Archiv der Kategorie: Privat

Artikel mit dieser Kategorie erscheinen nicht bei Twitter

„Welche Spiele spielst du am liebsten? Sammelst Du Schmetterlinge?“

Hallo,  ich heiße Stefan Polen…“
So oder so ähnlich hörte es sich beim Vorbereitungsseminar an, wenn sich zwei bisher noch nicht bekannte Freiwillige trafen. Man fragte nach dem Vornamen, und statt dem Nachnamen nach dem Einsatzland. Und ehe man sich versah,  ersetzte das Einsatzland bei manchen den Vornamen auch noch.

„Die großen Leute haben eine Vorliebe für Zahlen. Wenn ihr ihnen von einem neuen Freund erzählt,  befragen sie euch nie über das Wesentliche. […] Sie fragen euch: wie alt ist er?  Wie viele Brüder hat er? […]“ (aus: Antoine de Saint Exupéry: Der Kleine Prinz)

Ich muss zugeben, ich habe selbst am letzten Tag noch die Fragen großer Leute gestellt und nach Name, Einsatzland, Dauer gefragt. Doch schon die Frage, ob man in da jeweilige Einsatzland wollte oder nicht, brachte bei manchem die interessantesten Geschichten hervor.
Besonders am Anfang war es spannend. Keiner kennt jemanden und jeder quatscht so einfach jeden an. Ob im Bus, im Kino, beim Essen holen oder am Essenstisch. Das Ergebnis war eine ziemlich offene und freudige Atmosphäre. Und so mancher schrieb jetzt nach dem Seminar: „Und plötzlich hatte ich 234 neue Freunde auf der ganzen Welt…“ (Ich habe dies erstmals bei Clemens ( bratwurstsalat.wordpress.com ) gesehen). Sooo viele weltoffene, reflektierte und engagiere Menschen habe ich zuvor noch nie auf einmal gesehen. Und zu jedem Gesicht gibt’s eine andere tolle Story.

… ich komme aus Bayern…
Neben der Frage, wohin man geht, gibt es noch die häufige Frage, woher man kommt. Zumindest mir wurde oft die Frage gestellt. Denn bis ich meinen Dialekt einigermaßen abgestellt habe, dauert es ein wenig. Und ehrlich gesagt mag ich diese Frage sogar. Denn das einzige, was an mit bayerisch ist, ist der Dialekt. Und so kommt man über die einzelnen Vorurteile ins Gespräch.
Auch hier in Warschau komme ich oft darauf zu sprechen, wie dies oder das in Bayern ist. Die Bundesländer sind einfach zu verschieden. Wie verschieden sie sind, nimmt man im Alltag in Deutschland gar nicht so sehr wahr. Man glaubt, als sei überall in Deutschland so. Erst aus der Außenperspektive fallen die Unterschiede auf.

… und ich helfe jetzt für sechs Monate beim Deutschunterricht mit…
Sich vorstellen – das ist auch ein wichtiges Thema hier im Deutschunterricht. Der Kleine Prinz wäre vielleicht von manchem enttäuscht – so richtig den Kern der Persönlichkeit trifft man mit dem gelernten Wortschatz nämlich (natürlich noch) nicht, schließlich lernen die Schüler erst im ersten, zweiten oder dritten Jahr Deutsch. Aber ich suche noch nach Mitteln und Wegen die Fragen des kleinen Prinzen auch zu stellen – ohne den Stoff zu vernachlässigen.

… und meine Hobbys sind…ähh…
Auch ich muss die Standard-Fragen beantworten. Eine Frage bringt mich aber immer wieder ein wenig durcheinander – die nach den Hobbys. Die wurden die letzten 15 Monate nämlich immer weniger – und jetzt gilt es nach neuen Möglichkeiten zu suchen.
Mal sehen, was ich hier so finde, ehe ich auf meinen Heimatplaneten zurückkomme.

PS: Ich bin hier nicht der erste Blog mit Zitaten von dem Kleinen Prinzen. Schaut mal hier: kulturweit.blog/kolorowy/2013/09/20/prosz%e1%b6%92-pani/

Bis(s) zu Weihnachten

Leute,  ich bin im Verzug. Hier folgt jetzt ein Eintrag nach dem anderen. Nicht jeder Artikel wird jedem gefallen, aber ich will ja auch so viel verschiedenes schreiben wie möglich.

