5:30 Uhr. Mein Wecker klingelt. Noch fünf Minuten, nur noch fünf glückselige Minuten Schlaf. Ich drücke die Snooze-Taste. Viel zu schnell ist auch diese letzte Schonfrist um. Es heißt aufstehen, fertig machen und ab zum Volunteer Meeting. Denn um 7:00 Uhr warten unsere Kids schon beim Frühstück auf uns.
Ich bin in Vaddukoddai, 10km außerhalb Jaffnas. Zusammen mit etwa 100 Volunteers, 450 Schülern und 70 Lehrern und Eltern aus ganz Sri Lanka. So eine gemischte Gruppe von Menschen aus allen Distrikten Sri Lankas hat es in Jaffna und Umgebung seit mehr als 30 Jahren nicht – vielleicht sogar noch nie – gegeben. Als wir am Montagmorgen ankahmen, war es hier noch ruhig, ein wenig verlassen und sehr idyllisch. Etwas mehr als 24 Stunden später ist es laut, wuselt von Menschen und fängt an sich mit Leben zu füllen. Die Idylle bleibt. Die Schüler sind da. Manche von ihnen nach über 14 Stunden Fahrt. Andere aus der direkten Umgebung nach nur einer halben.
Jeder bekommt ein Team zugeteilt. Mit diesem Team werden sie die nächsten Tage fast jede Minute zusammen verbringen. Die Teams sind so gemischt wie möglich, was auch sogleich für Schwierigkeiten sorgt. Die Kommunikation untereinander gestaltet sich schwierig. Die einen sprechen nur Singhalesisch, die anderen nur Tamilisch. Nur etwa ein Drittel unserer 20 Kids können sich auf Englisch verständigen. Wir haben Glück, denn mit Ghanesh aus Nuwara Eliya haben wir einen Schüler dabei, der alle drei Sprachen fließend spricht und uns oft als Übersetzer dienen wird.
Am ersten Tag herrscht noch eine gewisse Reserviertheit untereinander. Besonders die Mädchen aus dem Norden werden nur langsam mit der Gruppe warm. Mir gegenüber bleiben zwei von ihnen bis zum Schluss sehr reserviert, ja fast skeptisch. Aber zumindest untereinander werden sie über die nächsten Tage hinweg ein wenig ihre Schüchternheit und Berührungsängste überwinden. Und darum geht es ja schließlich. Zu erleben, dass die „anderen“ auch nur Menschen sind, so wie du und ich. Und noch dazu nette Menschen, mit denen man Spaß haben, reden, Spiele spielen, Sport machen, tanzen und lachen kann.
Die Tage sind dank eines sehr ambitionierten Programms von 6:00 Uhr morgens bis 23:00 Uhr abends vollgepackt. Es gibt Vorträge von führenden sri lankischen Köpfen aus den verschiedensten Bereichen der Zivilgesellschaft. Außerdem gibt es täglich mehrere Wettbewerbe, bei denen die Teams Punkte sammeln können. Wie es bei solchen Veranstaltungen – besonders in Sri Lanka – so ist, wird fast jeder Programmpunkt überzogen. Für tiefergehende Gespröche bleibt kaum Zeit und manche der Aktivitäten finden unter großem Zeitdruck statt. Das heißt für uns Volunteers: improvisieren, improvisieren, improvisieren. Eine Herausforderung, vor allem nach Nächten mit nur vier Stunden Schlaf. Ich stoße an meine Grenzen – Geduld, Energie, Müdigkeit. Nicht mit den Kids, nein. Sondern mit der Organisation, dem Programm, meinem deutschen Bedürfnis nach Pünktlichkeit, vorrausschauender Planung und geregelten Abläufen.
Aber dann gibt es auch immer wieder diese einzigartig schönen Momenten. Sie lassen meine Grenzen für eine Weile in den Hintergrund treten. Ermöglichen es mir, manche zu überwinden oder gar zu vergessen. In zwei Nächten kommen wir erst nach 1:00 Uhr morgens ins Bett. Die Kids wollen einfach nicht aufhören zu tanzen, und die Performer des abendlichen Entertainmentprogramms haben anscheinend genauso viel Spaß wie sie. Es macht solch einen Spaß, mit den Kids zu tanzen oder ihnen ab und zu einfach zuzusehen, wie sie zusammen Spaß haben. Ein bisschen Schlaf ab und zu wäre allerdings auch nett…
Meine Kilinochchi Kingsmen werden am Ende nicht siegen, aber Gewinner sind sie allesamt trotzdem. Auch ich habe unendlich viel gewonnen. Den Preis des Schlafmangels und einiger verlorener Nerven war es allemal wert. Ich bin dankbar für diese Woche im wunderschönen nirgendwo mit einer Generation von Sri Lankern, die mir Hoffnung macht, mich inspiriert und mir zeigt, dass ich genau das Richtige studiert habe und gerade genau am richtigen Ort bin. Dank des SLU-Teams, Budds, Yapa, Niki und Sabina (meine fantastischen Teammates) und natürlich dank meiner Kilinochchi Kings(wo)men gehören diese Tage unter der gleißenden Sonne Jaffnas zu meinen allerbesten in diesem leuchtend schönen Land!
PS: Es sind bereits mehr als zwei Wochen vergangen, seit ich nach neun Stunden Busfahrt über Nacht zurück nach Colombo gekommen bin. Es fühlt sich an, als wäre es gestern gewesen. Ich habe die Zeit gebraucht, um meine Eindrücke zu sortieren und eine Woche, die sich nicht in Worte fassen lässt in einen überschaubaren Blogartikel zu verpacken… Bilder folgen sobald wie möglich und ab jetzt habe ich (hoffentlich) auch wieder mehr Zeit, um regelmäßiger zu berichten.
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