Goldene Woche

„So, what are you planning for the holiday?“ Mit nur einem Wort als Antwort kann man sich outen: Wie lang ist man schon in China, wie gut kennt man sich aus? Die goldene Woche ist nämlich nicht einfach „nur eine Woche Ferien“, nein: Schon Monate vorher hört man Warnungen und Geschichten. „Was soll man denn erwarten, wenn 1,3 Milliarden Menschen plötzlich eine Woche frei haben?“

Nanjing RoadUm meinen mir soeben selbst auferlegten Bildungsauftrag nicht außer Acht zu lassen, in der Goldenen Woche, zumindest in der im Oktober, wird der Chinesische Nationalfeiertag gefeiert, am 1. Oktober 1949 wurde die Volksrepublik China ausgerufen. Überall hängen rote Laternen, Lampions, Banner, Flaggen… Für eine Woche ist ganz China auf den Beinen und reist durch das rotgeschmückte Land.

Man hat ja ohnehin öfter mal das dumpfe Gefühl, dass es außerordentlich viele Chinesen gibt. Ein Tourguide gratulierte mir einmal, er sagte, jetzt wo ich ein bisschen chinesisch spräche, könne ich mich immerhin mit jedem fünften Mensch auf der Welt unterhalten (für eine Sekunde wollte ich mich dazu hinreißen lassen, nachzurechnen, mit wie vielen Menschen ich mich dank Muttersprache und anderen Fremdsprachen, mit denen ich mich Zeit meines Schullebens gequält habe,  noch  unterhalten könnte, aufgrund meiner leider mangelnden mathematischen Fähigkeiten ließ ich es dabei bewenden, dass ich mich wohl mit genug Menschen unterhalten kann). Ich schweife ab, zurück zum Thema, 1,3 Milliarden Menschen, jeder 5. Mensch der Erde, hat Ferien (abgesehen natürlich von denen im Servicebereich. Oder den Straßenverkäufern. Oder… Wie bereits erwähnt, mit den Zahlen habe ich es nicht so, man entschuldige mein maßloses Übertreiben). Und genau so fühlte es sich an.

Da muss man schon mal die Ellbogen ausfahren!

Ich hatte Besuch von meiner Schwester und wir wollten zumindest ein paar kleine Trips in Suzhous nähere Umgebung starten. Das Erkunden von Jiangsus Hauptstadt, Nanjing, fiel schon bei der Hostelbuchung flach, es gab keine Zimmer mehr, zumindest nicht in unserem finanziellen Rahmen. Also entschieden wir uns für Hangzhou und Shanghai. Man sollte meinen, nach beinahe acht Monaten könnte einen so schnell nichts mehr umhauen, aber die Städte waren doch noch einmal wesentlich vollgestopfter als sonst. In Hangzhou gibt es eine Straße, die um den Westsee herumführt. Aus einer beidseitig befahrbaren Straße wurde eine Einbahnstraße auf zwei Spuren gemacht, teilweise auch drei, Chinesen sind mitunter sehr mutige Fahrer. Eine Fahrt, die man normalerweise in wenigen Minuten schafft, dauerte plötzlich eine halbe Ewigkeit, oder zumindest länger, als man möchte, dass sie dauert, wenn mann noch andere, entzückendere Pläne für seine Ferien hat, als im Stau zu stehen. Die Sehenswürdigkeiten kann man getrost vergessen, die Menschenmassen bieten ein noch besseres FotomotivDie Fenster im Taxi werden heruntergekurbelt, die Pagode kann man sich jetzt mal ganz genau ansehen, kommt man doch mit jeder Ampelschaltung nur 10 Meter weiter. Prima, da muss man ja gar nicht mehr aussteigen. Wie viel mehr wir entdecken würden, wenn wir öfter im Stau stehen würden! Da steht man also, im Auto, mit offenem Fenster, und atmet den frischen Smog ein. Man fragt sich, ob die Lunge wohl schon schwarz ist, oder ob sich doch zumindest mittlerweile ein leichter, grauer Schleier über die Haut gelegt hat.Vermutlich wäre die Luft viel besser, wenn zumindest bei roter Ampel hin und wieder mal der Motor abgeschaltet werden würde, dann könnte man ja aber womöglich nicht schnell genug anfahren, und da gewinnt der Zeit- Aspekt eindeutig an Bedeutung über den Luft- Aspekt.

Frischluftgarant

Ausflucht suchten wir darin, uns einfach Fahrräder zu nehmen, leider macht es auch nicht sehr viel mehr Spaß, direkt hinter dem Busauspuff zu kleben. Gefallen hat es uns im Großen und Ganzen aber trotzdem.

Im Nachhinein muss ich allen, die schon länger hier wohnen, aber recht geben: Wer das einmal miterlebt hat, der macht das nicht noch mal. Ich verstehe jeden, der die letzte Woche im Bett verbracht hat und sich die Zeit mit gelieferter Pizza und Filmen vertrieben hat. Alle, die ein paar mehr freie Tage haben, reisen lieber dann und benutzen die Goldene Woche zum reinen Ausspannen, oder flüchten in ein anderes Land. Gut,es einmal zu erleben war es trotzdem!