
Weil ich nicht wusste, wie ich diesen Eintrag beginnen sollte, habe ich erstmal ein Foto hochgeladen:D
Der Flug von Shanghai nach Frankfurt und dann weiter nach Hannover war ziemlich lang, aber so hatte ich genug Zeit, mich (so gut es ging) mental auf Deutschland vorzubereiten. Es war ungewohnt, plötzlich von so vielen westlichen Menschen umgeben zu sein und fast keine Chinesen zu sehen (bzw. ist es immer noch). Als ich auf meinen Anschlussflug wartete, hat mich eine Flugbegleiterin der Lufthansa übrigens für eine allein reisende Minderjährige gehalten und wollte mich zusammen mit ein paar Halbwüchsigen als erstes ins Flugzeug bringen. Pffff…
Zurück zu kommen, ist genauso, wie mir meine Freunde in China vorhergesagt haben – es ist schön, alle wieder zu sehen, aber so richtig nachvollziehen, was man erlebt hat, können die wenigsten. Meine Freunde, die das bereits erlebt haben, das sind konkret einmal Fairley, die ja zwei Jahre in China gelebt hat und letztes Jahr, nach ihrem ersten, für einige Zeit zurück in die USA gegangen ist. Und dann noch Cayleigh, die Schottin vom Reisen, die in den letzten 8 Jahren mehr im Ausland war als zu Hause in UK – sie hat in Spanien, Argentinien, Peru (oder doch Chile?), Thailand und einige Monate in Vietnam gelebt und dort mal in Hostels gearbeitet, mal als selbstständige Journalistin Texte geschrieben.
Freunde wieder zu sehen war schön (wobei die eine Hälfte noch im Urlaub ist), weil man sich endlich wieder richtig austauschen kann und hören kann, wie es dem anderen geht. Aber letzten Endes habe ich mich oft dabei erwischt, wie ich mehr Fragen gestellt habe als umgekehrt, einfach weil das Interesse der meisten nicht weit über „und, wie ist es so, zurück zu kommen?“ hinausreicht – und wie soll ich das in zwei kurzen Sätzen erklären?
Sie interessieren sich zwar schon dafür, aber eher halbherzig, einfach, weil ihnen die eigene Erfahrung dafür fehlt und sie viele Dinge nicht nachvollziehen können. Ich schätze, sowas muss man erlebt haben, um es zu verstehen. Denn sobald ich anfange, ausführlicher über etwas zu reden, frage ich mich, ob ich mein Gegenüber langweile. Dabei hätte ich soviel zu erzählen – zum Beispiel:
Was ich an China zu schätzen gelernt habe
Das Lebensgefühl. Ich mag die Lebendigkeit auf der Straße – Omas und Opas, die nachmittags ihre Enkel von der Schule nach Hause bringen und sie dabei auf dem gepolsterten Rücksitz auf dem Fahrrad transportieren, der sich anstelle eines Gepäckträgers befindet. Dann: Ein paar Herren, die in alten Sesseln und Liegestühlen am Straßenrand sitzen, Mahjongg spielen, plaudern oder einfach die Menschen beobachten und dabei Tee trinken.

Rechts Männer, die da immer zusammen mit dem Wachmann rumsitzen und klönen. Weiter hinten noch eine Gruppe

Dieser Mann repariert Schuhe und sitzt jeden Nachmittag dort
Und noch einige fahrbare Straßenstände, die eigentlich nur große Fahrradanhänger sind und Lebensmittel wie Obst oder Fisch verkaufen.
Und das ist auch etwas, was ich an China mag: Die Gelassenheit. Es muss nicht alles perfekt sein oder supertoll aussehen. Solange etwas funktioniert, ist es gut genug – diese Einstellung macht viele Dinge einfacher (wenn auch zu einfach manchmal; siehe Bild vom Kind, das unter meinem Zugsitz schläft).
