Es ist zwar jetzt schon einige Wochen her, trotzdem denke ich, dass dieses Thema, das von den deutschen Medien so unbemerkt blieb, nach wie vor wichtig und auch aktuell ist.
Vor einigen Wochen eskalierte der jahrzehntelang währende Streit über eine unbewohnte Inselgruppe, die nur dreimal so groß ist wie der Berliner Tiergarten, und die irgendwo in der Nähe von Taiwan liegt. Irgendwo sage ich, weil ich die Inseln auch mit Hilfe von Google Maps sehr lange suchen musste, sind sie doch „nur weiße Flecken“, die erst bei sehr nahem Zoom mit chinesischen Schriftzeichen versehen werden. Wem diese Inseln gehören, wird nirgendwo ersichtlich, es ist wohl ganz einfach nicht klar. Ein Privatbesitzer will die Inseln an die japanische Regierung verkaufen, nach Meinung der Chinesen ganz klar eine reine Provokation. Und das hat Folgen. An einem Samstag Abend ist die Situation eskaliert. Ich selbst war in Shanghai und habe recht wenig mitbekommen, als ich allerdings zurück nach Suzhou kam, schäumte die Flut an Neuigkeiten über. „Warst du schon in der Downtown Street? Dort wurden alle japanischen Restaurants angegriffen.“ Am Anfang dachte ich, ich hätte mich verhört, denn das konnte ich mir wirklich nicht vorstellen. Bis mir Fotos gezeigt wurden: eingeschlagene Fenster, Scherben überall. Wir machten uns sofort auf den Weg. Es sah wohl schon wesentlich besser aus als tags zuvor, an dem eine Masse an Menschen am Militär vorbeidrängte und auf alles einschlug, was japanisch war. Am Sonntag war der Großteil der Scherben aufgefegt, die eingeschlagenen Schaufenster waren verrammelt und mit großen, roten Bannern verhängt, auf denen stand, dass die Inseln China gehören, mit dem Aufhängen von Maoporträts fordert die Bevölkerung die chinesische Regierung auf, gegen die Japaner vorzugehen, wie einst Mao es getan hat. Unbeschadet blieben in dieser Straße alle chinesischen Restaurants und Geschäfte. Eine ganze japanische Shoppingmall in der Nähe meiner Schule ist seit Samstag Abend geschlossen, Japanern wurde nahegelegt, das Haus möglichst selten zu verlassen und nicht oder zumindest nicht laut japanisch zu sprechen, in meiner Chinesischschule herrscht gähnende Leere, nachdem alle japanischen Schüler, die den Großteil ausmachen, ihre Stunden für diese Woche abgesagt haben. Ein Kollege erzählte mir, dass ein Taxifahrer am Samstag zu ihm gesagt habe, er hätte Glück, dass er kein Japaner wäre, sonst müsse er sich wohl ein anderes Taxi suchen. Viele junge Chinesen, darunter auch Freunde von mir und einige Lehrer unserer Schule, erzählen mit Stolz von dem, was passiert ist.
Mittlerweile hat sich die Lage an der Oberfläche beruhigt, innerlich kocht es aber noch immer. Die japanische Flagge hängt noch immer nicht und viele Japaner kehren derzeit nach Hause zurück. Plakate, die die Schüler im Unterricht machen, werden mit durchgestrichenen Japan- Flaggen verziert und im Unterricht wird jetzt mit Hilfe von Diagrammen erläutert, wie viele Chinesen denken, dass man den Konsum von japanischen Produkten einstellen sollte, und das ist nach einer Klassenumfrage die Mehrheit. Ich habe vor ein paar Tagen mit einem japanischen Bekannten gesprochen. Er selbst drückte sich sehr vorsichtig aus, machte aber deutlich, dass er der Meinung war, dass die Inseln zwar zu Japan gehören, dass Japan aber sehr vorschnell und unvorsichtig war mit dem Kauf und dass es nun wichtig wäre, China in dieser Frage mit Samthandschuhen anzufassen.
Man bekommt ein ziemlich komisches Gefühl, in einem fremden Land, eigentlich weiß man nicht wirklich, was vor sich geht und wer wohinter steckt. Erlebte Geschichte. Und wieder um ein, diesmal sehr intensives, China- Abenteuer reicher.