Archiv der Kategorie: Allgemein
Geschützt: Evaluation: Gewinne
Geschützt: Evaluation: Erwartungen
Gefahren der Großstadt
An dem Gymnasium, an dem ich mein Abitur gemacht habe, gibt es (fast) jedes Jahr eine Studienfahrt nach Berlin. Zur Vorbereitung auf diese Fahrt haben 2012 die betreuenden Lehrkräfte einen Polizisten eingeladen. Er sollte die Schüler (lat.: discipuli rustici) über die Gefahren der Großstadt aufklären und sie so zu discipuli urbani machen. Nur für den Fall, dass die beiden Lehrkräfte einmal eine Studienfahrt nach Warschau planen – was ich ihnen hiermit sehr ans Herz legen möchte – kommen hier die Top 4 unter den Gefahren der Großstadt Warschau:
Platz 4: Blinkende Ampelmännchen
Die Ampelmännchen dieser Stadt unterscheiden sich auf dem ersten Blick nicht von denen, die es auch in anderen Metropolen wie beispielsweise Unter- und Oberwattenbach zu bestaunen gibt. Grün heißt gehen, rot heißt stehen. Doch bevor das Männchen rot anläuft beginnt es wenige Sekunden hektisch zu blinken. In der Sprache der Einheimischen hier heißt das so viel wie „Lauf oder stirb!“ und signalisiert nicht zuletzt den alten Damen mit Rollator, dass sie einen Gang zulegen sollten, um nicht schon in der Fahrbahnmitte überfahren zu werden, sondern erst, wenn der Bürgersteig in greifbarer Nähe ist.
Platz 3: meteoritenähnliche Geschosse
Während Kinder in ländlicher Idylle von Vögeln nur gehört haben und sie eher selten die Möglichkeit hatten, die Federn der scheuen Tiere zu zählen, ist die Realität in Großstädten hart, nicht selten: tödlich. In der Anonymität der Großstadt verlieren vor allem die Raben ihre Zurückhaltung und beginnen ihr perfides Spiel. Vom gutmütigen Biologielehrer ist ein Großteil der Schüler wahrscheinlich bereits mithilfe eines Animationsfilms darüber aufgeklärt worden, dass Raben sehr intelligente Tiere sind und Walnüsse gerne aus hoher Höhe auf die Straße fallen lassen, um sie zu öffnen. Doch erst aus nächster Nähe erkennt der Betrachter den Zusammenhang zwischen diesem Erklärfilm und dem zuvor gezeigten über das Aussterben der Dinosaurier. Es darf bezweifelt werden, dass Carglass auch Walnussschläge bezahlt.
Weil es zu aufwändig wäre, in der ganzen Stadt Warnschilder für Erosionen aufzustellen, gilt im Herbst die Faustregel: Sei auf der Hut und trage stet seinen Helm!
Platz 2: Linke Klinken
Wer sich schon immer einmal gefragt hat, woher die Fachschaft Biologie ihr Skelett hat, sollte dem Zimmer der Deutschvorbereitung einmal einen Besuch abstatten. Es wird gemunkelt, dass dieses Skelett die letzten Überreste eines ehemaligen, längst vergessenen Freiwilligen darstellen, der in diesem Zimmer lange Zeit unbemerkt eingeschlossen war. Zwar soll es auch in niederbayerischen Gefilden schon vorgekommen sein, dass sich ein Mensch in einem Büro eingeschlossen hat und anschließend mithilfe einer Leiter und eines Schlüssels für das Fenster, welcher unter der Türe hindurchgeschoben wurde, gerettet wurde. Und es soll auch vorgekommen sein, dass sich dieselbe Person im selben Haus Jahre später in einem WC eingesperrt hat (Anm. der Red.: Die anonyme Person ist nicht die Hauptautorin des Blogs www.verena-testet.blogspot.com). Doch war die Ursache hierfür stets Selbstverschulden. Anders im Raum der Deutschvorbereitung: Hier ist es nicht selten der Fall, dass man beim Öffnungsprozess eine Türklinke in der Hand hält, ohne dazugehörige Türe. Es empfiehlt sich daher, stets ein Handy mit sich zu führen.
