Archiv der Kategorie: Gesellschaft
Über die Gesellschaft, in der ich gerade lebe
Geschützt: Mixed thoughts – Teil 3 von 6+
Geschützt: Mixed thoughts – Teil 1 von 4+
Dear Mr. US-Außenminister…
Da sitzt man nichtsahnend in seinem Polnischkurs, schaut aus dem Fenster und wen sieht man 2-3 Meter entfernt vorbeigehen? John Kerry, best friend und US-Außenminister! Hätte sich ruhig mal davor melden können, dann hätte ich wenigstens ein gemeinsames Foto schießen können! Am besten mit meiner tollen „Diplomatengepäck“-Tasche aus dem Auswärtigen Amt. Hätte ruhig anrufen können, meine Nummer hätte die US-Regierung ja gehabt…
Im Protokoll steht dieser kurze Spaziergang nicht. Kerry macht Zwischenstopp in Warschau, zuvor war er in Ägypten und Saudi-Arabien, morgen geht es weiter nach Israel. Polen ist somit das einzige europäische Land, das Kerry auf seiner Reise besucht. Die Frage, weshalb nur Polen wurde die letzten Tage viel diskutiert.
Unser dyrektor meinte, Polen stünde – anders als die meisten europäischen Länder – der USA in Sachen NSA-Affäre neutral gegenüber. Das habe einen geschichtlich-mythologischen Hintergrund. Mit allen großen europäischen Nachbarn habe man Probleme gehabt, jeder habe versucht, sich Polen einzuverleiben. Nun orientiere man sich lieber an den Sternen der amerikanischen Flagge.
Zieht man aus der Menge der Autos und des Sicherheitspersonals vor dem Königsschloss Schlüsse, hat Kerry nach seinem Spaziergang eben jenes besichtigt. Ich sags ja, wenn er mich nur angerufen hätte, ich hätte ihn durchs Schloss führen können. Es ist eine wirklich beeindruckende Rekonstruktion des Königsschlosses, das im zweiten Weltkrieg von Nazideutschland zerstört wurde. Vor allem bei den Ausstellungsgegenständen und den detailgetreu gezeichneten Bildern über Warschau kann man nur schwer herausfinden, ob sie Originale sind. Aber für eine Führung ist die deutsch-amerikanische Freundschaft zwischen Kerry und mir dann wohl doch ein wenig zu einseitig… Er kann übrigens von Glück reden, dass er im November das Schloss besucht. Nun haben nämlich vier polnische Schlösser kostenlosen Eintritt. Am Eintrittsgeld wäre nämlich kürzlich fast Warschaus Oberbürgermeisterin Hanna Gronkiewicz-Waltz gescheitert. Sie hatte sich geweigert 5 Zloty(ca. 1,20 €) Eintritt im Schloss Wilanów (dem einzigen der vier Schlösser, das ich noch nicht gesehen habe) zu zahlen. Bei der Bevölkerung kam das nicht wirklich gut an. Es war der Auslöser – nicht die Ursache – für ein Referendum mit dem Ziel, Hanna Gronkiewicz-Waltz abzuwählen. Letztlich ist das Referendum aber an zu geringer Beteiligung gescheitert.
Auch gestern ist der US-Außenminister aus dem Protokoll ausgebrochen und ist auf einem Friedhof in Warschau spazieren gegangen. Und auch ich bin am Wochenende ausgebrochen aus meinem Alltag, habe Kraków besichtigt und war auf dem Friedhof. Hätte Kerry mich gefragt, hätte ich ihm gesagt, dass er am 1.11. zum Friedhof gehen soll. Dann ist es dort nämlich besonders stimmungsvoll. Berichte (und vielleicht sogar Fotos) folgen 😉
Zwei Bilder
Bild Nummer 1
Ein Pärchen füttert die Enten des nahe gelegenen Kanals.
Bild Nummer 2
Ein Mann mit ärmlichen Klamotten durchsucht eine Mülltonne. Nach einer Weile wird er fündig und schreit laut „Halleluja!“.
Frage
Habe ich das Recht, beide Bilder nebeneinander aufzuhängen?
Warum im Vatikan ein Stück der Berliner Mauer steht und was das alles mit der Bundestagswahl zu tun hat
Leute, ich bin im Verzug. Es folgt ein Blogeintrag nach dem anderen. Dieser Eintrag enthält jedoch nur wenig über mich und meine aktuelle Situation.
Karotten-Pizza. So sieht Nachhaltigkeit bei Kulturweit aus. Wenn in Deutschland über Fleischverzicht gesprochen wird, dann meist im „Ich lass mir nichts verbieten“-Stammtisch-Ton. Anders auf dem Vorbereitungsseminar von kulturweit. Dazu in einem der nächsten Blogeinträge mehr.
