Ich spüre deine Augen. Auf mich gerichtet, unbeirrt, mit tausend Fragen im Blick. Der Schweiß rinnt mir die Stirn herunter, den Rücken entlang, selbst meine Arme scheinen zu schwitzen. Eng gepackt stehen wir, uns irgendwie an Stangen, manchmal auch an einander, festhaltend. Wie Vieh. Um herein und heraus zu kommen drängen wir uns aneinander vorbei – ja quetschen uns durch einander hindurch. Irgendwann der Ruf „Salli!“ – „Geld!“. Der Schaffner drängt und quetscht sich durch uns hindurch, um den Fahrpreis einzutreiben. Als wenn man ihm entkommen könnte. Als ob man das wollte. Bei einem Fahrpreis zwischen 10 und 30 Rupien. Zwischen 6 und 18 Cent. Ich entkomme ihm bestimmt nie. Denn auch seine Augen sind auf mich gerichtet, mit der Frage: „Was tust du hier? Warum sitzt du nicht im klimatisierten Auto und lässt dich von einem Fahrer zur Arbeit kutschieren? Oder fährst zumindest mit einem Tuk Tuk?“
Das ich – als Ausländerin, als Weiße – nicht viel Geld zur Verfügung habe und mir es nicht leisten kann, täglich 800 Rupien (= 5€) für den Weg von und zur Arbeit auszugeben ist für die meisten Sri Lanker nur schwer nachzuvollziehen. Selbst meine Kollegen hatten am Anfang zum Teil Schwierigkeiten, zu verstehen, dass ich als Freiwillige nicht das durchschnittliche „Ausländer-Leben“ führen kann und auch nicht unbedingt will. Der Großteil der Ausländer, die hier leben und arbeiten gehören durchweg der besser verdienenden Bevölkerungsschicht an. Manche zeigen dies auch gerne – allerdings sind sie meines Empfindens nach in der absoluten Minderheit. Sie fallen nur leider stärker auf, was zu Stereotypen und Erwartungshaltungen beiträgt, die in vielen Fällen nicht der Wahrheit entsprechen. Es gibt auch sehr viele Ausländer, die für unsere westlichen Verhältnisse einfach ganz normal leben. Kann man ihnen das vorwerfen? Ich finde nicht. Warum sollten sie auf den Lebensstandard verzichten, den sie gewohnt sind, vor allem wenn sie gut verdienen?
Aber zurück zu meiner Busfahrt. Zurück zu den Augen, die an mir haften bleiben. Scheinbar festgehalten, unabwendbar. Die meisten Menschen auf der Straße, im Ministerium oder im Supermarkt nehmen inzwischen kaum mehr Notiz von mir. Woran es liegt? Ich weiß es nicht, aber es ist schön. Im Bus jedoch, da falle ich immer noch auf. Zugegeben, bisher war ich tatsächlich jedes Mal die einzige weiße Ausländerin im Bus. Ich kenne nur sehr wenige andere Expats, die von ihren Busfahrerfahrungen erzählen können. Und ich kenne inzwischen auch nicht wenige Sri Lanker, die noch nie mit dem Bus gefahren sind. Wenn man es nicht muss, tut man es hier nicht. Anders als in Deutschland, wo sich immer mehr aus eigenem Antrieb für die klimafreundlicheren öffentlichen Verkehrsmittel entscheiden – obwohl sie sich oft auch ein Auto leisten könnten. Ich muss aber. Und das heißt wohl auch, sich an die Blicke gewöhnen. An das Gedrängel, die Hitze, das Verlangen nach einer zweiten Dusche bevor die Arbeit auch nur begonnen hat. Ich bin zuversichtlich, wenn auch noch nicht restlos begeistert von meinem neuen täglichen Verkehrsmittel. Gewöhnen kann man sich doch an alles. Oder?!
Fotos folgen bei Gelegenheit mal…