Platz 1: Wasserkocher
Bereits am zweiten Platz kann man erkennen, dass die Deutschvorbereitung nicht der sicherste Ort der Stadt ist. Sie lockt zwar mit allerlei Materialien, hin und wieder auch mit Gebäck, das die Kollegen einem fürsorglich mitgenommen haben und nicht zuletzt mit dem Lebenselixier kawa, zu Deutsch: Kaffee. Doch UWAGA! Achtung! Wer sich einen Kaffee machen möchte, muss zuerst Wasser holen und dann den Wasserkocher einschalten. Dass der Knopf zum Einschalten sofort wieder zurückspringt, ist dabei wohl eine vom Hersteller gewollte Warnung vor dem Gerät. Nach langem Drücken rastet dann der Knopf ein, und der unbescholtene Freiwillige geht dazu über, die nächste Stunde vorzubereiten und die Tafel zu wischen. Doch die Ruhe täuscht! Bei der Rückkehr offenbart sich ein trauriger Anblick. Der vulkanischen Aktivität des Wasserskochers sind zahlreiche Materialien zum Opfer gefallen. Glück hat der Freiwillige , wenn die Lehrkräfte lachend kommentieren: „Das wollten wir sowieso schon lange wegwerfen“.
Dear Mr. US-Außenminister…
Da sitzt man nichtsahnend in seinem Polnischkurs, schaut aus dem Fenster und wen sieht man 2-3 Meter entfernt vorbeigehen? John Kerry, best friend und US-Außenminister! Hätte sich ruhig mal davor melden können, dann hätte ich wenigstens ein gemeinsames Foto schießen können! Am besten mit meiner tollen „Diplomatengepäck“-Tasche aus dem Auswärtigen Amt. Hätte ruhig anrufen können, meine Nummer hätte die US-Regierung ja gehabt…
Im Protokoll steht dieser kurze Spaziergang nicht. Kerry macht Zwischenstopp in Warschau, zuvor war er in Ägypten und Saudi-Arabien, morgen geht es weiter nach Israel. Polen ist somit das einzige europäische Land, das Kerry auf seiner Reise besucht. Die Frage, weshalb nur Polen wurde die letzten Tage viel diskutiert.
Unser dyrektor meinte, Polen stünde – anders als die meisten europäischen Länder – der USA in Sachen NSA-Affäre neutral gegenüber. Das habe einen geschichtlich-mythologischen Hintergrund. Mit allen großen europäischen Nachbarn habe man Probleme gehabt, jeder habe versucht, sich Polen einzuverleiben. Nun orientiere man sich lieber an den Sternen der amerikanischen Flagge.
Zieht man aus der Menge der Autos und des Sicherheitspersonals vor dem Königsschloss Schlüsse, hat Kerry nach seinem Spaziergang eben jenes besichtigt. Ich sags ja, wenn er mich nur angerufen hätte, ich hätte ihn durchs Schloss führen können. Es ist eine wirklich beeindruckende Rekonstruktion des Königsschlosses, das im zweiten Weltkrieg von Nazideutschland zerstört wurde. Vor allem bei den Ausstellungsgegenständen und den detailgetreu gezeichneten Bildern über Warschau kann man nur schwer herausfinden, ob sie Originale sind. Aber für eine Führung ist die deutsch-amerikanische Freundschaft zwischen Kerry und mir dann wohl doch ein wenig zu einseitig… Er kann übrigens von Glück reden, dass er im November das Schloss besucht. Nun haben nämlich vier polnische Schlösser kostenlosen Eintritt. Am Eintrittsgeld wäre nämlich kürzlich fast Warschaus Oberbürgermeisterin Hanna Gronkiewicz-Waltz gescheitert. Sie hatte sich geweigert 5 Zloty(ca. 1,20 €) Eintritt im Schloss Wilanów (dem einzigen der vier Schlösser, das ich noch nicht gesehen habe) zu zahlen. Bei der Bevölkerung kam das nicht wirklich gut an. Es war der Auslöser – nicht die Ursache – für ein Referendum mit dem Ziel, Hanna Gronkiewicz-Waltz abzuwählen. Letztlich ist das Referendum aber an zu geringer Beteiligung gescheitert.
