1. Kapitel. Von Trincomalee nach Jaffna
Die Fahrt von Trinco nach Jaffna lässt sich kaum in Worte fassen. Wunderschöne und vielfaltige Landschaften, die mich teils an Australien und in ein, zwei Gegenden sogar an Deutschland erinnern, dann wieder wüstenähnliche Verhältnisse, wie ich sie selbst noch nie erlebt habe. Zwischendrin immer wieder kleine und größere Siedlungen. Wir kommen an vielen neu gebauten kleinen Häusern vorbei – manche schon bewohnt und andere noch im Bau begriffen. Hier sollen die Menschen, die der Krieg so brutal vertrieben hatte zu einem normalen Leben zurückfinden. Doch wovon sollen sie leben, sich ernähren? Wo sollen sie Arbeit finden, hier, in der Mitte vom Nirgendwo? Fragen, die unbeantwortet bleiben.
Wir halten in Vavuniya und essen Mittag in einem kleinen vegetarischen Restaurant mit sehr leckeren Curries und einer heiß ersehnten Toilette. Dann geht es auf Richtung Norden. Endlich. Und wieder erwartet uns ein ganz anderes Sri Lanka. Ein vom Krieg gezeichnetes, noch trockeneres Land.
Immer wieder fahren wir an Häusern mit Einschusslöchern vorbei. Die Straße wird gerade auf Hochtouren erneuert und hat es auch bitter nötig, wie man deutlich merkt, wen man sich auf den noch langen unfertigen Streckenabschnitten befindet.
Noch immer gibt es zwei Militärcheckpoints auf dem Weg nach Jaffna: einer kurz nach Vavuniya und ein zweiter am Elephant Pass, zwischen Kilinochchi und Jaffna. Unser Auto und unsere beiden Pässe werden registriert – wenigstens unsere einheimischen Kollegen können so passieren. Auf dem Rückweg mit dem Bus müssen wir aussteigen und selber durch die Checkpoints laufen. Ein bisschen, als würden wir in ein anderes Land reisen.
Man merkt dir Routine, die Checkpoints sind zur Normalität geworden. Sie symbolisieren für mich die andauernde Kontrolle durch das Militär im Norden und Osten Sri Lankas. Sie und die Militärcamps, an denen man wirklich alle paar Kilometer vorbeifährt. Stellt euch vor auf der Strecke von Hamburg nach Flensburg (Vavuniya – Jaffna) würdet ihr an mindestens 40 Militärcamps vorbeifahren. Wir haben auf der Rückfahrt tatsächlich gezählt – und es handelt sich dabei nur um die Camps, die wir vom Bus aus sehen konnten.
2. Kapitel. In Jaffna
In Jaffna angekommen geht es erst einmal in unser Guesthouse. Sarras Guesthouse ist… special. Ja, das auf jeden Fall. Der Besitzer ist ein wenig (oder auch ein wenig mehr) exzentrisch. Aber das Zimmer ist sauber, bietet uns sogar eine Auswahl an Betten und den exklusiven Blick in das Wohnzimmer unter uns durch die Lücken zwischen den Dielen. Auf der Suche nach etwas zum Abendessen, stellen wir dann für uns selbst fest, was die Reiseführer in der Regel auch über Jaffna sagen: es ist bei weitem noch nicht so auf Touristen vorbereitet bzw. ausgerichtet wie die meisten anderen Orte in Sri Lanka. Was nicht unbedingt schlecht ist, da es sich deshalb irgendwie auch „normaler“ anfühlt.
Durch einen glücklichen Zufall spricht uns ein Mann an, der sich als UN Mitarbeiter entpuppt. Er gibt uns einen Tipp und so landen wir dann am Ende im Cosy Restaurant und können ein super leckeres indisches Essen genießen. Und da wir gute Dinge zu schätzen wissen, werden wir am Montag sogar noch ein zweites Mal hierher kommen – diesmal für Poori Kuruma, Paneer Kulcha und Channa Masala – sehr empfehlenswert!
Am Montagvormittag haben wir die tolle Gelegenheit, bei einem Training of Trainers (ToT) des Performance Improvement Projects der GIZ dabei sein zu dürfen. Ich habe in Sri Lanka noch nie so lebendige Diskussionen miterlebt. Leider findet das meiste auf Tamilisch statt, aber wir bekommen zumindest die Kernpunkte mit. Es geht um Frauen in (lokalen) Behörden und Regierungen, warum es nur so wenige von ihnen gibt ( im Schnitt <2%) und wie man diese Situation verändern kann. Da auch in diesem ToT der Großteil der Trainer/Teilnehmer Männer sind, ist es besonders erfreulich zu sehen, wie sie sich für das Thema interessieren und einsetzen.
