Ticket in den Wohlstand?

Ein kleiner Ausschnitt aus meinem Leben als weiße, deutsche Frau in Sri Lanka. Warum ich das weiße und deutsche an mir hier betone? Lest am besten selbst.

Mein Arbeitsplatz befindet sich in dem mittelgroßen offenen Büro der NatCom und meine Kollegen sind alle Sri Lanker. Ich fühle mich wohl und komme mit meinen Kollegen insgesamt sehr gut klar. Womit ich allerdings nicht ganz so gut klar komme, ist ein Mitarbeiter des Ministeriums, der zwar in einem ganz anderen Büro und auf einem anderen Stockwerk arbeitet, es sich aber in den letzten zwei Wochen zur Angewohnheit gemacht hat, mich einmal am Tag zu besuchen – oder, wie ich es inzwischen empfinde, zu belagern.

Bereits am Anfang hatte ich ein komisches Gefühl, als er mir sofort seine Telefonnummer aufgedrängt hat – ich könne ihn jederzeit anrufen, wenn ich was unternehmen will. Und meine wollte er natürlich auch haben. Dank einer kleinen Notlüge konnte ich das allerdings umgehen… Achja, ich dachte mir ‚wahrscheinlich bist du zu paranoid und urteilst viel zu früh’ und holte mir noch ein wenig Feedback von anderen Südostasien-Erfahren(d)en. Mit der festen Absicht, Offenheit zu leben und meine Vorurteile zu überwinden, unterhielt ich mich bei seinem ersten Besuch diese Woche noch mal etwas länger mit ihm. Vielleicht wollte er ja wirklich nur nett sein, ohne Hintergedanken?

Pustekuchen. Es ging gleich mit den typischen Fragen los: Verheiratet? Kinder? Freund? Was ich gerne essen würde, damit wir mal essen gehen könnten? Und so weiter, und so fort… Keine einzige Frage zu meinen Interessen, was ich von Sri Lanka bisher gesehen habe und wo ich gerne noch hin möchte. Eigene Fragen konnte ich auch kaum unterbringen. Ich habe mein Bestes getan, ihm ehrlich zu antworten – schließlich findet er sonst irgendwann durch meine Kollegen heraus, dass ich in Wirklichkeit doch nicht verheiratet bin und ihn angelogen habe. Muss ja nicht sein. Allerdings habe ich ihm auch gleich sehr deutlich gesagt, dass ich kein Interesse habe – weder daran, mit ihm irgendetwas Essen zu gehen, noch daran, in näherer Zukunft zu heiraten. Sprich: Bitte lass mich in Ruhe und hör auf, mich als potentielles Ticket in ein „besseres“ Leben anzusehen. Nur eben nicht ganz so deutlich, denn schließlich wollte ich ihn ja auch nicht gleich kränken.

Ich klinge heute vielleicht etwas harsch. Ich finde es leider sehr schwer, in Worte zu fassen, was mich an ihm und seinem Verhalten genau stört. Ich glaube es geht dabei vor allem um ein unterschiedliches Verständnis von Privatsphäre, Nähe und Distanz, Respekt für das Wort „nein“, aber auch darum, wie er mich ansieht, ohne jemals wirklich mich anzusehen. Ich habe das Gefühl, für ihn wirklich nur die deutsche Frau zu sein, die ihm ein Leben im Wohlstand ermöglichen könnte. Das Ticket. Und dann kommen noch solche Sätze wie „Germans are good people“ hinzu. In einem anderen Kontext würde ich mich darüber freuen. Hier verstärkt es nur mein Unbehagen. Ich habe ihn beim letzten Mal nett darum gebeten, mich nicht mehr täglich zu besuchen. Sollte das nicht reichen, muss ich wohl langsam mal meine Kollegen um Hilfe bitten…

Um eines gleich klarzustellen: Die Sri Lanker, die ich bis jetzt kennengelernt habe, sind in der sehr großen Mehrheit sehr nette und hilfsbereite Menschen. Manche wollen für ihre Hilfsbereitschaft Geld oder Kontakte, aber das lässt sich mit ein wenig Erfahrung relativ gut einschätzen und umschiffen. Dass es aber auch anders geht, habe ich inzwischen ein paar wenige Male selbst erlebt und leider schon öfter in Berichten von Sri Lanka Reisenden und Expats gelesen. Die richtige Balance zwischen Vertrauen und Misstrauen den Menschen im Allgemeinen gegenüber zu finden bleibt für mich weiterhin eine Herausforderung. Bisher habe ich mich eher auf der Seite des Misstrauens bewegt. Das gestehe ich offen ein. Und ich denke, es ist langsam an der Zeit, stärker auf Vertrauen zu setzen. Wenn ich mich dann mal irre, ist es eben so. Aus Fehlern und Missgeschicken lernt man schließlich am meisten, nicht wahr?

Dies ist ein Thema, das ich persönlich nicht ganz einfach finde. Aus meiner Sicht, muss jeder für sich selbst erfahren und herausfinden, wie er oder sie in solchen Situationen reagiert und wie viel Distanz man sich gerne bewahren möchte. Es geht dabei schließlich auch darum, sich die eigene Offenheit zu bewahren und sich nicht durch einzelne Erlebnisse und Personen verschrecken und einschränken zu lassen.