Deutschlehrer an der Grundschule) hat mir schon gesagt, dass ich doch nach dem Jahr einfach in Ulcinj heiraten sollte, damit ich die Klassenfahrt als Berlin-Kennerin weiterhin begleiten könnte. Dass mit der Heirat kriege ich übrigens öfters zu hören. Meistens ist eine der ersten Fragen, ob ich denn schon verheiratet sei. Schon witzig, wenn man bedenkt, dass ich von einigen Schülern auf 14, 15 Jahre geschätzt wurde. Na ja.. jedenfalls kriege ich wohl dafür in Ulcinj bald ein Denkmal gesetzt. Die Schüler und Eltern sind begeistert und Artan wird vom 2. – 5. Februar auch mitreisen. Das wird sicherlich toll! Eine andere meiner Baustellen ist der Austausch mit Freudenstadt. Für die Fahrt versuche ich eine Alternative zur 27-stündigen Busfahrt zu organisieren. Das ist bei 20 Personen nämlich gar nicht so einfach. Doch sieht es im Moment so aus, als könnte es klappen. Langsam glaube ich, ich könnte sofort in einem Reisebüro anfangen. Die nötige Erfahrung habe ich schon. Ein weiteres Erfolgserlebnis hatte ich mit Almir, einem 8. Klässler, der in der Endrunde verschiedener Länder des Balkans beim Lesewettbewerb den 2. Platz erreichte. In der Schule hatte ich mit ihm dafür geübt. Es hat sich gelohnt und ich habe mich vielleicht mehr gefreut als er. Letzte Woche war ich dann für eine Vertretungsstunde zum ersten Mal alleine mit Schülern der 10. Klasse. Es lief nicht wirklich gut – also musste ich mich gleich mal durchsetzen und einige Schüler ermahnen, mit den Aufgaben anzufangen. Bei Kurt, meinem Kollegen und neben meinem Koordinator Armin auch Ansprechperson, sind sie aber auch laut gewesen (und vielleicht sogar lauter) und so mache ich mir jetzt erstmal keine Sorgen. Das wird sich schon entwickeln. Was ich jedenfalls jetzt schon relativ sicher weiß – Ich werde wohl keine Lehrerin. Alleine das Korrigieren von Tests und die Vergabe von Noten macht mir einfach keinen Spaß. Außerdem hätte ich keine Lust, immer der Entertainer für alle zu sein. Tatsächlich könnte ich mir jedoch noch eher vorstellen im Ausland Lehrerin zu werden, als in Deutschland. Das deutsche Schulsystem könnte ich einfach nicht unterstützen.
Bei Artan mache ich meinen montenegrinischen Sprachunterricht und es macht wirklich Spaß. Leider vergesse ich alles schon schnell wieder und rede fast den ganzen Tag Deutsch oder Englisch, was es nicht besser macht. Naja jedenfalls kann ich am Busbahnhof Tickets auf Montenegrinisch kaufen und kenne die grundlegenden Basics.
Mitte Oktober wurde vom Goethe-Institut aus Belgrad ein Video-Workshop hier in Ulcinj gemacht, den ich begleiteten durfte. Kurt musste die meiste Zeit weiter zur Schule gehen. Solche Projekte sind immer eine schöne Abwechslung. Mittlerweile kenne ich mich mit Videoschnitt und Kameraeinstellungen ganz gut aus. Das wird mir sicherlich auch einfach im Alltag hilfreich sein. Das Videoprojekt beschäftigte sich mit der ehemaligen Saline (Salzgewinnung) in Ulcinj und ihrer aktuellen Situation. Das Gebiet ist eines der wichtigsten Rast-, Brut- und Überwinterungsgebiete für Zugvögel. Dort gibt es sogar Flamingos und Pelikane und das in freier Wildbahn! Leider breitet sich in Ulcinj die Tourismusindustrie immer weiter aus und auch auf diesem Gebiet sollen bald Urlaubsressorts entstehen. Ein weiteres Problem ist die Wilderei. Das Video ist leider noch nicht ganz fertig. Ich werde es in meinem Blog erwähnen. Wer jetzt schon Interesse hat, kann sich diese wirklich gute Dokumentation anschauen: https://vimeo.com/163820522 Die Natur ist eine der wichtigsten Schätze, die Montenegro zu bieten hat und muss geschützt werden.
Wie schön und entspannt es hier ist, hat auch Julia, eine Freundin aus Berlin, erlebt. Sie kam vom 20. bis zum 27. Oktober. Wir hatten wirklich viel Spaß zusammen und gingen natürlich auch zusammen aus. Scheinbar litt ich jedoch unter Gedächtnisverlust. Das Ulcinj quasi ein Dorf und keine Großstadt wie Berlin ist, wurde mir gleich am nächsten Morgen bewusst. Man sollte sich am Abend am besten verkleiden, damit man am nächsten Tag nicht mehr erkannt wird. Naja besonders eine Nacht werden wir wohl definitiv so schnell nicht vergessen. Es war wirklich schön, Julia hier zu haben und meine neue Heimat auf Zeit stolz zu präsentieren. Sie wollte gar nicht mehr weg und hatte zum Schluss auch mit meinen Schülern noch ein Highlight. Kurt schlug nämlich vor, dass sie mit der 7. Klasse eine kleine Choreografie machen könnte. Das tat sie auch und alle hatten viel Spaß, inklusive mir. Das war wirklich toll und mal etwas ganz Anderes zum normalen Deutschunterricht. Als sie dann am 27. Oktober zurück nach Berlin flog, war das für mich schon komisch. Ich hatte mein Apartment wieder für mich alleine. 2 Tage später startete jedoch für mich ein langes Wochenende und die Möglichkeit zu verreisen!