Hallo, ich bin Stefan und ich hasse Abschiede
Als ich 5 Jahre alt war oder so, haben wir mit unserer  Kindergartengruppe den ortsansässigen Pfarrer verabschiedet. Ich hatte diesen Pfarrer davor wahrscheinlich noch nie gesehen und selbst wenn ich ihn schon mal gesehen hätte,  er wäre für mich uninteressant gewesen. Aber dann,  dann standen wir da in einer Reihe,  alle mit Winke-Taschentüchern in der Hand – und der kleine Stefan begann zu heulen. Dasselbe in der 2. Klasse Grundschule: der bei den Schülern unbeliebte Direktor, den der kleine Stefan wahrscheinlich auch noch nie bewusst gesehen hat, wurde verabschiedet – und der kleine Stefan begann zu heulen.

Einmal Weihnachten und zurück
Nicht ganz so tränenreich, aber dennoch emotional gestaltete sich der Abschied von den Austauschschülerinnen beim Austausch mit unserer Partnerschule in Schio, Italien in der 9. Klasse. Wir waren dort für eine Woche im September oder Oktober und alles vor Ort hat mich irgendwie an Weihnachten erinnert. Die Maroni, die es auf einem Markt gab,  der Kamin,  an dem wir unsre Schuhe wärmten, dieses berühmte erste Gemälde von Christi Geburt, die Bücher im Schrank, auf denen was von Weihnachten steht, das Warten, der familiäre Zusammenhalt. Im Nachhinein gesehen, nicht viel, was mich an Weihnachten denken ließ. Aber für mich War es wie eine Woche Weihnachten und wieder zurück. Und ein halbes Jahr später würde man sich wieder sehen.

’s ist alles anders… – Abschied mit einem Gesicht* voller Zufriedenheit
Dieses Mal hat sich der Abschied dagegen gar nicht wie ein Abschied angefühlt. Ich hatte eine kleine Abschiedsfeier gegeben. Für mich war es so, als würde man sich folgende Woche gleich wieder sehen. Nach nur einem Spot geht’s weiter, sozusagen. Außerdem kann man ja viel skypen.
Verabschiedet hat man sich dieses Mal bis Weihnachten, weil ich da für ca. 2 Wochen wieder nach Hause fahre. Dann würde alles wieder genau so sein wie früher.

…’s ist alles anders!
Dass aber nicht alles genau so wie bisher werden könnte, kam mir erst auf dem Vorbereitungsseminar in Berlin in den Sinn. Thema der „Homezone“ war da der Kulturschock. Der Auslandsaufenthalt beginnt der Theorie zufolge meist mit großer Euphorie, hat zwischendurch einen Stimmungseinbruch und normalisiert sich schließlich. Ähnlich ist es, wenn man nach dem Aufenthalt wieder zu Hause ankommt. Der Kulturschock findet sein Pendant im Rückkehrerschock (oder so). Dieser Schock kann verschiedenste Ursachen haben: fehlende Aufmerksamkeit, zu große Aufmerksamkeit, zu wenige Veränderungen, zu viele Veränderungen, …
Dass neues auch Veränderung bringt, dass Veränderungen zu so einem Jahr dazu gehören könnten, musste ich in der Zwischenzeit seit der Bewerbung vergessen haben. Ganz egal, wie die Welt in 6 Monaten auch ausschauen wird, jetzt ist sicher nicht alles wie immer. Denn das jetzt mache ich ja auch deswegen, weil eben nicht alles ist wie immer.
Und so beginne ich nun, wie immer mit der für mich (und auch für Polen) typischen Verspätung, mich innerlich zu verabschieden. Sicher, vieles wird bleiben. Ohne einiges altes werde ich mich hier nicht zu Hause fühlen können. Ich will nichts überstürzen. Aber wenn ich mich nicht von einigem altem (und vor allem von meinem Perfektionismus) verabschiede, wird nichts neues Platz finden.

PS: Ich möchte mich hiermit ganz offiziell für den schlimmen Kalauer in der Überschrift entschuldigen. Soll nicht mehr vorkommen.
PPS: Falls Kalauer der falsche Ausdruck ist,  möchte ich mich auch dafür entschuldigen.
———-
*Man beachte die doppelte Wortbedeutung, die ich selbstverliebtes Genie hier verwendet habe.

Cześć!

Hallo, ich bin Stefan und ich blogge über 6 Monate Warschau
Heute fang ich an zu bloggen! Heute ist der richtige Tag dafür!

