Sri Lanka – das ist »Asien light«. Oder vielleicht sollte ich besser sagen: Colombo ist »Asien light«. Aber auch dieses »einfache«, »leichte« Asien ist so anders als all das, was ich gewohnt bin. Irgendeine Art von »Kulturschock« war vorprogrammiert, gewollt und erwartet. Eigentlich mag ich das Wort »Kulturschock« nicht sehr gerne, denn es verallgemeinert. Jeder »Kulturschock« ist anders und eine Differenzierung fände ich angemessen. Aber das können gern andere an anderer Stelle diskutieren…
Die ersten Wochen habe ich mir dieses fremde und faszinierende Land angeguckt. Habe beobachtet, in mich aufgesogen, oftmals einfach nur zugehört und selten hinterfragt. Ich finde, dass es wichtig ist, neue Dinge und Umgebungen erst einmal auf sich wirken zu lassen, bevor man anfängt, alles in die altbekannten Schubladen zu packen und sich Meinungen zu bilden. Gib allem und jedem eine Chance. Probier, hör zu, beobachte. Und das habe ich getan. Tue es auch weiterhin. Und es ist gut so.
Doch langsam geht die Zeit zu Ende, in der ich einfach nur beobachten und stillschweigend zuhören kann und möchte. Es gibt Dinge, zu denen ich eine Meinung hatte, bevor ich hierher kam. Und es gibt Dinge, zu denen sich in mir inzwischen Meinungen gebildet haben. Es gibt Dinge, die finde ich gut. Andere sind mir egal. Und wieder andere finde ich schlimm oder gar schrecklich.
Ich werde nie aufhören, zu beobachten und zuzuhören. Ich werde immer versuchen, neuen Personen und Dingen hier offen und unvoreingenommen zu begegnen. Aber meine Schonfrist für die Betrachtung der Personen und Dinge, die inzwischen zu meinem Alltag gehören, ist vorbei. Ich bin wieder in einer Phase der Umstellung – muss lernen, mit meinen Meinungen umzugehen. Wann sage ich etwas und wann halte ich besser den Mund? In diesem Land und in der Position, in der ich arbeite, hält man manchmal (oder auch öfter) besser den Mund. Außer man spricht mit jemandem, den man gut kennt und einschätzen kann. Das ist zumindest mein Eindruck. Aus persönlichen Gesprächen mit Sri Lankern wie mit Expats weiß ich allerdings, dass ich mit diesem Eindruck, diesem Gefühl, nicht ganz alleine bin.
Hierin liegt wohl ein großer Teil meines Kulturschocks begründet. Die eingeschränkte persönliche Freiheit, besonders was das Äußern von Meinungen und Gedanken betrifft. Einschränkungen, was die Sicherheit betrifft. Das manchmal so überraschend große Misstrauen, vor allem von Sri Lankern gegenüber Landsleuten, die sie nicht persönlich oder durch Kontakte kennen.
Dieses Land wäre wirklich ein Festmahl für die Erforschung sozialer Netzwerke und von Vertrauen in der Gesellschaft… Bisher ist mir auch nicht nur im Geringsten etwas passiert. Aber während meiner Wohnungssuche ist mir immer wieder vor Augen geführt worden, wie wichtig das Thema Sicherheit hier ist. Dass man als Expat auffällt und ein attraktives Ziel für Diebe und andere Verbrechen darstellt. Dass dies hier tatsächlich tagtäglich irgendwo passiert.
All dies muss ich lernen einzuschätzen. Und das werde ich auch. Aber so etwas braucht Zeit. Ich nehme mir diese Zeit, teste vorsichtig Grenzen aus, lerne Schritt für Schritt für mich selbst, mit der Situation umzugehen. Vieles davon muss ich erst einmal mit mir selbst ausmachen. Deshalb bin ich momentan etwas stiller als sonst. Aber das wird sich auch wieder ändern. Mit Sicherheit.