Auch gestern ist der US-Außenminister aus dem Protokoll ausgebrochen und ist auf einem Friedhof in Warschau spazieren gegangen. Und auch ich bin am Wochenende ausgebrochen aus meinem Alltag, habe Kraków besichtigt und war auf dem Friedhof. Hätte Kerry mich gefragt, hätte ich ihm gesagt, dass er am 1.11. zum Friedhof gehen soll. Dann ist es dort nämlich besonders stimmungsvoll. Berichte (und vielleicht sogar Fotos) folgen 😉
Vorbereitungsseminar Projektdokumentation
Ich war zwar an dem Video nicht beteiligt, will es aber dennoch hier verbreiten, weil es gut zeigt, was wir so auf unserem Vorbereitungsseminar -unter anderem! -gemacht haben und was so die Idee hinter kulturweit ist.
„Welche Spiele spielst du am liebsten? Sammelst Du Schmetterlinge?“
„Hallo, ich heiße Stefan Polen…“
So oder so ähnlich hörte es sich beim Vorbereitungsseminar an, wenn sich zwei bisher noch nicht bekannte Freiwillige trafen. Man fragte nach dem Vornamen, und statt dem Nachnamen nach dem Einsatzland. Und ehe man sich versah, ersetzte das Einsatzland bei manchen den Vornamen auch noch.
„Die großen Leute haben eine Vorliebe für Zahlen. Wenn ihr ihnen von einem neuen Freund erzählt, befragen sie euch nie über das Wesentliche. […] Sie fragen euch: wie alt ist er? Wie viele Brüder hat er? […]“ (aus: Antoine de Saint Exupéry: Der Kleine Prinz)
Ich muss zugeben, ich habe selbst am letzten Tag noch die Fragen großer Leute gestellt und nach Name, Einsatzland, Dauer gefragt. Doch schon die Frage, ob man in da jeweilige Einsatzland wollte oder nicht, brachte bei manchem die interessantesten Geschichten hervor.
Besonders am Anfang war es spannend. Keiner kennt jemanden und jeder quatscht so einfach jeden an. Ob im Bus, im Kino, beim Essen holen oder am Essenstisch. Das Ergebnis war eine ziemlich offene und freudige Atmosphäre. Und so mancher schrieb jetzt nach dem Seminar: „Und plötzlich hatte ich 234 neue Freunde auf der ganzen Welt…“ (Ich habe dies erstmals bei Clemens ( bratwurstsalat.wordpress.com ) gesehen). Sooo viele weltoffene, reflektierte und engagiere Menschen habe ich zuvor noch nie auf einmal gesehen. Und zu jedem Gesicht gibt’s eine andere tolle Story.
… ich komme aus Bayern…
Neben der Frage, wohin man geht, gibt es noch die häufige Frage, woher man kommt. Zumindest mir wurde oft die Frage gestellt. Denn bis ich meinen Dialekt einigermaßen abgestellt habe, dauert es ein wenig. Und ehrlich gesagt mag ich diese Frage sogar. Denn das einzige, was an mit bayerisch ist, ist der Dialekt. Und so kommt man über die einzelnen Vorurteile ins Gespräch.
Auch hier in Warschau komme ich oft darauf zu sprechen, wie dies oder das in Bayern ist. Die Bundesländer sind einfach zu verschieden. Wie verschieden sie sind, nimmt man im Alltag in Deutschland gar nicht so sehr wahr. Man glaubt, als sei überall in Deutschland so. Erst aus der Außenperspektive fallen die Unterschiede auf.
