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Gefahren der Großstadt
An dem Gymnasium, an dem ich mein Abitur gemacht habe, gibt es (fast) jedes Jahr eine Studienfahrt nach Berlin. Zur Vorbereitung auf diese Fahrt haben 2012 die betreuenden Lehrkräfte einen Polizisten eingeladen. Er sollte die Schüler (lat.: discipuli rustici) über die Gefahren der Großstadt aufklären und sie so zu discipuli urbani machen. Nur für den Fall, dass die beiden Lehrkräfte einmal eine Studienfahrt nach Warschau planen – was ich ihnen hiermit sehr ans Herz legen möchte – kommen hier die Top 4 unter den Gefahren der Großstadt Warschau:
Platz 4: Blinkende Ampelmännchen
Die Ampelmännchen dieser Stadt unterscheiden sich auf dem ersten Blick nicht von denen, die es auch in anderen Metropolen wie beispielsweise Unter- und Oberwattenbach zu bestaunen gibt. Grün heißt gehen, rot heißt stehen. Doch bevor das Männchen rot anläuft beginnt es wenige Sekunden hektisch zu blinken. In der Sprache der Einheimischen hier heißt das so viel wie „Lauf oder stirb!“ und signalisiert nicht zuletzt den alten Damen mit Rollator, dass sie einen Gang zulegen sollten, um nicht schon in der Fahrbahnmitte überfahren zu werden, sondern erst, wenn der Bürgersteig in greifbarer Nähe ist.
Platz 3: meteoritenähnliche Geschosse
Während Kinder in ländlicher Idylle von Vögeln nur gehört haben und sie eher selten die Möglichkeit hatten, die Federn der scheuen Tiere zu zählen, ist die Realität in Großstädten hart, nicht selten: tödlich. In der Anonymität der Großstadt verlieren vor allem die Raben ihre Zurückhaltung und beginnen ihr perfides Spiel. Vom gutmütigen Biologielehrer ist ein Großteil der Schüler wahrscheinlich bereits mithilfe eines Animationsfilms darüber aufgeklärt worden, dass Raben sehr intelligente Tiere sind und Walnüsse gerne aus hoher Höhe auf die Straße fallen lassen, um sie zu öffnen. Doch erst aus nächster Nähe erkennt der Betrachter den Zusammenhang zwischen diesem Erklärfilm und dem zuvor gezeigten über das Aussterben der Dinosaurier. Es darf bezweifelt werden, dass Carglass auch Walnussschläge bezahlt.
Weil es zu aufwändig wäre, in der ganzen Stadt Warnschilder für Erosionen aufzustellen, gilt im Herbst die Faustregel: Sei auf der Hut und trage stet seinen Helm!
Platz 2: Linke Klinken
Wer sich schon immer einmal gefragt hat, woher die Fachschaft Biologie ihr Skelett hat, sollte dem Zimmer der Deutschvorbereitung einmal einen Besuch abstatten. Es wird gemunkelt, dass dieses Skelett die letzten Überreste eines ehemaligen, längst vergessenen Freiwilligen darstellen, der in diesem Zimmer lange Zeit unbemerkt eingeschlossen war. Zwar soll es auch in niederbayerischen Gefilden schon vorgekommen sein, dass sich ein Mensch in einem Büro eingeschlossen hat und anschließend mithilfe einer Leiter und eines Schlüssels für das Fenster, welcher unter der Türe hindurchgeschoben wurde, gerettet wurde. Und es soll auch vorgekommen sein, dass sich dieselbe Person im selben Haus Jahre später in einem WC eingesperrt hat (Anm. der Red.: Die anonyme Person ist nicht die Hauptautorin des Blogs www.verena-testet.blogspot.com). Doch war die Ursache hierfür stets Selbstverschulden. Anders im Raum der Deutschvorbereitung: Hier ist es nicht selten der Fall, dass man beim Öffnungsprozess eine Türklinke in der Hand hält, ohne dazugehörige Türe. Es empfiehlt sich daher, stets ein Handy mit sich zu führen.