Polen – deine Geschichte
Mit Fleisch – besser gesagt der Erhöhung der Preise für Fleisch – beginnt auch das wohl einschneidendste Ereignis jüngerer polnischer Geschichte: Viele Streiks in ganz Polen waren die Folge der Preiserhöhung vor 33 Jahren, zwischenzeitlich gab es deswegen Engpässe in der Lebensmittelversorgung. Die Fleischpreise waren natürlich nicht der einzige Grund für einen Aufstand diesen Ausmaßes. Das Streikkomitee unter Führung von Lech Walesa formulierte 21 Forderungen, z.B. Mehr Kitaplätze! Freilassung politischer Gefangener! Höhere Löhne! Herabsetzung des Rentenalters! Anerkennung von Gewerkschaften! Redefreiheit! Mehr Transparenz! Was klingt wie die in Deutschland derzeit allgegenwärtigen Wahlversprechen, ist jetzt schon über 33 Jahre alt. Die kommunistische Regierung Polens hat schließlich den 21 Forderungen der Solidarnosz nachgegeben. Das Danziger Abkommen leutete letztlich das Ende des Kommunismus ein – auch wenn oder gerade weil die Polnische Regierung die Situation anders einschätzte. Es startete ein bemerkenswerter Wandel.
Polen – dein Papst
In seinen Memoiren schrieb Michael Gorbatschow, dass die Geschehnisse in Osteuropa ohne Johannes Paul II. nicht möglich gewesen wären. Der Papst aus Krakau ermutigte seine Landsleute, bat die polnischen Bischöfe um Unterstützung für die Sozialbewegungen, sorgte für millionenschwere Unterstützung für die Solidarnosz und empfing zahlreiche Mitglieder der Vereinigung. Bei seiner zweiten Polenreise forderte er die Umsetzung der Sozialreformen und traf Lech Walesa, der quasi unter Hausarrest stand. Bei seiner dritten Polenreise kritisierte er außerdem das Verbot der Solidarnosz.
Nicht jedem passte der Einfluss des Papstes. Und so wird hinter dem Attentäter, der den Anschlag auf den Papst auf dem Petersplatz verübt hat, der bulgarische Geheimdienst oder der KGB vermutet.
1989 wurde die Solidarnosz wieder zugelassen, die Streiks beendet und dafür ein runder Tisch gebildet, der Polen eine neue Richtung geben sollte. Gemeinsam mit Glasnost und Perestroika hat die Solidarnosz zur Wende in Polen und gewissermaßen zum Fall des Eisernen Vorhangs beigetragen. Als Dank hierfür schenkte die Stadt Berlin Papst Johannes Paul II. ein Stück der Berliner Mauer. Noch heute werden viele Straßen, Plätze und Einrichtungen Polens nach Papst Johannes Paul II. benannt. So auch meine Einsatzschule. Es wurde ein Relief des Papstes und eine Plakette angebracht, auf der steht: „Wirklich groß ist der derjenige, der etwas wissen will“. Und nicht nur eine Plakette des Papstes ziert die Schule. In quasi jedem Klassenzimmer hängen Bilder und Zitate des Papstes aus Polen. Ich habe den Eindruck, dass die Handlungen der Päpste hier weniger kritisch beäugt werden als in Deutschland. Während in Deutschland Papst Benedikt z.B. für zu geringe Reaktion in der Missbrauchsaffäre kritisiert wurde, sieht beispielsweise eine Lehrerin meiner Schule das ganz entspannt. Was hätte er auch machen sollen?
Polen – deine Zukunft
Vergangenen Sonntag gab es große Proteste in Warschau. Aus ganz Polen sollen die Menschen gekommen sein, u.a. für höhere Löhne. Ich habe davon nichts mitbekommen. Dafür wohne ich zu weit vom Zentrum entfernt. Eine Lehrerin zeigte sich aber enttäuscht, dass sich trotz der Menschenmenge niemand aus dem Parlament für die protestierenden interessiert hat. Eine Kollegin wünscht sich einen neuen Fürsprecher für das Volk, einen wie Papst Johannes Paul II.
Hallo, mein Name ist Stefan und ich habe gewählt
In Deutschland wird am nächsten Sonntag gewählt. Ich musste, um sicher zu gehen, dass meine Stimmen – mit den Wahlen letzten Sonntag in Bayern ganze 11 Stück – ankommen, schon Ende August wählen. Und es funktionierte erstaunlich unkompliziert und unbürokratisch. Am Sonntag ist dann der Tag der Wahrheit – und ich werde alles auf der Wahlparty der Deutschen Botschaft in Warschau mitverfolgen.