… und ich helfe jetzt für sechs Monate beim Deutschunterricht mit…
Sich vorstellen – das ist auch ein wichtiges Thema hier im Deutschunterricht. Der Kleine Prinz wäre vielleicht von manchem enttäuscht – so richtig den Kern der Persönlichkeit trifft man mit dem gelernten Wortschatz nämlich (natürlich noch) nicht, schließlich lernen die Schüler erst im ersten, zweiten oder dritten Jahr Deutsch. Aber ich suche noch nach Mitteln und Wegen die Fragen des kleinen Prinzen auch zu stellen – ohne den Stoff zu vernachlässigen.
… und meine Hobbys sind…ähh…
Auch ich muss die Standard-Fragen beantworten. Eine Frage bringt mich aber immer wieder ein wenig durcheinander – die nach den Hobbys. Die wurden die letzten 15 Monate nämlich immer weniger – und jetzt gilt es nach neuen Möglichkeiten zu suchen.
Mal sehen, was ich hier so finde, ehe ich auf meinen Heimatplaneten zurückkomme.
PS: Ich bin hier nicht der erste Blog mit Zitaten von dem Kleinen Prinzen. Schaut mal hier: kulturweit.blog/kolorowy/2013/09/20/prosz%e1%b6%92-pani/
Bis(s) zu Weihnachten
Leute, ich bin im Verzug. Hier folgt jetzt ein Eintrag nach dem anderen. Nicht jeder Artikel wird jedem gefallen, aber ich will ja auch so viel verschiedenes schreiben wie möglich.
Hallo, ich bin Stefan und ich hasse Abschiede
Als ich 5 Jahre alt war oder so, haben wir mit unserer Kindergartengruppe den ortsansässigen Pfarrer verabschiedet. Ich hatte diesen Pfarrer davor wahrscheinlich noch nie gesehen und selbst wenn ich ihn schon mal gesehen hätte, er wäre für mich uninteressant gewesen. Aber dann, dann standen wir da in einer Reihe, alle mit Winke-Taschentüchern in der Hand – und der kleine Stefan begann zu heulen. Dasselbe in der 2. Klasse Grundschule: der bei den Schülern unbeliebte Direktor, den der kleine Stefan wahrscheinlich auch noch nie bewusst gesehen hat, wurde verabschiedet – und der kleine Stefan begann zu heulen.
Einmal Weihnachten und zurück
Nicht ganz so tränenreich, aber dennoch emotional gestaltete sich der Abschied von den Austauschschülerinnen beim Austausch mit unserer Partnerschule in Schio, Italien in der 9. Klasse. Wir waren dort für eine Woche im September oder Oktober und alles vor Ort hat mich irgendwie an Weihnachten erinnert. Die Maroni, die es auf einem Markt gab, der Kamin, an dem wir unsre Schuhe wärmten, dieses berühmte erste Gemälde von Christi Geburt, die Bücher im Schrank, auf denen was von Weihnachten steht, das Warten, der familiäre Zusammenhalt. Im Nachhinein gesehen, nicht viel, was mich an Weihnachten denken ließ. Aber für mich War es wie eine Woche Weihnachten und wieder zurück. Und ein halbes Jahr später würde man sich wieder sehen.
’s ist alles anders… – Abschied mit einem Gesicht* voller Zufriedenheit
Dieses Mal hat sich der Abschied dagegen gar nicht wie ein Abschied angefühlt. Ich hatte eine kleine Abschiedsfeier gegeben. Für mich war es so, als würde man sich folgende Woche gleich wieder sehen. Nach nur einem Spot geht’s weiter, sozusagen. Außerdem kann man ja viel skypen.
Verabschiedet hat man sich dieses Mal bis Weihnachten, weil ich da für ca. 2 Wochen wieder nach Hause fahre. Dann würde alles wieder genau so sein wie früher.