Platz 1: Wasserkocher
Bereits am zweiten Platz kann man erkennen, dass die Deutschvorbereitung nicht der sicherste Ort der Stadt ist. Sie lockt zwar mit allerlei Materialien, hin und wieder auch mit Gebäck, das die Kollegen einem fürsorglich mitgenommen haben und nicht zuletzt mit dem Lebenselixier kawa, zu Deutsch: Kaffee. Doch UWAGA! Achtung! Wer sich einen Kaffee machen möchte, muss zuerst Wasser holen und dann den Wasserkocher einschalten. Dass der Knopf zum Einschalten sofort wieder zurückspringt, ist dabei wohl eine vom Hersteller gewollte Warnung vor dem Gerät. Nach langem Drücken rastet dann der Knopf ein, und der unbescholtene Freiwillige geht dazu über, die nächste Stunde vorzubereiten und die Tafel zu wischen. Doch die Ruhe täuscht! Bei der Rückkehr offenbart sich ein trauriger Anblick. Der vulkanischen Aktivität des Wasserskochers sind zahlreiche Materialien zum Opfer gefallen. Glück hat der Freiwillige , wenn die Lehrkräfte lachend kommentieren: „Das wollten wir sowieso schon lange wegwerfen“.
Dear Mr. US-Außenminister…
Da sitzt man nichtsahnend in seinem Polnischkurs, schaut aus dem Fenster und wen sieht man 2-3 Meter entfernt vorbeigehen? John Kerry, best friend und US-Außenminister! Hätte sich ruhig mal davor melden können, dann hätte ich wenigstens ein gemeinsames Foto schießen können! Am besten mit meiner tollen „Diplomatengepäck“-Tasche aus dem Auswärtigen Amt. Hätte ruhig anrufen können, meine Nummer hätte die US-Regierung ja gehabt…
Im Protokoll steht dieser kurze Spaziergang nicht. Kerry macht Zwischenstopp in Warschau, zuvor war er in Ägypten und Saudi-Arabien, morgen geht es weiter nach Israel. Polen ist somit das einzige europäische Land, das Kerry auf seiner Reise besucht. Die Frage, weshalb nur Polen wurde die letzten Tage viel diskutiert.
Unser dyrektor meinte, Polen stünde – anders als die meisten europäischen Länder – der USA in Sachen NSA-Affäre neutral gegenüber. Das habe einen geschichtlich-mythologischen Hintergrund. Mit allen großen europäischen Nachbarn habe man Probleme gehabt, jeder habe versucht, sich Polen einzuverleiben. Nun orientiere man sich lieber an den Sternen der amerikanischen Flagge.
Zieht man aus der Menge der Autos und des Sicherheitspersonals vor dem Königsschloss Schlüsse, hat Kerry nach seinem Spaziergang eben jenes besichtigt. Ich sags ja, wenn er mich nur angerufen hätte, ich hätte ihn durchs Schloss führen können. Es ist eine wirklich beeindruckende Rekonstruktion des Königsschlosses, das im zweiten Weltkrieg von Nazideutschland zerstört wurde. Vor allem bei den Ausstellungsgegenständen und den detailgetreu gezeichneten Bildern über Warschau kann man nur schwer herausfinden, ob sie Originale sind. Aber für eine Führung ist die deutsch-amerikanische Freundschaft zwischen Kerry und mir dann wohl doch ein wenig zu einseitig… Er kann übrigens von Glück reden, dass er im November das Schloss besucht. Nun haben nämlich vier polnische Schlösser kostenlosen Eintritt. Am Eintrittsgeld wäre nämlich kürzlich fast Warschaus Oberbürgermeisterin Hanna Gronkiewicz-Waltz gescheitert. Sie hatte sich geweigert 5 Zloty(ca. 1,20 €) Eintritt im Schloss Wilanów (dem einzigen der vier Schlösser, das ich noch nicht gesehen habe) zu zahlen. Bei der Bevölkerung kam das nicht wirklich gut an. Es war der Auslöser – nicht die Ursache – für ein Referendum mit dem Ziel, Hanna Gronkiewicz-Waltz abzuwählen. Letztlich ist das Referendum aber an zu geringer Beteiligung gescheitert.
Auch gestern ist der US-Außenminister aus dem Protokoll ausgebrochen und ist auf einem Friedhof in Warschau spazieren gegangen. Und auch ich bin am Wochenende ausgebrochen aus meinem Alltag, habe Kraków besichtigt und war auf dem Friedhof. Hätte Kerry mich gefragt, hätte ich ihm gesagt, dass er am 1.11. zum Friedhof gehen soll. Dann ist es dort nämlich besonders stimmungsvoll. Berichte (und vielleicht sogar Fotos) folgen 😉
Zwei Bilder
Bild Nummer 1
Ein Pärchen füttert die Enten des nahe gelegenen Kanals.
Bild Nummer 2
Ein Mann mit ärmlichen Klamotten durchsucht eine Mülltonne. Nach einer Weile wird er fündig und schreit laut „Halleluja!“.
Frage
Habe ich das Recht, beide Bilder nebeneinander aufzuhängen?