Vom Himmel auf Erden ins Krankenhaus

(Halb so dramatisch wie es klingt)

Von vorletzter bis letzte Woche hatten „wir Chinesen und Mongolen“ schon unser fünftägiges Zwischenseminar in Hangzhou. Von Suzhou aus sind es ja nur knappe 2 Stunden mit dem Bus in den, laut Marco Polo, „Himmel auf Erden“, und genau den Eindruck hatte ich auch, als ich ankam. Schon auf der Taxifahrt kam ich aus dem Staunen nicht heraus: Alles war so grün, man hatte wirklich den Eindruck, einem Stück unberührter Natur zu begegnen (Was natürlich nicht stimmt, aber Illusionen sind ja auch mal wichtig). Im Hostel angekommen wurde ich dann noch freudiger überrascht, die Mitarbeiter an der Rezeption waren sehr freundlich und das Hostel war einfach nur großartig. Das Seminar selbst ging dann genau so gut weiter, wie es angefangen hatte. Es war schön, sich endlich mal im Gespräch mit anderen austauschen zu können, und es war interessant zu sehen, dass viele ähnliche Problemchen und Probleme plagen, aber auch, zu hören, wie die anderen damit umgehen. Natürlich war auch der Ausflugstag sehr schön, an dem wir einen Tempel und eine Pagode besichtigt haben und vor allem sehr viel am Westsee entlanggelaufen sind. Götz hat uns immer wieder etwas erzählt oder Gedichte vorgelesen, sodass wir wirklich viel neues Wissen von diesem Tag mitnehmen konnten. Nach dem Seminar bin ich noch mit einigen anderen Freiwilligen zwei Tage länger geblieben. Am Mittwoch, dem Tag der Arbeit, haben wir uns Fahrräder vom Hostel gemietet und sind erst über die 12 Brücken und dann ein wenig durch die Stadt gefahren. Alles war wegen des Feiertags wahnsinnig überfüllt, deswegen sind wir recht bald in einen großen Park am Westsee gegangen und danach über Seitenwege wieder zurück zum Hostel gefahren.

Leider geht alles Schöne auch viel zu schnell vorbei, und so hieß es auch schon am nächsten Tag wieder: Ab nach hause. Zum Glück war ich nicht alleine, sondern konnte auch gleich noch andere Freiwillige mitnehmen, die noch ein paar Tage Urlaub hier in Suzhou machen wollten. Aber als ich dann in er Wohnung angekommen war, passierte mir etwas (äußerst Dummes), das zu einem neuen Abenteuer führen sollte: Ich war in der Küche und habe Wäsche aufgehängt, als ich angerufen wurde. Also bin ich in mein Schlafzimmer gelaufen, habe dabei meine eigene Distanz zum Bett falsch eingeschätzt und bin direkt mit meinem kleinen Zeh gegen die Bettkante gerannt. Es tat wirklich ziemlich weh, was mich aber nicht davon abgehalten hat, den Abend noch mit den beiden anderen Freiwilligen zu verbringen. Wir wollten uns an den Zwillingspagoden treffen. Ich wollte zum ersten Mal die neue U- Bahn ausprobieren, die seit letzter Woche hier fährt. Wirklich großartig, ich kann jetzt in 15- 20 Minuten in der Innenstadt sein, statt in ca 45 Minuten, wie vorher mit dem Bus. Leider war die Orientierung mit den neuen Haltestellen ein bisschen schwer, und so kam es, dass ich eine Station zu früh ausgestiegen bin. Zwei hilfsbereite Französinnen haben mir also gesagt, ich könnte auch gut zu Fuß gehen- dummerweise haben sie aber in die falsche Richtung gezeigt. Das habe ich natürlich aber erst gemerkt, als ich vor einem U- Bahn- Eingang stand und mir dachte: „An der Station war ich doch schon?!“. Also noch mal 3 Kuai zahlen, und zwei Stationen zurück. Nach einigem Telefonieren und Suchen haben wir uns dann auch endlich gefunden. Das böse Erwachen kam dann später am Abend, als ich meinen, immer noch schmerzenden, Zeh begutachtet habe. Der war nämlich mittlerweile zu ungewohnter Größe angeschwollen und hatte eine geschmacklose blau- lila Färbung. Ich dachte mir, dass es bestimmt am nächsten Morgen besser sein würde. War es aber nicht. Ich habe also offene Schuhe angezogen, in die mein riesiger kleiner Zeh noch reinpasste, und bin ins Büro gehumpelt. Als ich meinen chinesischen Kolleginnen davon erzählt habe, sind sie sofort mit mir zur Krankenstation gegangen. Da wurde dann aber gesagt, dass der Zeh wohl gebrochen ist. Meine Mentorin hat also im Krankenhaus angerufenen gesagt, Ich soll am Nachmittag dort hin. Normale Ärzte gibt es ja in China nicht wirklich, man geht also mit jedem kleinen Wehwehchen ins Krankenhaus. Nur hatte niemand Zeit, mich zu begleiten. Aber gut, was muss, das muss, also habe ich nach dem Mittagessen den Bus zum Krankenhaus genommen. Dort musste musste ich als erstes zu einem Schalter, um mich anzumelden. Für 6 Kuai habe ich ein Krankenheftchen, eine Rechnung und eine Medi- Card bekommen und wurde weiter in die Notaufnahme geschickt, was ich etwas übertrieben fand. Man kommt also in einen Raum mit offenen Türen, vorne ist ein Schreibtisch, an dem ein Arzt sitzt, und man selbst stellt sich einfach in die Reihe hinter den Leuten, die gerade den abgespaltenen, blutenden Fingernagel des Bauarbeiters bewundern, der gerade untersucht wird. Man muss aber sehr aufpassen, dass man sich nicht zu sehr ablenken lässt, Chinesen haben hin und wieder gerne die Angewohnheit, einfach an einem vorbei und direkt nach vorne durchzugehen, auch wenn man selbst ganz offenkundig als Nächstes dran wäre. Irgendwann habe ich es dann aber geschafft. Der Arzt hatte auch befürchtet, dass der Zeh gebrochen wäre, und wollte mich also zum Röntgen schicken. Dafür muss man aber natürlich erst nochmal zahlen. Also, wieder heraus aus dem Behandlungsraum, zurück zur Kasse, aufpassen, dass sich niemand vordrängelt, und zahlen, dafür bekommt man dann wieder eine Rechnung und einen Eintrag ins Krankenheftchen. Erstaunt hat mich auch, wie mit den Kranken und Verletzten umgegangen wurde. Für gewöhnlich gibt es in einem chinesischen Krankenhaus kein Essen, das heißt, die Angehörigen und Freunde verpflegen einen und schieben einen auch im Bett durch das Krankenhaus. Auch einfach durch den Empfangsbereich. Nachdem ich gezahlt habe, bin ich also zur Anmeldung fürs Röntgen gegangen. Dort zeigt man die Rechnung, bekommt wieder einen neuen Zettel und dann endlich wird man zum Röntgen selbst geschickt. Danach geht man wieder zu einem Schalter und holt sein Bild ab. Was ich dann machen sollte, wusste ich auch nicht genau, also habe ich beschlossen, erst mal wieder meinen Arzt zu suchen. Der war allerdings wie vom Erdboden verschluckt. Während ich also dastand und wartete, versuchte ich es mit einer kleinen Eigendiagnose und inspizierte das schice Schwarz- Weiß- Foto meines Fußes, bis es mir plötzlich aus der Hand gerissen wurde. Als ich mich umgedreht hatte, konnte ich gerade noch den wehenden Kittel des Arztes in der Tür zum Behandlungsraum sehen und bin also schnell hinterhergerannt. Der Arzt hat schlussendlich nur kurz auf das Bild geguckt, es mir dann wieder in die Hand gedrückt und gesagt „it’s okay, okay, bye bye!“. Erleichtert und beschwingt verließ ich das Krankenhaus. Zwar immer noch humpelnd und mit schmerzendem Zeh, aber vor allem um ein chinesisches Abenteuer reicher.

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