…’s ist alles anders!
Dass aber nicht alles genau so wie bisher werden könnte, kam mir erst auf dem Vorbereitungsseminar in Berlin in den Sinn. Thema der „Homezone“ war da der Kulturschock. Der Auslandsaufenthalt beginnt der Theorie zufolge meist mit großer Euphorie, hat zwischendurch einen Stimmungseinbruch und normalisiert sich schließlich. Ähnlich ist es, wenn man nach dem Aufenthalt wieder zu Hause ankommt. Der Kulturschock findet sein Pendant im Rückkehrerschock (oder so). Dieser Schock kann verschiedenste Ursachen haben: fehlende Aufmerksamkeit, zu große Aufmerksamkeit, zu wenige Veränderungen, zu viele Veränderungen, …
Dass neues auch Veränderung bringt, dass Veränderungen zu so einem Jahr dazu gehören könnten, musste ich in der Zwischenzeit seit der Bewerbung vergessen haben. Ganz egal, wie die Welt in 6 Monaten auch ausschauen wird, jetzt ist sicher nicht alles wie immer. Denn das jetzt mache ich ja auch deswegen, weil eben nicht alles ist wie immer.
Und so beginne ich nun, wie immer mit der für mich (und auch für Polen) typischen Verspätung, mich innerlich zu verabschieden. Sicher, vieles wird bleiben. Ohne einiges altes werde ich mich hier nicht zu Hause fühlen können. Ich will nichts überstürzen. Aber wenn ich mich nicht von einigem altem (und vor allem von meinem Perfektionismus) verabschiede, wird nichts neues Platz finden.
PS: Ich möchte mich hiermit ganz offiziell für den schlimmen Kalauer in der Überschrift entschuldigen. Soll nicht mehr vorkommen.
PPS: Falls Kalauer der falsche Ausdruck ist, möchte ich mich auch dafür entschuldigen.
———-
*Man beachte die doppelte Wortbedeutung, die ich selbstverliebtes Genie hier verwendet habe.
Warum im Vatikan ein Stück der Berliner Mauer steht und was das alles mit der Bundestagswahl zu tun hat
Leute, ich bin im Verzug. Es folgt ein Blogeintrag nach dem anderen. Dieser Eintrag enthält jedoch nur wenig über mich und meine aktuelle Situation.
Karotten-Pizza. So sieht Nachhaltigkeit bei Kulturweit aus. Wenn in Deutschland über Fleischverzicht gesprochen wird, dann meist im „Ich lass mir nichts verbieten“-Stammtisch-Ton. Anders auf dem Vorbereitungsseminar von kulturweit. Dazu in einem der nächsten Blogeinträge mehr.
Polen – deine Geschichte
Mit Fleisch – besser gesagt der Erhöhung der Preise für Fleisch – beginnt auch das wohl einschneidendste Ereignis jüngerer polnischer Geschichte: Viele Streiks in ganz Polen waren die Folge der Preiserhöhung vor 33 Jahren, zwischenzeitlich gab es deswegen Engpässe in der Lebensmittelversorgung. Die Fleischpreise waren natürlich nicht der einzige Grund für einen Aufstand diesen Ausmaßes. Das Streikkomitee unter Führung von Lech Walesa formulierte 21 Forderungen, z.B. Mehr Kitaplätze! Freilassung politischer Gefangener! Höhere Löhne! Herabsetzung des Rentenalters! Anerkennung von Gewerkschaften! Redefreiheit! Mehr Transparenz! Was klingt wie die in Deutschland derzeit allgegenwärtigen Wahlversprechen, ist jetzt schon über 33 Jahre alt. Die kommunistische Regierung Polens hat schließlich den 21 Forderungen der Solidarnosz nachgegeben. Das Danziger Abkommen leutete letztlich das Ende des Kommunismus ein – auch wenn oder gerade weil die Polnische Regierung die Situation anders einschätzte. Es startete ein bemerkenswerter Wandel.