Wie oft habe ich mir das nun schon vorgenommen? Bloggen wollte ich über meinen Auslandsaufenthalt schon, seitdem ich vom „kulturweit“-Blog weiß. Es war unglaublich motivierend für die Bewerbung bei „kulturweit“ all die verschiedenen Erlebnisse anderer Freiwilliger zu lesen. Und jetzt, wo ich alles für meine 6 Monate in Warschau, Polen plane, sind die Blogs der Vorjahre durchaus hilfreich.

Ja, richtig gelesen, Warschau. Die Reaktionen auf „Warschau“ waren bisher:

  1. „Aha. Ist ja interessant. Und ungewöhnlich“
  2. „Warschau!?!? Wie kommst’n du zu Warschau? Das wäre ja nichts für mich…“
  3. Polenwitze. Einer vorhersehbarer als der andere.

Für mich war das ganze weniger eine Entscheidung für „Warschau“ als für „kulturweit“. Eine Freundin war letztes Jahr mit „Kulturweit“ in Brno, Tschechien und war in jeder Hinsicht vollends begeistert davon. Mit diesem Programm konnte ich mir aber nicht vollkommen aussuchen, wohin ich komme. Man kann jedoch Regionen ausschließen oder als „favorisiert“ angeben. Mit jeder ausgeschlossenen Region sinkt aber die Wahrscheinlichkeit, genommen zu werden. Ich hätte ohne „kulturweit“ wahrscheinlich nach einem Projekt in Afrika gesucht. Doch mit der Bewerbung beginnt man darüber nachzudenken, dass ein nicht ganz so „krasser“ Schritt wie nach Afrika auch ganz in Ordnung ist. Und man denkt darüber nach, dass ein Verständnis von Europas Geschichte und Zukunft sehr interessant und wichtig ist. Welche Stadt könnte hierfür besser geeignet sein als Warschau? Warschau, das mit dem Slogan „See the past – Meet the future“ für sich wirbt.

Letzten Endes ist es vor allem die Tätigkeit, die für mich entscheidend war. Ich werde beim Deutschunterricht von 13- bis 16-Jährigen mitwirken. Wie das aussehen wird – keine Ahnung! Aber in meinem Kopf schwirren schon viele Ideen herum. Ich bin der erste Freiwillige meiner Schule und für alle Beteiligten ist die Situation etwas neues. Und gerade darauf freue ich mich: Auf das sich überraschen lassen und gleichzeitig vieles mitgestalten können! „Polen überrascht“. Noch so ein Werbeslogan, den Polen wirklich nutzt.

Meinen ersten Blogeintrag wollte ich schon absetzen an dem Tag, an dem ich die Einladung zum kulturweit-Blog bekommen habe. Oder an dem Tag, an dem bekannt wurde, dass Papst Johannes Paul der II. heilig gesprochen wird. Er wird bereits jetzt in Polen wie ein Heiliger verehrt, meine Einsatzschule ist nach ihm benannt und eine andere Freiwillige meinte, eine Stadt ohne “ Johannes Paul II.“-Allee sei keine polnische Stadt. Welch interessante Tage das doch werden könnten, wenn die Heiligsprechung in mein FSJ fallen würde!

Meinen ersten Blogeintrag wollte ich auch schon absetzen an dem Tag, an dem ich mich zum ersten Mal von einer Freundin verabschieden musste, die ich erst im März wieder sehe. Es ist ein komisches Gefühl, sich zu verabschieden. Es fühlt sich an, als würde man sich in 3 Tagen wieder sehen. Und doch weiß man, es sind 7 Monate. Mittlerweile ist sie in Toronto angekommen und lernt viele neue Leute kennen. Und ich freu mich umso mehr auf meine Abreise.

Ich setze meinen ersten Blogeintrag heute, genau 7 Monate vor meiner Rückkehr ab. Gestern habe ich meinen Freiwilligenausweis bekommen. Heute vor 69 Jahren begann die polnische Armia Krajowa mit dem Warschauer Aufstand, dem Versuch sich aus eigener Kraft vom Terror der deutschen Besatzer zu befreien. Die Bewohner Warschaus erinnerten heute, wie jedes Jahr, an diesen Aufstand, indem sie für eine Minute stehen blieben. Im Folgenden 2 wie ich finde, sehr bewegende Videos dazu:

https://www.youtube.com/watch?v=Ejd2rsXoQSI