![DSC_6209[1]](https://kulturweit.blog/szenenwechselshanghai/files/2014/08/DSC_62091-e1408553407522-300x168.jpg)
Ein weiterer Punkt ist die Urigkeit (gibt es dieses Wort überhaupt?). Es ist praktisch das Produkt aus Gelassenheit und Improvisationsfreudigkeit, die so typisch sind für China. Zum Beispiel die zwei Männer, die in Lanzhou außen vor ihren Häusern saßen. Vor ihnen alte Zuggleise, die scheinbar seit Jahren nicht mehr in Gebrauch sind und schon etwas überwuchert sind; hinter ihnen die einfachen Lehmwände und unter ihnen einfach ein längliches Stück Schaumstoff, das ihnen als Sofa diente. So saßen sie in der Abendsonne und schauten dem bunten Gewusel auf dem Bahnübergang zu.
Oder: In Chengdu auf der Straße. Ein älterer Herr um die 70, in den hinteren Hosentaschen ein Rückenkratzer und ein Fächer, links in der Hand eine Plastiktüte mit Gemüse vom Markt und rechts ein kleiner, zusammenklappbarer Hocker. Er trägt ein schlichtes, weißes Unterhemd und eine kurze Hose, an den Füßen sieht man Badelatschen. Neben ihm geht sein etwa gleichaltriger Freund, mit dem er sich angeregt unterhält (und dieser trägt eine kleine Glastrinkflasche gefüllt mit Tee). So richtig urig eben. Ich kann mir meinen eigenen Großvater vorstellen, wie er früher zwischen den anderen Männern stand und über Dinge diskutierte oder vielleicht in einer Gruppe mit 10, 15 Leuten zwei anderen beim Mahjongg spielen zusah.
Ich mag auch die Unkompliziertheit, die manche an den Tag legen. Zum Beispiel auf der Zugfahrt von Lanzhou nach Zhangye war ein jüngerer Mann, der sämtliche Fahrgäste angesprochen und gefragt hat, ob sie nicht mit ihm Karten spielen wollen. Letzten Endes hat er nicht nur zwei weitere Mitspieler gefunden, sondern auch fast jede Partie gewonnen.
Ich mag auch die Familienverbundenheit in China. Familie bedeutet so viel mehr als in Deutschland; erwachsene Kinder leben mit ihren Eltern zusammen und versorgen sie; Großeltern kümmern sich um ihre Enkel und wenn mal irgendwo Not am Mann ist, findet sich immer jemand, der einspringen kann.
Ich mag die Märkte, auf denen von Lebensmitteln über Gebrauchtwaren bis hin zu lebenden Tieren alles verkauft wird. Und natürlich die Straßenstände, die in unglaublicher Geschwindigkeit günstiges und leckeres Essen zubereiten.
Was mir in China gefehlt hat
Ganz klar: Die Natur. Eines der ersten Dinge, die ich hier tun wollte, war in der Masch um die Ecke spazieren gehen:D Wenn mir das jemand vor einem Jahr erzählt hätte, hätte ich es selbst nicht geglaubt, aber Fakt ist einfach, dass unberührte Natur viel seltener ist in China, vor allem in den Städten. Es gibt zwar Parks, aber die sind alle zurechtgemacht und nicht wirklich ein Ort zum Erholen.
Aber auch die Sprachbarriere war lästig. Klar, mit der Zeit wurden die Dinge einfacher, aber als ich z.B. in Chengdu feststeckte, weil es einen Monsun gab und keine Busse Richtung Norden fuhren, hab ich auch nicht auf Anhieb verstanden, warum. Und dann wurde ich gerne mal wie jemand behandelt, der schwer von Begriff war… Es ist wirklich nicht so einfach, wenn man die Landessprache nicht perfekt beherrscht. Da verstehe ich Ausländer in Deutschland inzwischen auch besser, wenn sie Probleme haben, Dinge zu verstehen.