Cześć!
Hallo, ich bin Stefan und ich blogge über 6 Monate Warschau
Heute fang ich an zu bloggen! Heute ist der richtige Tag dafür!
Wie oft habe ich mir das nun schon vorgenommen? Bloggen wollte ich über meinen Auslandsaufenthalt schon, seitdem ich vom „kulturweit“-Blog weiß. Es war unglaublich motivierend für die Bewerbung bei „kulturweit“ all die verschiedenen Erlebnisse anderer Freiwilliger zu lesen. Und jetzt, wo ich alles für meine 6 Monate in Warschau, Polen plane, sind die Blogs der Vorjahre durchaus hilfreich.
Ja, richtig gelesen, Warschau. Die Reaktionen auf „Warschau“ waren bisher:
- „Aha. Ist ja interessant. Und ungewöhnlich“
- „Warschau!?!? Wie kommst’n du zu Warschau? Das wäre ja nichts für mich…“
- Polenwitze. Einer vorhersehbarer als der andere.
Für mich war das ganze weniger eine Entscheidung für „Warschau“ als für „kulturweit“. Eine Freundin war letztes Jahr mit „Kulturweit“ in Brno, Tschechien und war in jeder Hinsicht vollends begeistert davon. Mit diesem Programm konnte ich mir aber nicht vollkommen aussuchen, wohin ich komme. Man kann jedoch Regionen ausschließen oder als „favorisiert“ angeben. Mit jeder ausgeschlossenen Region sinkt aber die Wahrscheinlichkeit, genommen zu werden. Ich hätte ohne „kulturweit“ wahrscheinlich nach einem Projekt in Afrika gesucht. Doch mit der Bewerbung beginnt man darüber nachzudenken, dass ein nicht ganz so „krasser“ Schritt wie nach Afrika auch ganz in Ordnung ist. Und man denkt darüber nach, dass ein Verständnis von Europas Geschichte und Zukunft sehr interessant und wichtig ist. Welche Stadt könnte hierfür besser geeignet sein als Warschau? Warschau, das mit dem Slogan „See the past – Meet the future“ für sich wirbt.
Letzten Endes ist es vor allem die Tätigkeit, die für mich entscheidend war. Ich werde beim Deutschunterricht von 13- bis 16-Jährigen mitwirken. Wie das aussehen wird – keine Ahnung! Aber in meinem Kopf schwirren schon viele Ideen herum. Ich bin der erste Freiwillige meiner Schule und für alle Beteiligten ist die Situation etwas neues. Und gerade darauf freue ich mich: Auf das sich überraschen lassen und gleichzeitig vieles mitgestalten können! „Polen überrascht“. Noch so ein Werbeslogan, den Polen wirklich nutzt.
Meinen ersten Blogeintrag wollte ich schon absetzen an dem Tag, an dem ich die Einladung zum kulturweit-Blog bekommen habe. Oder an dem Tag, an dem bekannt wurde, dass Papst Johannes Paul der II. heilig gesprochen wird. Er wird bereits jetzt in Polen wie ein Heiliger verehrt, meine Einsatzschule ist nach ihm benannt und eine andere Freiwillige meinte, eine Stadt ohne “ Johannes Paul II.“-Allee sei keine polnische Stadt. Welch interessante Tage das doch werden könnten, wenn die Heiligsprechung in mein FSJ fallen würde!
Meinen ersten Blogeintrag wollte ich auch schon absetzen an dem Tag, an dem ich mich zum ersten Mal von einer Freundin verabschieden musste, die ich erst im März wieder sehe. Es ist ein komisches Gefühl, sich zu verabschieden. Es fühlt sich an, als würde man sich in 3 Tagen wieder sehen. Und doch weiß man, es sind 7 Monate. Mittlerweile ist sie in Toronto angekommen und lernt viele neue Leute kennen. Und ich freu mich umso mehr auf meine Abreise.
Ich setze meinen ersten Blogeintrag heute, genau 7 Monate vor meiner Rückkehr ab. Gestern habe ich meinen Freiwilligenausweis bekommen. Heute vor 69 Jahren begann die polnische Armia Krajowa mit dem Warschauer Aufstand, dem Versuch sich aus eigener Kraft vom Terror der deutschen Besatzer zu befreien. Die Bewohner Warschaus erinnerten heute, wie jedes Jahr, an diesen Aufstand, indem sie für eine Minute stehen blieben. Im Folgenden 2 wie ich finde, sehr bewegende Videos dazu: