Gestern habe ich mir eine Kamera gekauft.
Schön, werden sich viele an dieser Stelle denken, ich habe mir gestern a) ein Päckchen Kaugummi b) ein Auto c) eine Fußballmannschaft gekauft, also wen interessiert’s? Der Grund, warum ich diesen Artikel schreibe, ist aber weniger das Ergebnis, sondern eher der Weg dorthin.
Am Ende meiner Chinesischstunde habe ich meine Lehrerin gefragt, wo ein gutes Elektronikgeschäft ist. Sie hat mir 2 Geschäfte aufgeschrieben und mir gesagt, mit welchen Bussen fahren soll. So weit, so gut, in meiner naiven Vorfreude stieg ich also in den Bus. Das Gute daran, ich habe noch einen Sitzplatz bekommen. Das Schlechte daran, schon an der nächsten Station wurde ich durch die in den Bus strömenden Menschenmassen bewegungsunfähig. Gefüllt mit gefühlten 5 Menschen pro Quadratzentimeter, ratterte der Bus also in Richtung Innenstadt. Erste Bedenken kamen mir, als ich mich fragte, wo genau ich eigentlich aussteigen sollte? Ich hatte noch im Ohr, wie es ungefähr aussehen sollte, und die Lehrerin hatte mir die Station in Pinyin notiert, allerdings konnte ich den Namen der jeweiligen Stationen nicht heraushören. Irgendwann stieg ich also einfach aus, mit dem Plan, mir einfach ein Taxi zu nehmen. Das war leichter, als gedacht- kein Taxifahrer konnten mit der Adresse in Pinyin etwas anfangen, blöderweise hatte ich überhaupt nicht daran gedacht, mir das auch auf „richtigem“ Chinesisch aufschreiben zu lassen. Eine freundliche Passantin, die mir wohl meine Hilflosigkeit angesehen haben muss, zeigte mir schließlich einen Elektronikladen.
Ich fühlte mich so kurz vorm Ziel- doch manchmal trügt der Schein. Sobald ich den Laden betrat, richteten sich mindestens 20 Augenpaare auf mich. Zielstrebig ging ich zur Nikon Abteilung, das Modell hatte ich mir ja schon ausgesucht. Dann folgte erneute Ernüchterung, mir wurde erklärt, dass es dieses Modell dort nicht gäbe: „old one, old one, new one here, better, better, buy it!“. Ich wiederholte mehrere Male, dass ich definitiv das Modell haben wollte, das ich mir ausgesucht hatte. Irgendwann fragten sie mich „why?!“ und ich antwortete „it’s cheaper!“. Das gab den freundlichen Angestellten, die übrigens mittlerweile in vollständig versammelter Mannschaft um mich herum standen und auf mich einredeten, den Rest: Ich bin blond, also muss ich doch reich sein! Nach einigen weiteren Diskussionen notierte mir der Einzige, der etwas englisch konnte, dann die Adresse eines anderen Geschäfts. Fluchtartig verließ ich mit der kostbaren Information den Laden.

Draußen dann die Fortsetzung. Ich zeigte zwei Mädchen in meinem Alter die Notiz. Sie wirkten auf Anhieb so, als wüssten sie, wo ich hin müsste. Allerdings war sich die eine sicher, ich müsse nach rechts, während die andere felsenfest überzeugt war, ich müsse nach links. Ich bedankte mich überschwänglich, und versuchte einfach, ein Taxi zu bekommen, was leider zur Rushhour nicht unbedingt leicht ist. Das einzige freie Fortbewegungsmittel war eine Rikscha, was mir zwar sehr unangenehm war und mir ein ziemlich schlechtes Gewissen verschaffte, aber doch meine einzige Rettung war. Der Fahrer zuckelte im chinesischen Spaziertempo durch die Seitengassen. Und tatsächlich erreichte ich nach wenigen Minuten die Einkaufsstraßen und vor allem, den ersehnten Laden. Von neuer Motivation gepackt, rannte ich hinein, steuerte auf die Nikon- Auslagen zu und- wirklich! Mein Wunschmodell lag unter der Glasscheibe. Mein Herz machte einen Sprung, die Wolken verschwanden, die Sonne ging auf und alles um mich war erfüllt von himmlischen Melodien. Die Verkäuferin sprach sogar englisch. Ich sagte ihr, was ich alles haben wollte, sie machte mir einen recht guten Preis. Ich willigte ein, hatte mich überzeugt, dass auch wirklich alles im Karton war, was ich brauchte und wollte und war wie im siebten Himmel. Doch so kurz vor dem Ziel war mit den Problemen noch nicht genug.
Beim Zahlen wurde mir nämlich sofort erklärt, ich müsse bar bezahlen, wenn ich keine chinesische Bankkarte habe. Weil ich zufällig genau gestern ausnahmsweise nicht genug Geld dabei hatte, um mir eine Kamera zu kaufen (offensichtlich wieder ein Fall der totalen Überschätzung meiner Finanzlage), zog mich die englischsprechende Angestellte zum Hinterausgang mit den Worten „Bank of China, follow me, follow me!“ Während wir durch die Seitengassen rannten, wurden noch die restlichen Sachen geklärt: Ihrerseits, wo ich herkomme, und meinerseits, das ich für den Preis noch einen Kartenleser obendrauf möchte. Dann waren wir angekommen. Alles funktionierte wie gehabt, bis der Automat plötzlich nach Eingabe von Karte, PIN und Auszahlungsbetrag seine weiteren Dienste verweigerte. Er spuckte noch meine Karte und eine nette kleine Rechnung über den Betrag aus, statt der Rechnung hätte ich aber ehrlich gesagt doch lieber Scheinchen gesehen! Die Verkäuferin war sehr hilfsbereit, schnappte sich den Zettel und wieder meine Jacke, die langsam mit einem nervenlosen Wrack gefüllt war,

Zum Schluss bleibt mir nur noch zu sagen-die Kamera ist „Made in Thailand“. Na, immerhin weiß ich jetzt meine nächste Elektronikartikelkaufdestination!
Da ist es hier doch in der Tat einfacher – bei Amazon oder beim Saturn um die Ecke… Viel Spaß mit der neuen Kamera – Du wirst es bestimmt nicht bereuen, gleich am Anfang der Zeit in China eine gute Kamera gekauft zu haben…
Viele Grüße
Andreas
Johanna, das hast Du toll hingekriegt. Jetzt warten wir auf viele tolle Photos von Dir und Suzhou! Viel Spaß beim Workshop……