Dieser Blogeintrag verändert alles. Nichts für schwache Nerven

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Verehrte Leserschaft,

falls ihr euch wegen des Titels irgendwas Cooles erhofft hattet: Es ist leider nur ein normaler Post. Er ist lang, aber er verändert nicht alles und verträgt sich auch mit schwachen Nerven. Mir ist nur kein besserer Titel eingefallen, und da dachte ich, ich gestalte alles ganz dramatisch á la heftig.co.

Nach einer ziemlich langen (aber dieses Mal angekündigten) Pause lasse ich euch einmal wieder teilhaben an den Geschehnissen in meinem Varazdiner Alltag. Zwei Monate sind nunmal leider so lang, dass ich mich wahrscheinlich nicht mehr an alles erinnern kann, aber dennoch wird es mit ziemlicher Sicherheit einer der längsten Einträge bisher; ich packe in den nächsten Tagen noch Bilder mit rein, dann wird alles ein bisschen anschaulicher.

Nach der Pragreise, von der ich letztes Mal erzählt habe, kam zuallererst ein Austausch des Prva gimnazija Varazdin mit einer Realschule in Fürstenfeldbruck, in den ich über ein paar Umwege als Hybrid zwischen Teilnehmer, Dolmetscher und Begleitperson integriert war. So habe ich auf verschiedenen Ausflügen Dinge und Orte hier gesehen, die ich noch nicht kannte, vor allem aber habe ich (trotz des Altersunterschieds) eine Menge neue Freunde gefunden, sowohl auf kroatischer als auch auf deutscher Seite.
Einer der deutschen Teilnehmer, Patrick, mit dem ich mich besonders gut verstanden hatte, ist am darauffolgenden Wochenende direkt wiedergekommen, weil seine Gastschwester Geburtstag gefeiert hat; praktischerweise war ich sowieso eingeladen, und dann habe ich ihn als Überraschungsgast mitgebracht (wir hatten uns im Prinzip zwei Tage lang kaum aus dem Haus bewegt, um nicht zu riskieren, dass ihn irgendjemand erkennt und die Überraschung platzt), was eine grandiose Aktion war, allen die Sprache verschlagen und den Weg für einen sehr schönen Abend bereitet hat.

Eine Woche später folgte der 1. Mai, den ich zuhause in Ravensburg verbracht habe. Das Wetter war grauenvoll, was uns zwar nicht davon abgehalten hat, eine Maiwanderung zu starten, aber davon, sie länger als 4 Stunden durchzuziehen; dennoch war es natürlich wieder schön, meine Leute zu treffen, und solche Heimatbesuche bringen einfach immer etwas Abwechslung in den Alltag.

Danach kam leider eine ziemlich schlechte Nachricht ins Haus. Unser Antrag auf finanzielle Förderung unseres Projekts wurde mit der Begründung abgelehnt, dass man keine Fahrten ins Ausland finanzieren könne (weshalb man uns das erst nach mehrwöchiger Antragsprüfung mitteilen konnte, steht in den Sternen – auf jeden Fall hat uns das um jede Möglichkeit gebracht, uns einen alternativen Unterstützer zu suchen). Wir haben noch kurz mit dem Gedanken an Crowdfunding gespielt, allerdings hat der Realismus dann Überhand gewonnen, und wir mussten uns eingestehen, dass wir eine vierstellige Summe nicht innerhalb von 12-13 Tagen durch die Unterstützung des Internets stemmen können. Da wir aber beide nicht wirklich mit der Vorstellung leben können, uns später sagen zu müssen, dass unser Projekt in unserem FSJ gescheitert ist, wollen wir es nächstes Schuljahr quasi als Alumniprojekt nochmal versuchen, dieses Mal direkt mit Crowdfunding als Finanzierung. Auch unsere Schüler sind nach wie vor motiviert, wir leisten bereits fleißig Vorarbeit, und Anfang August sollte das Projekt online gehen. Falls es euch interessiert und ihr uns in irgendeiner Form unterstützen wollt, dann meldet euch gerne bei mir und ich gebe euch Bescheid, wenn es soweit ist.

Dann brach die große Zeit der Besuche an.
Am Montag, den 11. Mai, bekam ich Besuch von meiner guten Freundin Alessa aus Ravensburg; wir spielen seit Ewigkeiten zusammen Schlagzeug und ihre Schwester war lange Jahre mit mir in einer Klasse. Auch sie hatte bereits Connections über die Ravensburg-Varazdin-Partnerstadt-Musiker-Schiene, weshalb es sich natürlich angeboten hatte, mich zu besuchen. Wir haben die drei Tage mit dem Basisprogramm an Sightseeing, gutem Essen, Bowling und Kaffee mit allen möglichen Leuten verbracht, es war sehr schön, sie hier zu haben.
Immerhin hatte ich donnerstags Pause und bin freitags nach Zagreb gefahren, um mal wieder die herzallerliebste Alina zu besuchen; sie hat zu der Zeit gerade auch Lilo, einer Freundin von Ruth (Freiwillige in Sarajevo, die ich im Dezember besucht habe), Asyl gewährt, und so waren wir abends zu dritt bzw. auch noch zusammen mit Icky, der anderen Freiwilligen in Zagreb, und ihren Studienfreunden unterwegs, was extrem unterhaltsam war und meiner imaginären Liste aller guten Clubs, die ich kenne, einen Punkt hinzugefügt hat.
Der eigentliche Hintergrund meines Besuchs in Zagreb war allerdings, dass mein bester Freund Florian samstags „früh“ um 10 Uhr in Zagreb gelandet war und ich ihn abgeholt habe, um zusammen mit ihm zurück nach Varazdin zu fahren. Wir haben den Samstag mit Essen und Feiern, den Sonntag größtenteils mit Schlafen, den Montag mit Essen, Entspannen und Stadtbesichtigung und den Dienstag mit Essen und Abreise verbracht – kein spannendes Programm, aber wir haben absichtlich eher auf Entspannung abgezielt. Der Besuch war eigentlich überfällig und ich bin sehr froh, dass wir es zeitlich noch auf die Reihe bekommen haben.

Danach erwarteten mich immerhin vier Tage Pause (ich will es nicht so klingen lassen, als ob ich keine Lust auf die Besucher gehabt hätte – ihr wisst, was ich mit „Pause“ meine), die allerdings unter anderem mit einem intensiven Abiturball gefüllt waren, bei dem ich enorm viel Spaß hatte. Am Tag darauf kam dann schlussendlich meine Familie; mein Bruder hat bei mir in der Wohnung geschlafen, meine Eltern hatten ein Hotel reserviert. In der Zeit von Sonntag bis Mittwoch haben wir die Stadt besichtigt, meine Freunde, Kollegen und AnsprechpartnerInnen kennengelernt, gut gegessen und (zumindest mein Bruder und ich) das – wenn auch unter der Woche eher spärliche – Nachtleben genossen. Vor allem im Nachhinein bin ich glücklich, dass ich die Möglichkeit hatte, meiner Familie zu zeigen, wo und wie ich lebe, mit wem ich arbeite und mit wem ich meine Zeit verbringe; natürlich strebt man in so einem Auslandsjahr erst einmal nach Selbst- und Eigenständigkeit, aber es ist irgendwie auch ein gutes Gefühl, zu wissen, dass meine Familie über meine Lebenssituation Bescheid weiß. Abgesehen davon war es selbstverständlich auch einfach schön, sie zu sehen.

Leider war ich zum Zeitpunkt der Abreise meiner Familie krank, vermutlich aufgrund der Anstrengung, die so eine vollgestopfte Zeit mit sich bringt. Infolgedessen habe ich 24 Stunden durchgeschlafen und war so wieder fit genug, um mich freitags auf den Weg nach Ungarn zu machen mit dem Ziel, mit Rike an unseren Projektplänen zu arbeiten, mal nicht über Skype und Facebook, sondern live und in Farbe – und vor allem zusammen mit den ungarischen Teilnehmerinnen. Wir haben uns aber erst einmal in Budapest getroffen, wo nach kürzester Zeit auch Kai dazugestoßen ist, ehemaliger Freiwilliger in Pecs, Ungarn; er hat nur ein halbes Jahr an seiner Einsatzstelle verbracht und macht gerade eine Osteuropatour. Zu dritt sind wir für das Wochenende bei einer Mitarbeiterin des Goethe-Instituts Budapest eingezogen, die unterwegs war und die Wohnung zwei Goethe-Praktikantinnen überlassen hatte mit der ausdrücklichen Erlaubnis, Freunde dort aufzunehmen. Ich habe (im Gegensatz zu den meisten anderen Städtereisen, die ich bis jetzt unternommen habe) nicht nur primär das Nachtleben, sondern auch sehr viel von der Stadt kennengelernt, was von einer alten Markthalle über alle erdenklichen Brücken, den Gellertberg mit Statue und kleiner Festungsanlage bis hin zum Donauufer und dem Parlament (und vielem mehr) reicht. Das heißt natürlich nicht im geringsten, dass wir das Nachtleben vernachlässigt haben.

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Budapester Sonnenuntergang von der Grünen Brücke

Sonntags machte sich Kai dann auf nach Pecs, und Rike und ich fuhren nach Oroshaza. Oroshaza ist klein, aber fein, es gibt nicht besonders viel zu tun in der Stadt, wenn man nur ein paar Tage auf Besuch ist, aber wir waren sowieso hauptsächlich mit dem Projekt beschäftigt und konnten ansonsten das schöne Wetter in der Natur genießen. Die Arbeit ging gut voran, wir haben Ideen entwickelt und konkretisiert und können jetzt, wenn unsere Vorbereitungen abgeschlossen sind, richtig durchstarten, was auch nötig sein wird, weil es natürlich ungemein schwieriger ist, ein Austauschprojekt mit kroatischen und ungarischen SchülerInnen zu organisieren, wenn man nur noch virtuellen Kontakt zu allen Beteiligten hat.
Mittwochs habe ich mich via Budapest auf die Reise nach Tata, einer kleinen Stadt etwa 70 Kilometer von Budapest entfernt, begeben, wo Marc als Freiwilliger an einem Gymnasium eingesetzt ist, mit dem ich mich schon auf dem Vorbereitungsseminar gut verstanden habe; wo ich jetzt schonmal in Ungarn war, wollte ich die Gelegenheit beim Schopf packen und ihn besuchen. Tata ist ein wunderschöner Ort mit einem See im Zentrum, einer malerischen Promenade und einer außerordentlich schönen Schule; wir haben viel Zeit draußen verbracht, da ich auch dort pünktlich zum Bombenwetter angekommen war. Außerdem steht in Tata der zweitschönste Baum Europas. (Ja, dafür gibt es eine Wahl. Ja, dort stimmen mehrere Zehntausend Menschen ab. Nein, ich nicht, hab ich nur gehört.)

Der See von Tata

Der See von Tata

Nochmal der gleiche See. Andere Tageszeit, andere Uferstelle

Nochmal der gleiche See. Andere Tageszeit, andere Uferstelle

Donnerstags trafen noch zwei von Marcs Freundinnen aus Berlin ein; obwohl ich sehr spontan nach Tata gekommen war und die beiden Mädchen ja überhaupt nicht kannte, wurde ich ganz selbstverständlich in diese schon lange existierende Freundeskonstellation aufgenommen, was sehr sehr erleichternd war und die ganze Zeit noch verschönert hat.
Am Freitag schließlich fuhr ich mit Dilay und Giuli nach Budapest – Marc war auf eine Hochzeit eingeladen und kam abends nach -, wo wir Marius trafen, Freiwilliger in Miskolc/Ungarn und quasi das fehlende vierte Teil in der Berliner Gruppe, mit der ich unterwegs war. Leider hatte ich auf dem VBS nicht besonders viel mit ihm zu tun, denn wir haben uns auf Anhieb sehr gut verstanden. Abends waren wir zuerst zu viert, dann nach Marcs Ankunft zu fünft feiern, und ich habe noch ein paar andere Locations kennengelernt als am vorausgegangenen Wochenende.
Samstags habe ich viele Dinge wiedergesehen, die ich schon kannte, aber auch viel Neues wie beispielsweise die Burg, die wir dem Gellertberg vorgezogen haben. Und abends letztendlich kam das große Treffen: Marc, Marius, Dilay, Giuli und ich trafen Rike (FW aus Oroshaza), die mit ihrer Familie in Budapest war, setzten uns in einen Park, wo kurze Zeit später Clara (FW in Budapest, Frühlingsausreise) und Oliver (FW in Eger/Ungarn) dazustießen, die ich in Olivers Fall schon lange nicht mehr und in Claras Fall noch nie getroffen hatte, und zu guter Letzt trudelten nach und nach alle möglichen Erasmusstudenten aus Österreich, Polen und Ungarn (und bestimmt noch mehr Ländern, die ich schon vergessen habe) ein, die eine WG in Budapest teilen. Anfangs war es dann etwas schwierig, sich mit einer so großen Gruppe zu bewegen, aber der Abend/die Nacht war wieder gefüllt mit viel Gelächter, guter Musik, hier und da verschlungenen Pizzastücken und einem bereits hellen Himmel, als wir nach Hause kamen.
Schlussendlich machte ich mich sonntags auf eine ziemlich unproblematische Heimreise, und da bin ich nun.

Weil ich gerade meine letzten Schultage bestreite, könnte ich natürlich wieder stundenlang über die Zeit und mein Leben philosophieren, aber weil ihr euch schon so tapfer bis hierhin durchgekämpft habt, erspare ich euch das; falls ihr meinen Blog verfolgt habt, habt ihr vielleicht sowieso schon ein ganz gutes Bild von meinen diesbezüglichen Gedanken.

Der nächste Post lässt nicht so lange auf sich warten, davon könnt ihr ausgehen.

Die Auflösung des letzten Rätsels: Ein Sarg.
(Falls ihr euch an dieser Stelle mal fragt, ob bei diesen Rätseln mittlerweile tatsächlich noch jemand mitmacht: Die Antwort ist Nein. Aber ich kann nicht aufhören.)

Grüße

Florin.

Rätsel
Mal ist es hart, mal ist es weich/
Es macht uns arm, es macht uns reich/
Es macht uns krank und hält am Leben/
’s ist schwer und kann doch manchmal schweben.

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