Manchmal hat mich auch die Unverblümtheit der Menschen gestört. Wenn im Zug zum Beispiel eine Mutter ihr Kind in eine Plastiktüte sein großes Geschäft machen lässt, statt es zur Toilette zu bringen. Oder die Tatsache, dass Ausländer (z.T. selbst in Shanghai) angegafft und anders behandelt werden.
Was ich an Deutschland zu schätzen gelernt habe
Den generell höheren Lebensstandard. Auch wenn Shanghai zu den modernsten Städten des Landes gehört, gibt es noch Unterschiede (von kleineren Städten und dem Land mal ganz zu schweigen). Zum Beispiel, dass es 1. weniger Bettler gibt und die 2. auch nicht annähernd so schlimm zugerichtet aussehen wie in China. Oder die Sanitäranlagen: Ich werde mich nie wieder über eine öffentliche Toilette in Deutschland beschweren, denn ich habe die ekligsten Plumsklos überhaupt gesehen (und dann postwendend kehr gemacht und mich tausendmal lieber hinter einem Busch entleert). Selbst in Shanghai, wo die Toiletten zwar neu sind, aber selten regelmäßig gereinigt werden. Und eines habe ich nie verstanden, unzwar warum es in China nicht selbstverständlich ist, auf öffentlichen Toiletten zu spülen. Warum ?!
In Deutschland gibt es auch immer Klopapier, in China hatte ich grundsätzlich Taschentücher oder, später auf Reisen, eine eigene Klopapierrolle dabei. Es gibt übrigens Klopapierrollen ohne Loch in der Mitte in China. So innovativ!

Als ich dieses Foto schoss, meinte der Brite, den wir in Xiahe getroffen haben: „Man merkt, dass du bald nach Hause gehst. Du fotografierst die banalsten Sachen“.
Oder die Sicherheit, die man in Deutschland hat – bei Lebensmitteln, aber auch im Straßenverkehr. Als ich das erste Mal wieder Fahrrad gefahren bin und dabei einen Zebrastreifen überquert habe, hat das Auto für mich gehalten. Wow! Ich war ehrlich positiv überrascht! In China hatte ich nie Vorfahrt, egal ob auf dem Rad oder zu Fuß.
Und dass Straßen in Deutschland so gut in Schuss sind: Selbst alte Straßen sind weder groß beschädigt noch verschmutzt. In China sind die Straßen entweder neu und sauber (oder eben renoviert und sauber), oder aber alt, kaputt und schmutzig.
Bahnfahren ist auch soviel angenehmer hier. Endlich wieder Menschen, die das Prinzip von „erst aussteigen lassen“ oder auf Chinesisch „先下后上“ (xian xia hou shang) nicht nur rein theoretisch verstehen, sondern auch in die Tat umsetzen.
Und die Luft! Der Wahnsinn! So frisch und klar! Als ich im Flugzeug nach Hannover saß, habe ich erstmal über diese wunderschönen Wolken vor dem blauen Himmel gestaunt (und dann, ganz der Tourist, ein paar Fotos gemacht. Hehe). Irgendwie habe ich in China selten so weit und so gestochen scharf sehen können..

vielleicht ein wenig uninteressant für die meisten unter euch aber… es war ein Highlight für mich:D so schön!
Ich könnte jetzt ewig weiter machen und zu jedem Punkt noch mehr aufzählen, aber meine Mutter ruft schon wieder, dass ich zum Abendessen kommen soll (sie behandelt mich übrigens wieder wie 10 manchmal. Vielleicht, weil sie sich das letzte Jahr nicht um mich und mein Wohl kümmern konnte und das jetzt wieder aufholen möchte oder so. Dass ich mich ein Jahr lang in China ziemlich gut allein durchgeschlagen habe, ist unwichtig). Es kommt aber noch ein weiterer Beitrag, wo ich über China und mein Jahr reflektieren möchte (hehe) und natürlich noch über meine Reise, aber das wird wohl eher eine ganze Reihe statt nur einem Beitrag.