Deutschland und China in Retrospektive

Da ich nach dem Motto „Besser spät als nie“ lebe, habe ich beschlossen, nun doch noch ein vernünftiges Ende dieses Blogs zu machen.
Ich habe mich seit meiner Rückkehr im August 2014 wieder gut in Deutschland eingelebt, auch wenn die ersten Tage seltsam waren. Ich meine, jetzt mal im Ernst, alle reden darüber, wie es ist, ins Ausland zu gehen, aber niemand spricht darüber, wie komisch es ist, zurück zu kommen. Deutschland kam mir die ersten paar Wochen wie ein einziger Luxusurlaub vor. Alles so modern, so fortschrittlich und so angenehm. Das stand auch sehr im Kontrast zu meiner langen Reise davor, die mir physisch und auch psychisch so manches abverlangte. Was mich aber am meisten überrascht hat, ist, dass man nach einem Jahr, in dem sich das Leben auf den Kopf gestellt hat und man alles praktisch neu gelernt hat, zu Hause nicht viel passiert ist.

Auch, dass die Leute irgendwie erwartet haben, dass ich mich sehr offensichtlich verändert habe („Du siehst ja immer noch so aus wie vor nem Jahr!“ – Ja, habt ihr erwartet, ich hab jetzt Piercings im Gesicht?). Ich habe mich natürlich verändert; meine Sicht auf viele Dinge ist jetzt eine grundlegend andere und habe von vielen Begriffen ein ganz anderes Verständnis als vorher. Allen voran was das Wort „Ausländer“ und „Fremde“ eigentlich bedeuten. Ich war in China eine Ausländerin, sah aber einheimisch aus. Hier ist es genau andersrum. Und das fremde Land ist zu meinem Zuhause geworden, auch wenn Deutschland immer meine Heimat blieb.
Und natürlich hat sich mein Horizont geweitet. Ich verstehe und kenne jetzt so viele Dinge, von denen ich vorher nicht mal wusste, dass es sie gab. Ich weiß jetzt, wie eklig Plumsklos sein können (bäääh…) und wie glücklich wir uns hier eigentlich schätzen können. Ich habe ein ganz neues Verständnis für China, die Menschen und ihre Kultur entwickelt und verstehe jetzt auch meine eigenen Eltern besser. Aber gleichzeitig habe ich auch einen anderen Blick auf Deutschland gewonnen und weiß, wie das Land auf Außenstehende wirkt. Und ich denke, dass das einer der Dinge sind, die einen längeren Aufenthalt im nicht-westlichen Teil unserer Erde so unterscheidet von dem 0815-Work and Travel in Australien: Man lernt eine fremde Kultur nicht nur kennen, man verinnerlicht sie irgendwann auch so sehr, dass sie normal für einen ist. Die eigene Kultur, mit der man groß geworden ist, wird dann plötzlich fremd und seltsam. Und einfach eine andere Version des Lebens kennenzulernen, die so konträr ist zu der eigenen, ist eine der bereicherndsten Erfahrungen überhaupt.

Ich weiß noch, wie nach dem Abi einige meiner Freunde nicht verstanden, warum ich ein Jahr nach China gehe. Zum einen, weil China in Deutschland (leider) meist einen schlechten Ruf hat, zum anderen aber auch, weil ich dadurch praktisch ein Jahr „verliere“.
Wenn ich aber zurückblicke auf all die Erlebnisse, die ich von dort mitnehme, die mich geprägt und verändert haben, von denen ich gelernt und an denen ich gewachsen bin, dann war das Jahr kein verlorenes, sondern ein geschenktes Jahr.

Ich werde bestimmt noch einmal für eine längere Zeit nach China gehen, um den Rest des Landes zu sehen, aber auch um die Sprache zu perfektionieren. Vorerst stehen aber andere Länder oben auf meiner to see-Liste. Ich möchte gern ein Auslandssemester in den USA machen und eine Südosteuropa-Reise Richtung Balkan und die Türkei machen. Irgendwann möchte ich auch nach Israel und den Orient kennenlernen; ich hab gehört, dass Tadschikistan wunderschön sein soll. Cayleigh ist seit einigen Monaten in Nepal und hat dort Englisch unterrichtet, ihre Fotos von dort sind atemberaubend. Wenn sie diesen Sommer wieder in Europa ist, haben wir abgemacht, zusammen durch die Balkanstaaten zu reisen. Natürlich will ich das alles nicht auf einmal, aber die nächste Zeit werde ich reisetechnisch nicht lange nach Inspiration suchen müssen :)
Ich war Silvester übrigens in Dänemark bei Peter, den ich in Chengdu kennengelernt hatte. Ich war eine Woche dort und habe ein tolles Silvester gehabt. War schön, ihn wiederzusehen !

Ich schätze, das hier ist jetzt wirklich das Ende meines Kulturweit-Blogs.
Danke für eure Aufmerksamkeit!
Bis die Tage :)

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2 Antworten zu Deutschland und China in Retrospektive

  1. Antje Nehls sagt:

    Hallo Lina,

    schön von dir zu lesen :-) Das ist ein toller Abschlussbericht und ich bin so froh für dich und für uns alle, dass wir die Möglichkeiten genutzt haben, die sich uns eröffnet haben. Es war wirklich eine geschenkte und ganz sicher keine verlorene Zeit!!

    Liebe Grüße,
    Antje

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