Polen – dein Papst
In seinen Memoiren schrieb Michael Gorbatschow, dass die Geschehnisse in Osteuropa ohne Johannes Paul II. nicht möglich gewesen wären. Der Papst aus Krakau ermutigte seine Landsleute, bat die polnischen Bischöfe um Unterstützung für die Sozialbewegungen, sorgte für millionenschwere Unterstützung für die Solidarnosz und empfing zahlreiche Mitglieder der Vereinigung. Bei seiner zweiten Polenreise forderte er die Umsetzung der Sozialreformen und traf Lech Walesa, der quasi unter Hausarrest stand. Bei seiner dritten Polenreise kritisierte er außerdem das Verbot der Solidarnosz.
Nicht jedem passte der Einfluss des Papstes. Und so wird hinter dem Attentäter, der den Anschlag auf den Papst auf dem Petersplatz verübt hat, der bulgarische Geheimdienst oder der KGB vermutet.
1989 wurde die Solidarnosz wieder zugelassen, die Streiks beendet und dafür ein runder Tisch gebildet, der Polen eine neue Richtung geben sollte. Gemeinsam mit Glasnost und Perestroika hat die Solidarnosz zur Wende in Polen und gewissermaßen zum Fall des Eisernen Vorhangs beigetragen. Als Dank hierfür schenkte die Stadt Berlin Papst Johannes Paul II. ein Stück der Berliner Mauer. Noch heute werden viele Straßen, Plätze und Einrichtungen Polens nach Papst Johannes Paul II. benannt. So auch meine Einsatzschule. Es wurde ein Relief des Papstes und eine Plakette angebracht, auf der steht: „Wirklich groß ist der derjenige, der etwas wissen will“. Und nicht nur eine Plakette des Papstes ziert die Schule. In quasi jedem Klassenzimmer hängen Bilder und Zitate des Papstes aus Polen. Ich habe den Eindruck, dass die Handlungen der Päpste hier weniger kritisch beäugt werden als in Deutschland. Während in Deutschland Papst Benedikt z.B. für zu geringe Reaktion in der Missbrauchsaffäre kritisiert wurde, sieht beispielsweise eine Lehrerin meiner Schule das ganz entspannt. Was hätte er auch machen sollen?
Polen – deine Zukunft
Vergangenen Sonntag gab es große Proteste in Warschau. Aus ganz Polen sollen die Menschen gekommen sein, u.a. für höhere Löhne. Ich habe davon nichts mitbekommen. Dafür wohne ich zu weit vom Zentrum entfernt. Eine Lehrerin zeigte sich aber enttäuscht, dass sich trotz der Menschenmenge niemand aus dem Parlament für die protestierenden interessiert hat. Eine Kollegin wünscht sich einen neuen Fürsprecher für das Volk, einen wie Papst Johannes Paul II.
Hallo, mein Name ist Stefan und ich habe gewählt
In Deutschland wird am nächsten Sonntag gewählt. Ich musste, um sicher zu gehen, dass meine Stimmen – mit den Wahlen letzten Sonntag in Bayern ganze 11 Stück – ankommen, schon Ende August wählen. Und es funktionierte erstaunlich unkompliziert und unbürokratisch. Am Sonntag ist dann der Tag der Wahrheit – und ich werde alles auf der Wahlparty der Deutschen Botschaft in Warschau mitverfolgen.
Cześć!
Hallo, ich bin Stefan und ich blogge über 6 Monate Warschau
Heute fang ich an zu bloggen! Heute ist der richtige Tag dafür!
Wie oft habe ich mir das nun schon vorgenommen? Bloggen wollte ich über meinen Auslandsaufenthalt schon, seitdem ich vom „kulturweit“-Blog weiß. Es war unglaublich motivierend für die Bewerbung bei „kulturweit“ all die verschiedenen Erlebnisse anderer Freiwilliger zu lesen. Und jetzt, wo ich alles für meine 6 Monate in Warschau, Polen plane, sind die Blogs der Vorjahre durchaus hilfreich.