Nächster Aufenthalt: Skopje, Mazedonien. Dort besuchte ich Finn (auch kulturweitler) und nutzte mein verlängertes Wochenende aus. Ich musste und konnte sogar um einen Tag verlängern, weil mein Bus doch nicht am Montag sondern erst Dienstag zurückfuhr. Ich fuhr mit dem Bus am Abend in Ulcinj los. Gegen 19h erreichte ich Podgorica. Von dort nahm ich den Bus um 20h nach Skopje (es gab nur diesen), um um 3h in Skopje anzukommen. Eigentlich viel zu früh. Im Internet stand 7h und so war ich sehr glücklich, dass Finn sein Handy laut gelassen hatte und mir nach einer kurzen Taxifahrt die Tür öffnen konnte. Nachdem wir ausgeschlafen hatten, zeigte er mir Skopje. Die Spuren der Bunten Revolution an den Gebäuden fand ich besonders interessant. Die Gebäude sind alle sehr neu (aber auf alt gemacht) und herrschaftlich groß. Finn meint, die Leute (inklusive ihm) wissen selbst nicht, wofür die ganzen Denkmäler stehen. Am nächsten Tag begleitete uns Tijana, eine Germanistikstudentin, auf den Vodno. Das ist ein Berg von dem aus man Skopje sehr gut sehen kann. Obwohl es einen Lift gab, entschieden wir uns für den Fußweg und liefen erst 1066m bergauf und dann wieder herab. Wir hatten aber sehr gutes Wetter und für den Ausblick hat es sich definitiv gelohnt. Am nächsten Tag machten Finn und ich einen Tagestripp zum Ohridsee (etwa 3h Busfahrt von Skopje). Der Ohridsee ist der größte See Mazedoniens einer der ältesten der Erde. Viele Mazedonier verbringen dort ihren Sommerurlaub und auch bei Touristen ist er sehr beliebt. Verständlich. Am Abend trafen wir uns noch mit anderen Freiwilligen, die ein Teil ihrer Herbstferien in Skopje verbrachten. Es war Halloween und in der Bar war eine Party. Das war eigentlich ganz witzig. Nur leider waren wir überhaupt nicht darauf vorbereitet. Am letzten Tag besuchten wir die Matka Schlucht und am Nachmittag war ich dann auch noch kurz in der Finns Einsatzschule und durfte mir Rafals (Finns Koordinator) Unterricht anschauen. Rafal hatte ich bereits in Prizren kennengelernt, deshalb waren wir keine Unbekannten. Danach ging es wieder nach Hause. Ja, Ulcinj ist jetzt schon zu meinem Zuhause geworden. Ich fühle mich sehr wohl und aufgehoben hier. Die Menschen sind sehr offen und herzlich. Das macht mir das Leben wirklich leicht.
Einzig und allein die Naturereignisse können bei mir noch Sorgen auslösen. Letzten Freitag habe ich mein erstes Erdbeben erlebt. Ich bin um 6h wachgeworden, weil es ziemlich laut war und sich mein Bett bewegte. Dann lief ich in den vorderen Teil meiner Wohnung, wo ich WiFi habe und schaute nach. Ich war mir echt nicht sicher, ob ich mir das eingebildet hatte. Doch es war wirklich eins und auch Artan bestätigte es mir später bei meiner Montenegrinschstunde.
Das Erdbeben hat mir eigentlich keine Angst gemacht. Ich habe mich dann schon kurz unter meinen Esstisch gesetzt aber nach 5 Minuten habe ich es aufgegeben und mich für die Schule fertiggemacht. Den Sturm finde ich dagegen schon grenzwertig. Meine Scheiben/Türen sind wirklich dünn und bei Gewitter klirren die Fenster. Bei starken Wind bin ich mir nie ganz sicher, ob das meine Türen ausstehen. Das gehört wohl zu einem Leben am Meer dazu. Man kriegt die Natur voll und ganz mit.
Ansonsten bin ich mit meinem Leben hier zufrieden. Meine Vermieter sind super nett und mit Milica, der Tochter der Vermieter, verstehe ich mich sehr gut. Sie ist auch 18 Jahre und hat bei Armin in der 4. Klasse des Gymnasiums Deutsch. Wir sprechen aber Englisch. Ist ja auch für mich eine gute Übung.
Jetzt habe ich viel zu viel geschrieben, wollte es eigentlich kurzhalten. Naja beim nächsten Mal wird es knapper.
Dovidenja, meine Freunde!
Leni

Ulcinjs Altstadt

Der Blick von meinem Balkon.

Stadtimpression Ulcinj

Skopje von Berg „Vodno“

Die „Bunte Revolution“

Die Schlucht Matka

Velika Plaza Ulcinj

Prizren, Kosovo