Was ist Jalgpalli?

Donnerstag, 28. März 2013

Tervist!

Schon über eine Woche ist vergangen seitdem ich meinen letzten Artikel verfasst habe. Nun habe ich wieder einiges erlebt und möchte davon berichten. Fangen wir da an, wo ich das letzte mal aufgehört habe. Nach meinem kleinen Ausflug nach Tartu dauerten die Schulferien noch drei Wochentage an, teilweise war ich an diesen trotzdem in der Schule und konnte mich ein wenig nützlich machen. Zum einen musste das Schreibpapier für das im April bevorstehende, schriftliche Abitur vorbereitet werden. Zum anderen gab es neun Schülerinnen und Schüler, die sich von anderen deutschen Schulen am Tallinna Saksa Gümnaasium beworben hatten und die in der letzten Woche ihre Aufnahmeprüfung absolvieren mussten. Für diesen schriftlichen Test in Mathematik und Deutsch wurde ich als Aufsichtsperson eingesetzt und durfte den Schülern auf die Finger schauen, damit keiner von ihnen die Chance hatte zu schummeln.

Die restliche Zeit der Ferien vertrieb ich mir an einem Tag mit dem Besuch des russischen Markts in Tallinn. Diesen kann man sich vorstellen, wie ein befestigter Flohmarkt, auf dem sämtliche Dinge, vorzüglich in russischer Sprache, verkauft werden. Das Sortiment der Händler reicht von Kleidungsstücken über Handys und DVDs, Fisch und andere russische Lebensmittel, bis hin zu alten deutschen Münzen und Abzeichen aus der Zeit des Nationalsozialismus. An einem anderen Tag ließ ich mir von meinem Mitbewohner Alex die estnische Nationalbibliothek – dessen estnischer Name ‚EESTI RAHVUSRAAMATUKOGU‘ mir beim ersten Lesen einige Schwierigkeiten bereitete – zeigen. Das von außen sehr massive, festungsartige Gebäude beherbergt laut eigenen Angaben 3 412 958 Werke. Dabei handelt es sich jedoch nicht ausschließlich um estnische Bücher, DVDs, CDs, Magazine usw. Läuft man durch die Regalreihen und schaut sich die einzelnen Publikationen an entdeckt man zwischen den vielen estnischen, englischen und russischen Werken immer wieder auch deutsche Bücher. Außerdem hat die Bibliothek eigene Räume für deutsche, schweizerische und österreichische Literatur eingerichtet.

Am Sonntag hatte ich mir eigentlich vorgenommen das Ahha-Center in Tallinn zu besuchen. Dies ist ein Museum für Naturwissenschaft und Technik, bei dem man vieles interaktiv ausprobieren kann. Ich habe allerdings sehr lange geschlafen und mich dann dazu entschieden einen Großeinkauf für die nächsten Wochen im Supermarkt zu machen und noch eine Runde joggen zu gehen. Zu dieser Jahreszeit hier zu joggen war anstrengender als ich es zuvor erwartet hätte. Da ich mich in meinem Stadtteil noch nicht so gut auskenne entschied ich mich, einfach mal Richtung Meer los zu laufen, in der Hoffnung nach kurzer Zeit an der Küste anzukommen. Recht schnell konnte ich die Plattenbauten von Lasnamäe hinter mir lassen und kam an ein trockenes Flussbett (zumindest machte es den Eindruck ein solches zu sein). Schon nach wenigen Kilometern merkte ich, dass das Laufen auf Eis und in Tiefschnee einiges an Kraft kostet. Trotzdem lief ich so lange mehr oder weniger geradeaus, bis mir die Stimme aus meinem Handy ankündigte, dass ich schon 5 Kilometer geschafft hatte. Ich war zwar noch nicht am Strand angekommen doch immerhin an einer Ski-Loipe, von der ich wusste, dass sie nicht weit vom Meer entfernt ist. Dieses Wissen um meine Nähe zur Küste war mir genug und so entschied ich mich, mir einen anderen Weg zurück zu meiner Wohnung zu suchen. Völlig erschöpft kam ich an dem Plattenbau an und legte als Endspurt noch einen kleinen Treppenlauf über alle 9 Stockwerke bis zu unserem Appartement mit der Nummer 72 ein. Die nächsten Tage durfte ich meine schmerzenden Beine ertragen, die mir diese kleine sportliche Einheit etwas übel nahmen.

Wenn wir schon beim Sport sind möchte ich noch von Dienstag Abend erzählen. Jalgpalli! Was ist das? Wenn man ein wenig estnisch kann, zum Beispiel weil man wie ich schon in dem Lehrbuch „E nagu Eesti“ (E wie Estland) geblättert hat, ist es eigentlich ganz einfach dieses Wort zu übersetzen. Jalg wird übersetzt mit Fuß. Den Rest des Wortes -palli zu übersetzen sollte dann nicht mehr schwer sein. Es geht natürlich um Fußball. Jedenfalls hoffte ich das, als ich mir das Ticket für das WM-Qualifikationsspiel Estland gegen Andorra kaufte. Für einen Preis von 5,60€ kann man nichts falsch machen, dachte ich mir. Ich war in der Tat etwas voreingenommen, da mir Estland ebenso wenig wie Andorra als Fußballnation bekannt war. Das A. le Coq Stadion, benannt nach einer estnischen Brauerei aus Tartu, ist noch beschaulicher als unser Dreisamstadion in Freiburg (korrekt: Mage-Solar-Stadion) und bietet Platz für maximal  9 692 Zuschauer. An diesem Abend waren ungefähr 5 300 dieser Plätze belegt. Zu Beginn wurde, wie es bei Nationalspielen üblich ist, die estnische Nationalhymne angestimmt, die ich aufgrund fehlender Textkenntnis leider nicht mitsingen konnte. Ein schmunzeln konnte ich mir dabei nicht verkneifen. Aufgrund der geringen Anzahl an Zuschauern wirkte der Gesang eher wie das Konzert eines Männerchors (wenn man die Musikalität der einzelnen Sänger außer Acht lässt) als der eines gefüllten Fußballstadions, wie ich es aus Deutschland kenne. Das Fußballspiel war zwar nicht das was man vielleicht aus der Bundesliga oder vom Tiki-Taka Spiel der Spanier kennt aber das hatte ich ja auch nicht erwartet. Der Besuch dieses Spiels war auf jeden Fall jeden Cent wert. Schade, dass ich im September zum nächsten Heimspiel der Männer in Blau gegen die Oranje aus den Niederlanden nicht mehr in Tallinn bin.

Zwei Tage später steht auch hier in Estland das Osterfest bevor. Morgen ist Karfreitag, der hier nicht ganz so streng gehalten wird wie in Deutschland, ich habe mir sagen lassen das zumindest die Supermärkte wie auch Sonntags offen haben werden. Frei habe ich trotzdem und so werde ich mein verlängertes Wochenende damit verbringen, die Stadt noch ein bisschen besser kennen zu lernen und meine freie Zeit dieses mal vielleicht auch dazu zu nutzen, das ein oder andere Museum zu besuchen. Beispielsweise steht der Besuch des KUMU ganz oben auf meiner Liste.

Sobald es wieder etwas zu berichten gibt melde ich mich natürlich. Bis dahin macht’s Gut.

Nägemist,

Julian

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