Heute habe ich meinem vom ständigen Sitzen geschundenen Körper einen kleinen Enteckungsspaziergang gegönnt. Statt von der Sprachschule wie üblich mit dem Bus nach Hause zu fahren, bin ich den Weg (und einige Umwege) zu Fuß zurückgegangen. Was eigentlich eine eher gefährliche Idee sein kann, der Straßenverkehr ist hier ziemlich wild. Es gibt nur wenige Regeln: Rote Ampeln werden beachtet, Rechtsabbiegen geht immer, man fährt der Umwelt zu Liebe unbeleuchtet und mit geräuschlosen Elektrogefährten und es gilt vor Allem: das Recht des Größten. Leider ist der Fußgänger erfahrungsgemäß immer der Kleinste. Ein Zebrastreifen heißt gar nichts. Wer die Straße überqueren will, muss schnell und darf auf keinen Fall schreckhaft sein- man hupt hier gerne und viel. Wenn man sich daran aber erst mal gewöhnt, geht es.

Mein erster Umweg führte mich also in die Down Town Street, eine Straße mit einigen Geschäften, Bars und Cafés (Das „richtige Downtown“ ist leider etwas weiter entfernt, so weit habe ich es bisher noch nicht geschafft). Es ist immer wieder merkwürdig, wie sehr sich manche Chinesen dafür begeistern können, wenn ein Ausländer einen Laden betritt, die Straße entlang geht oder doch tatsächlich einen Cappuccino bestellt! In solchen Situationen versuche ich neuerdings mit meinem ausgefeilten Chinesisch (schön wär’s, aber ein paar gängige Floskeln und Sätze habe ich schon gelernt) oder ganz einfach mit Zurückstarren zu bestechen.

Mein weiterer Weg führte mich dann an einem kleinen Park vorbei. Es wurde langsam dunkel, und das ist wirklich die beste Zeit hier in Suzhou: Die Fotos werden wegen des schlechten Lichtes zwar eher bescheiden, die Stimmung finde ich aber großartig. Alles, wirklich ALLES wird beleuchtet. Je bunter, desto besser. Hauptsache, es leuchtet, glitzert und fällt auf.
Im Park habe ich dann auch gleich eine nette Bekanntschaft gemacht- ein älterer Herr, der Dehnübungen an einem Mäuerchen gemacht hat. Nachdem er ein Foto von mir und ich eines von ihm gemacht hatte, versuchte er mir, etwas zu erklären.Leider konnten wir uns so gut wie nicht mit Worten verständigen, meine Vermutung ist, dass er für 8 Yuan mit mir auf der kleinen Insel mit dem blau beleuchteten Häuschen tanzen wollte. Sein wahres Anliegen werde ich wohl erst verstehen, wenn mir jemand seine Schriftzeichen übersetzen kann (Ich habe nachgefragt: Er wollte um 8 Uhr abends mit mir tanzen gehen). Danach kam ich an einer Ecke vorbei, die mir irgendwie unbekannt erschienen ist, was komisch ist, weil ich diese Strecke bestimmt schon 20 mal in den letzten Tagen mit dem Bus abgefahren war. Ich stand nämlich plötzlich vor einer Rolltreppe an einer Stelle, an der eigentlich letzten Samstag noch eine mehr oder weniger grüne Wiese gewesen war. Ja, die neue U- Bahn kommt, und sie kommt schnell. Wer hier etwas fotografieren will, sollte es besser gleich machen, wer weiß, ob es morgen noch da ist!
Abgeschlossen habe ich meine kleine Tour dann mit einem kleinen Abendessen auf dem Straßenmarkt gleich um die Ecke. Dort habe ich sogar versehentlich gehandelt: Ich wollte der Verkäuferin erklären, dass ich eine Portion möchte, und wollte gerade fragen, was das kostet, da zeigte sie mir eine drei. Ich habe meinen Hunger in Sekundenschnelle nochmal überdacht und wollte dann doch zwei Portionen. Ihrem Nicken nach zu urteilen, hatte sie mich verstanden- dachte ich, bis sie mir eine Tüte in die Hand drückte und 2 Yuan (ca 25 Cent) verlangte. So günstig habe ich wahrscheinlich noch nie gegessen, und es war unglaublich lecker. Ich denke, ich habe mein neues Lieblingsessen gefunden!
Mir gefällt es hier wahnsinnig gut. Die Stadt ist grau, und trotzdem überall bunt, es stinkt und gleichzeitig duftet es überall, es ist hektisch und trotzdem ruhig, alles ist riesig und trotzdem wirkt mir Vieles schon so vertraut, es gibt viele teure Geschäfte und Einkaufszentren, aber zwischen den neuen, schönen und unfassbar hohen Häusern hier kann man noch viel Verarmung und Verwahrlosung erkennen, wenn man genau hinschaut. All diese Gegensätze machen das Ganze hier interessant- und in meinen Augen sehr, sehr schön.
Liebe Hanni,
das klingt alles so cool,was du beschreibst! Da muss ich auch mal hin,aber ich will ja sowieso ÜBERALL hin 😀
Ich weiß nicht,ob bei dir morgens oder abend ist also einfach:
Tschüss, Toni.
Jetzt hab ich endlich wieder Internet und hab gleich mal deinen Blog durchgelesen 🙂
Du schreibst so nett, und jetzt wo ich weiß, dass es dir so gut geht, bin ich echt beruhigt Hanni 🙂
Auch ich lese Deine Berichterstattung aus Fernost immer sehr gern – heute zur Abwechslung mal in Wien! Vielen Dank für die kurzweilige Unterhaltung! Deine Mail beantworte ich auch nachher!
Viele Grüße und bis zum nächsten Bericht, 🙂
Andreas
Also Hanni,
pass mal lieber auf das morgen nicht mal dein Haus oder sogar die ganze Schule weg ist :-). Bitte mach doch nochmal ein Foto von dem Freizeitpark.
Aber du hast echt gut geschrieben 🙂
also dann
Tschüss 🙂
Schön, Johanna , dass Du so genau hinschaust und Deine Erfahrungen mit uns teilst. ich freue mich auf jeden Bericht von Dir!
Deine Mutti