Am Nachmittag nimmt uns ein Fahrer mit auf eine Tour durch Jaffna und die Umgebung. Wir fahren über den Deich hinaus auf die Inseln und es eröffnet sich uns wieder einmal ein neues Sri Lanka – und ein traumhaft schönes noch dazu. Die Weite, die Natürlichkeit, trotz oder gerade wegen der allgegenwärtigen Trockenheit ist es hier so schön. Ich werde wiederkommen, die Inseln mit dem Fahrrad erkunden und mit der Fähre nach Delft fahren – irgendwann auf jeden Fall! Vielleicht habe ich ja schon im August die Möglichkeit, wenn ich für die Future Leaders Conference von Sri Lanka Unites wieder nach Jaffna komme.
3. Kapitel. Persönliche Eindrücke
Hier oben im Norden und im Osten ist mir Sri Lanka ein großes Stück weiter ans Herz gewachsen und gleichzeitig habe ich mit meinen eigenen Augen und Ohren gesehen und gehört, wie viel in diesem Land noch oder wieder schief läuft – symbolisiert durch neue Buddha-Statuen neben alten Hindutempeln, Militärcamps und -checkpoints, Militär und Polizei, die nur Singhalesisch sprechen, Menschen, die kaum ein Wort Englisch verstehen, kleinen dicht gebauten neuen Häusern mitten im Nirgendwo…
Immer wieder muss ich mich selbst daran erinnern, dass der Krieg ja erst vor drei Jahren beendet wurde. Und das durch einen militärischen Sieg der sri ländlichen Armee gegen die Tamil Tigers. Wie sah es in Deutschland 1948 aus? Aufgeteilt in vier Besatzungszonen, überall die Alliierten und ihre Truppen, viele Gebäude noch zerstört durch den Krieg. Kann man von Sri Lanka Wunder erwarten? Eine schnelle Aufarbeitung der Kriegsverbrechen, die Rückkehr zur „Normalität“ in den früheren Kriegsgebieten, nationale Aussöhnung/Reconciliation, die Gleichbehandlung der Tamilen…? Vielleicht nicht. Wahrscheinlich nicht. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Und Träumen ist ja auch immer noch erlaubt, nicht wahr? Auf jeden Fall wünsche ich den Menschen hier im Norden, dass sich die Situation nicht nur langsam, sondern schnell und bald verbessert. Neue Straßen sind das eine, aber ohne Recht und Ordnung, Arbeitsplätze und solide Existenzgrundlagen, gute politische Repräsentanz etc. kann auch die neue Infrastruktur nicht auf Dauer Ruhe und Frieden bringen.
Nach dieser Reise kann ich auf jeden Fall einmal wieder einen der Stereotypen aus meinem allerersten Artikel auf diesem Blog bestätigen: die Menschen hier schenken einem wunderschöne Lächeln und sind sehr herzlich und hilfsbereit – hier im Norden bei weitem noch mehr als in Colombo. Ein Trip in den Norden lohnt sich auf jeden Fall für jeden, der sich wirklich für Sri Lanka mit all seinen Facetten interessiert.
PS: Ich sitze am Mittwoch im Zug von Vavuniya nach Colombo – auf dem Weg zurück in meinen Alltag, der irgendwie genauso wie vor dieser Reise sein wird. Aber irgendwie auch ganz anders. Das, was ich gesehen, gehört und erlebt habe hat mich nicht nur inspiriert, sondern auch motiviert, alle mir offen stehenden Möglichkeiten, mich für ein friedliches und sozial gerechtes Sri Lanka stark zu machen und einzusetzen. Wie das? mögt ihr jetzt vielleicht fragen. Ja, ich bin nur eine „kleine“ Freiwillige, aber unsere Nationalkommission arbeitet genau in den Bereichen, die ich gerade als so wichtig empfinde: Bildung für Frieden und nachhaltige Entwicklung, Stärkung von Journalisten, Lehreraus- und -fortbildung… Da gibt es auch für mich als Freiwillige einiges an Möglichkeiten, etwas wertvolles beizutragen. Mal sehen… Und Fotos folgen auch bald, versprochen.