Ja, richtig gelesen, Warschau. Die Reaktionen auf „Warschau“ waren bisher:
- „Aha. Ist ja interessant. Und ungewöhnlich“
- „Warschau!?!? Wie kommst’n du zu Warschau? Das wäre ja nichts für mich…“
- Polenwitze. Einer vorhersehbarer als der andere.
Für mich war das ganze weniger eine Entscheidung für „Warschau“ als für „kulturweit“. Eine Freundin war letztes Jahr mit „Kulturweit“ in Brno, Tschechien und war in jeder Hinsicht vollends begeistert davon. Mit diesem Programm konnte ich mir aber nicht vollkommen aussuchen, wohin ich komme. Man kann jedoch Regionen ausschließen oder als „favorisiert“ angeben. Mit jeder ausgeschlossenen Region sinkt aber die Wahrscheinlichkeit, genommen zu werden. Ich hätte ohne „kulturweit“ wahrscheinlich nach einem Projekt in Afrika gesucht. Doch mit der Bewerbung beginnt man darüber nachzudenken, dass ein nicht ganz so „krasser“ Schritt wie nach Afrika auch ganz in Ordnung ist. Und man denkt darüber nach, dass ein Verständnis von Europas Geschichte und Zukunft sehr interessant und wichtig ist. Welche Stadt könnte hierfür besser geeignet sein als Warschau? Warschau, das mit dem Slogan „See the past – Meet the future“ für sich wirbt.
Letzten Endes ist es vor allem die Tätigkeit, die für mich entscheidend war. Ich werde beim Deutschunterricht von 13- bis 16-Jährigen mitwirken. Wie das aussehen wird – keine Ahnung! Aber in meinem Kopf schwirren schon viele Ideen herum. Ich bin der erste Freiwillige meiner Schule und für alle Beteiligten ist die Situation etwas neues. Und gerade darauf freue ich mich: Auf das sich überraschen lassen und gleichzeitig vieles mitgestalten können! „Polen überrascht“. Noch so ein Werbeslogan, den Polen wirklich nutzt.
Meinen ersten Blogeintrag wollte ich schon absetzen an dem Tag, an dem ich die Einladung zum kulturweit-Blog bekommen habe. Oder an dem Tag, an dem bekannt wurde, dass Papst Johannes Paul der II. heilig gesprochen wird. Er wird bereits jetzt in Polen wie ein Heiliger verehrt, meine Einsatzschule ist nach ihm benannt und eine andere Freiwillige meinte, eine Stadt ohne “ Johannes Paul II.“-Allee sei keine polnische Stadt. Welch interessante Tage das doch werden könnten, wenn die Heiligsprechung in mein FSJ fallen würde!
Meinen ersten Blogeintrag wollte ich auch schon absetzen an dem Tag, an dem ich mich zum ersten Mal von einer Freundin verabschieden musste, die ich erst im März wieder sehe. Es ist ein komisches Gefühl, sich zu verabschieden. Es fühlt sich an, als würde man sich in 3 Tagen wieder sehen. Und doch weiß man, es sind 7 Monate. Mittlerweile ist sie in Toronto angekommen und lernt viele neue Leute kennen. Und ich freu mich umso mehr auf meine Abreise.
Ich setze meinen ersten Blogeintrag heute, genau 7 Monate vor meiner Rückkehr ab. Gestern habe ich meinen Freiwilligenausweis bekommen. Heute vor 69 Jahren begann die polnische Armia Krajowa mit dem Warschauer Aufstand, dem Versuch sich aus eigener Kraft vom Terror der deutschen Besatzer zu befreien. Die Bewohner Warschaus erinnerten heute, wie jedes Jahr, an diesen Aufstand, indem sie für eine Minute stehen blieben. Im Folgenden 2 wie ich finde, sehr bewegende Videos dazu: