Abschied von Nueva Helvecia

Mein Abschied von Uruguay begann schon am Sonntag, an welchem Silvana mir noch einmal  eine andere Seite des Landes gezeigt hat. Morgens um 6.30 Uhr nahmen wir den ersten Bus nach Montevideo, um halb zwölf in Piriápolis, einem Badeort an der Ostküste, anzukommen.

Dort ist die Landschaft viel mediterraner als im Departamento Colonia und Piriápolis erinnert eher an einen Badeort in Italien oder Spanien als  an das, was ich bisher von Uruguay kannte.

Wir verbrachten einen sehr schönen Tag, an dem ich zum ersten Mal in uruguayischen Meer badete und wir zumindest zum Fuß der höchsten Erhebung Uruguays gelangten. Den „Pan de Azúcar“ (Zuckerbrot ist doch ein malerischer Name für einen Hügel) auch noch zu besteigen, waren wir nach stundenlanger Wanderung in der Hitze nicht mehr fähig.

Am Montag folgte der Abschied von meinen AGs. Um das Thema „Weihnachten“ mit der Radio-AG abzuschließen, hatte ich mit den Kindern vor, Plätzchen zu backen. Leider musste ich feststellen, dass es unmöglich ist, bei über 30 Grad Butter-S zu produzieren.

Der Teig war einfach nur flüssig und die Küche mit riesigem Gasofen eine Hölle. Zum Glück hatte ich mit Silvana Probe gebacken und hatte deshalb noch ein paar Plätzchen übrig. So endete die weihnachtliche Backaktion mit einem Picknick mit Lebkuchen, Plätzchen und klitschnassen Schülern (sie hatten sich eine Wasserschlacht geleistet während ich mit dem Teig gekämpft habe) im Park.

Am Donnerstagabend folgte dann der finale Höhepunkt des Schuljahres am Colegio, der zufällig auf meinen letzten Abend fiel. Der „Acto del Fin del Curso“ ist der große Auftritt aller Klassen vor Eltern, Großeltern und anderen Interessierten, auf den die Kinder schon seit Wochen geübt hatten. Das Überthema war der Bicentenario, also die 200. Jährung der uruguayischen Revolution. Schon an anderen Anlässen in Nueva Helvecia hatte ich ähnliche Auftritte, bei denen die uruguayische Geschichte nachgestellt werden soll, gesehen.

Aus historischer Sicht finde ich das recht kritisch. Die „Indianer“ , die in Uruguay immerhin vollständig ausgerottet wurden, werden durch einen netten Tanz in Faschingsverkleidung und zur Musik von Pocahontas repräsentiert. Die afrostämmige Bevölkerung, die als Sklaven nach Uruguay gebracht wurde, wurde durch schwarzbemalte Dreijährige dargestellt, di in bauchfreien Kleidchen „Candombe“ tanzten, d.h. ein bisschen  auf Trommeln schlugen.

Für mich wirkte der ganze Abend zwar eher befremdlich (perfektes Styling der Kinder, Kleidung und Schminke, Patzer  unerwünscht und natürlich eine gehörige Portion Patriotismus), trotzdem war ich auch fasziniert, meine Schüler einmal ganz anders zu erleben. Zum Beispiel Walzer tanzend als sie die österreichischen Einwanderer repräsentierten oder ganze Seiten eines Geschichtsbuchs auswendig aufsagend.

Am Höhepunkt des Abends wurde eine Fahne mit der Aufschrift „Uruguay, Te Queremos“ gehisst. Dann liefen die ältesten Schüler mit einer 20m-langen Nationalflagge ein, während alle anderen rundherum die Sonnenstrahlen der uruguayischen Sonne darstellten und dabei mit kleinen Fläggchen winkten und schunkelten.

Aus dieser filmreifen Abschlussszene wurde ich gerissen, als mich die Direktorin überraschend auf die Bühne rief, um sich herzlich bei mir für meine Arbeit zu bedanken. Ich wurde mit Abschiedsgeschenken und guten Wünschen überhäuft, es wurden ein Haufen Fotos geschossen und es flossen sogar Tränen.

Auch von meiner Gastfamilie hatte ich am nächsten Tag einen emotionalen Abschied und so kam es, dass es mir jetzt doch nicht so ganz leicht gefallen ist, Uruguay hinter mit zu lassen. Trotzdem freue ich mich riesig, auf das, was jetzt kommt und im Februar komme ich ja nochmal zurück:)

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Und was kommt jetzt?

Der Einsatz an meiner offiziellen Kulturweit-Stelle ist seit Freitag schon vorbei, was mit den langen Sommerferien hier zu tun hat. Die nächste Woche verbringe ich mit einigen meiner Schüler aus Nueva Helvecia im internationalen Ferienlager deas Goethe-Instituts in Villa General Belgrano bei Córdoba (Argentinien).

Das Ferienlager steht unter dem Motto „Theater“ und wir werden innerhalb dieser Woche mit Hilfe von professionellen Künstlern das Stück „Bibs“ von Hans Magnus Enzensberger erarbeiten und aufführen.

Danach findet am gleichen Ort das Kulturweit- Zwischenseminar statt. Unglaublich, dass schon die Hälfte meiner Kulturweit- Zeit vorbei sein soll!

Ab dem 16. Dezember habe ich erst einmal frei. Ich werde mich gemeinsam mit Carola und später auch Ida und meiner Schwester Marion, die mich besuchen komm,t auf die Reise durch Südamerika machen. Von Córdoba aus fahren wir nach Mendoza, dann nach Santiago de Chile. Nach einer Woche Chile kehren wir zurück in den Norden Argentiniens in die Umgebung von Salta.

Ab dem 15.Januar werde ich dann in einem sozialen Projekt der Wachnitz-Stiftung in Eldorado (Misiones) im äußersten Nordosten Argentiniens arbeiten. Dort übernehmen wir die Ferienbetreuung von Kindern aus ärmeren Vierteln.

Ab jetzt wird mein Blog also zum Reisetagebuch und hält außerdem noch mehr, was sein Titel verspricht – Berichte aus . Ich hoffe, dass ich regelmäßig von meinen Erfahrungen und Erlebnissen berichten kann. Die Reisebusse sind ja zum Glück fast immer mit WIFI ausgestattet, sodass ich 20-Stunden-Fahrten auch sinnvoll nutzen kann:)

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Uruguayische Erlebnisse

Abgesehen von dem Alltäglichen hatte ich aber auch einige Erlebnisse, die mir schon währenddessen als „typisch uruguayische“ Erfahrungen vorkamen.

An einem Samstag nahmen mich Carlos und Nahuel mit nach Juan Lacaze, einer nahegelegenen Stadt, die bei den Neu-Helvetiern einen eher schlechten Ruf als Arbeiterstadt mit höherer Kriminalitätsrate genießt. Dort fand ein Treffen und ein „Desfile“ (also Umzug) ihrer Candombe-Gruppe (Comparsa) statt.

Ich war schon vom Stadtbild beeindruckt, das zwar schäbiger, aber viel authentischer als das von Nueva Helvecia wirkte. Die Comparsa besteht aus Trommlern, Bailarinas (Tänzerinnen) und Fahnenschwenkern. Obwohl ich hier wegen meiner hellen Hautfarbe viel mehr auffiel als ich es aus Nueva Helvecia gewohnt bin, fühlte ich mich trotzdem gleich gut aufgehoben. Nachdem sich alle, also ca. 50 Menschen, im Haus eines Gruppenmitglieds versammelt hatten, ging´s los auf die Straße. Die Trommler gaben den Rhythmus an und die Tänzerinnen tanzten vornedraus.

Zum ersten Mal hatte ich wirklich das Gefühl, in Lateinamerika zu sein. Menschen säumten den Straßenrand oder tanzten mit. Ich natürlich nicht, denn so weit ging mein Mut dann doch nicht, bis… mich eine der älteren Frauen fragte, warum ich nicht tanze. Meine Ausrede, dass ich das noch nie gemacht habe, ließ sie nicht gelten, sondern rief stattdessen gleich den Choreografen, der mich vor die gesamte Menge zog, damit ich´s eben lerne. Was in Deutschland noch wie eine Horrorvision geklungen hätte (vor den Augen von mindestens 50 Menschen, die das alle ganz lustig finden, auf der Straße ungeschickt zu tanzen), war in der Realität aber irgendwie toll. Es hat Spaß gemacht.  Die Tänzerinnen integrierten mich in ihre Gruppe und die Kinder fanden es interessant, dass es ein Land geben soll, in dem es kein Candombe gibt. Zwei Stunden lang liefen wir trommelnd und tanzend durch die Straßen und ich fühlte mich kräftig lateinamerikanisch, erst recht, als auf dem Heimweg mit Carlos´ doch schon in die Jahre gekommenem Auto mitten auf der Landstraße dessen Tür neben mir aufging (also sperrangelweit offen nach außen hing) und ich von den beiden Vornesitzenden, die das nicht so spektakulär fanden, gebeten wurde, sie den Rest der Rückreise zuzuhalten.

Am Tag danach folgte ein ganz anderes, aber irgendwie auch typisch uruguayisches Erlebnis. Wir fuhren aufs Land. Bisher war ich davon ausgegangen, dass Nueva Helvecia schon recht ländlich ist, aber der Besuch bei Silvanas Vater, der auf einem großen Bauernhof angestellt ist, belehrte mich eines Besseren. Gemeinsam mit Silvanas Bruder und dessen Freundin auf einem Motorrad fuhr ich erst einmal ca. eine halbe Stunde durch ziemlich unbewohnte und daher umso schönere Landschaft (ziemlich unbewohnt heißt nicht, dass es nicht einen Haufen Kühe gab).

Der Bauernhof liegt völlig abseits von allem in der „Pampa“ und ist total idyllisch , aber ich bemerkte recht bald, dass es nicht ganz so romantisch zugeht, wie es aussieht, sondern dass es eben doch ein Ort ist, an dem hart gearbeitet wird und vor allem Viehzucht mit all ihren auch unschönen Auswirkungen betrieben wird. Als wir in die Küche eintraten, wurde gerade ein riesiges Stück Fleisch mit einer Säge zerkleinert (unser Mittagessen?). Draußen hingen Schafsfelle zum Trocknen (Köpfe noch dran) und nachmittags durfte ich eine Kalbsgeburt miterleben, was eine sehr brutale Sache war, da das Kalb auf natürliche Weise nicht herauskam. Andererseits gab es natürlich einen Haufen Tierbabies, ein süßes Menschenbaby auch und einen kleinen Jungen, der den ganzen Tag vor Freude auf und ab- sprang, weil endlich jemand mit ihm Fußball spielte. Der Gipfel der Urtümlichkeit  war wahrscheinlich erreicht, als ich dabei ausrutschte und in einen Kuhfladen fiel. Auch  an diesem Tag hatte ich das Gefühl, etwas erlebt zu haben, was typisch für Uruguay ist und was ich in Deutschland so nie gesehen hätte- die Lebensverhältnisse der Menschen, ihre Lebenseinstellung und Landleben wie es es bei uns wahrscheinlich nicht mehr gibt.

Als Bäckertochter empfinde ich eine besondere Affinität zu Bäckereien. Als Ida, Carola und ich ein Wochenende in Colonia verbrachten und dort auf der Suche nach Bizcochos waren, kamen wir an einem geschlossenen Bäckerladen vorbei. Ich sah aber, dass die Tür zur Backstube offen stand und schaute kurz hinein, was der Bäckermeister drinnen bemerkte. Sofort kam er raus und meinte, er würde schnell vorne den Laden öffnen. Dieser war total süß, mit einem Riesenangebot an sehr günstigen, leckeren Bizcochos und süßen Teilchen. Das Tollste war aber, dass, als ich von meinem Bäckerei-Hintergrund erzählte, alle anwesenden Angestellten mir ganz stolz eine Backstubenführung gaben und ich alle Maschinen und die Bäcker im Einsatz fotografieren durfte. Mit Cecilia, der Verkäuferin habe ich immer noch Email-Kontakt und wir schicken uns Fotos von deutschen und uruguayischen Bäckereien und Backwaren. Als ich am Freitagabend wieder durch Colonia kam, schaute ich nochmal vorbei und wurde von der Bäckersfrau ins Wohnzimmer eingeladen. Als  ich dort zwischen Brotsäcken sitzend mit Oma, Mutter und Baby der Bäckersfamilie das Fußballspiel Uruguay-Chile anschaute, kam ich mir wieder ein bisschen so vor, als würde ich gerade einen besonders uruguayischen Moment erleben

 

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Uruguayische Erfahrungen

Ich weiß nicht, wann man von sich behaupten kann, ein Land zu kennen. Ich habe immer mehr das Gefühl, dass meine Zeit hier definitiv nicht ausreicht, um Uruguay richtig kennen zu lernen. (Vor allem seit ich die zweibändige Uruguay-Enzyklopädie lese, die Silvana mir geliehen hat und ich ständig Fakten über Uruguay erfahre, von denen ich überhaupt noch nie gehört habe.)

Die erste Stufe des Kennenlernens habe ich glaube ich erreicht. Sie beinhaltet für mich, Kleinigkeiten im Alltag, die mir erst fremd waren, inzwischen zu kennen: wie sich die Leute begrüßen, Umgangsformen, Redewendungen, wie man sich kleidet und wie nicht, was man wann isst und wo man das kauft.

Wie bereits erwähnt, begrüßt man sich in Uruguay mit einem Kuss auf die rechte Wange. Dabei fragt man zur Begrüßung meistens neben dem „Hola“ (oder auch statt diesem) „Cómo andás?“ oder „Qué tal?“- man erkundigt sich also nach dem Befinden des anderen. Dass darauf nicht mehr als ein „Bien“ erwartet wird, habe ich schon verstanden. Dass man seine Stimmung aber bereits in der Frage unterstellt bekommt, war mir neu. Viele Leute stellen die Frage beinahe im Vorbeigehen nämlich eher so: „Como andás? Bien? Me alegro!“ (Wie geht’s dir? Gut? Das freut mich“) Irgendwie kann ich die ehrliche Freude dann meistens nicht so abnehmen, aber andere Länder andere Sitten.

Auch etliche Besonderheiten in der Sprache habe ich inzwischen  kennen gelernt und wende sie an. So z.B., dass man Jungen und Mädchen hier nicht als „chicas y chicos“ sondern „nenas y varrones“ bezeichnet oder, dass kein Mensch das Wort „Adiós“ zur Verabschiedung verwendet (auch hier hat sich das italienische „Chau“, in dieser hispanisierten Schreibweise, durchgesetzt.)

Das Rätsel, warum mich einige Verkäufer etc. mit „Micha“ ansprechen, hat sich gelöst (mi hija= meine Tochter, mein Mädchen). Es ist eine liebevolle Artjemanden anzusprechen und zeigt außerdem, dass ich hier sehr jung wirken muss (ich wurde bisher zwischen 15! und 18 Jahre alt geschätzt).

Ein anderes Mysterium war für mich am Anfang, von welchem „aschá“ die Menschen mit mir sprechen. Nach meiner „sch“ zu „ll“ Dekodierungsmethode verstand ich irgendwann, dass die Menschen das Wort „allá“ (dort drüben) benutzen, um über meine Heimat, also Deutschland, zu sprechen.

Und das Essverhalten: Das Frühstück nimmt hier keine besonders große Rolle ein, in meiner Gastfamilie zumindest sind es ein paar Kekse mit Dulce de Leche (was man übrigens mit wirklich allem isst), weshalb ich inzwischen mein Müsli kaufe, um den Morgen gut zu überstehen. Das Abendessen finde,t wie in südlichen Ländern üblich, sehr spät statt, bei uns zwischen  21 und 22 Uhr. Es gibt zwar offiziell gegen Spätnachmittag die „Merienda“, wo man Bizcochos isst und Mate oder Milch trinkt, ich hatte am Anfang trotzdem immer gegen 20 Uhr ein Hungerloch.

Mate ist hier übrigens omnipräsent.  Wer durch die Straßen Nueva Helvecias trifft, wird wenige Erwachsene (v.a. Männer) ohne Thermoskanne und Matebecher treffen. Man trinkt diesen Tee gemeinsam mit einem Metallröhrchen (Bombilla) aus einem Becher (Mate), der herumgegeben wird und immer wieder zu dem Menschen mit Thermoskanne zurückgegeben wird, der Wasser nachgießt.

 

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„Die Raffinierten“ in Montevideo

Gerade komme ich von einem tollen Wochenende in Montevideo zurück, dass mir glaube ich geholfen hat, das Land deshalb viel mehr zu schätzen, weil ich es aus einer anderen Perspektive kennen gelernt habe.

Bisher kannte ich von Uruguay Nueva Helvecia, Colonia, wo ich umsteige und auch schon Ausflüge hingemacht habe und einige umliegende Orte. Nach Montevideo waren wir auch schon einmal mit einem Klassenausflug gefahren, damals habe ich aber von der Atmosphäre der Stadt wenig mitbekommmen.

Dieses Wochenende ging´s also los, die Hauptstadt meines Einsatzlandes gemeinsam mit Ida aus Buenos Aires besser kennenzulernen. Da ihre Fähre in Colonia landete und sie dann mit dem Bus weiterfahren würde, gingen wir davon aus, dass dieser zwangsläufig die Strecke, die an Nueva Helvecia vorbeiführt, einschlagen würde, sodass ich da hervorragend zusteigen können würde und wir die zwei Stunden Fahrt gemeinsam verbringen könnten.

Himmel, sind wir raffiniert!

Das dachte ich genau bis zu dem Zeitpunkt, als ich den Bus bestieg und mich im selben Moment Ida von einem geliehenen uruguayischen Handy anrief und mir mitteilte, dass unser Plan „überhaupt nicht“ aufging, da sie in einem Shuttlebus saß, der direkt nach Montevideo fuhr und ihr argentinisches Handy zudem nicht funktionierte. Wir verabredeten also, uns an der Bussation zu treffen, da wir uns ja telefonisch nicht mehr erreichenkönnen würden. Da mir schon schwante, dass DER Hauptumsteigeplatz aller Reisebusse in Uruguay vielleicht nicht ganz so klein ist, schickte ich ihr zum Glück noch die Adresse unserer Couchsurfing-Gastgeberin- nur für den Notfall.

Und der sollte eintreten:) Als ich um 23.30 Uhr in Monte ankam, war da keine Ida weit und breit. Ich wartete sieben Buquebus-Shuttlebusse ab, immer mit der Hoffnung, jemand Kleines, Blondes könnte aussteigen und mit der steigenden Panik, jemand könnte die Kleine, Blonde entführt haben oder sonstiges, als mich eine Frau anrief (die sich als Angestellte der Taxizentrale herausstellte), die meinte sie habe eine Ida an der Türe, die nicht wisse, wie sie reinkomme. Was ein Glück!

Nach dem wir uns m Busterminal übersehen hatten, hatte Ida zum Glück, den Notfallplan ergriffen und ein Taxi zu Rossella, unserer Gastgeberin genommen. Ich folgte also mit dem unfreundlichsten Taxifahrer, den ich bisher kennengelernt habe (No te entiendo!, No entiendo nada!) nach und wir fielen uns in der Wohnung eines bisher noch fremden Paars, das uns nur staunend beobachten konnte, da die beiden kein Wort verstanden, in die Arme.

Diese zwei Fremden waren Rossella und Marcelo, bei denen wir diese Wochenende im Wohnzimmer übernachtet haben. Die zwei haben nicht nur eine beeindruckende Wohnung mitten in der Altstadt (ungefähr doppelt so groß, wie unser Haus in Nueva Helvecia), sondern waren ausch supernett und führten mir vor Augen, dass Nueva Helvecia und seine Einwohner nicht repräsentativ für das ganze Land stehen.

Das vergisst man leider recht schnell, wenn man nur dort Zeit verbringt, aber übertragen gesehen, ist meine Situtation wohl so, als wäre jemand in Deutschland in einem kleinen Dorf auf der schwäbischen Alb eingesetzt, wo er sich sein Bild von den Deutschen macht und dann am Wochenende mal nach Berlin käme.

Den Samstag verbrachten wir also in der Altstadt, beim Flohmarkt und auch sonst recht fleissig einkaufend, schlemmend (man gönnt sich ja sonst nichts) und wie es sich für richtige Touristen gehört an der Rambla, also der Stadt-Strand-Promenade und im Parque Rodó, einem riesigen Park, in dem sich unter anderem Uruguays größter Vergnügunspark befindet.

Mein Glück war perfekt, als uns Marcelo und Rossella am Abend mit zu einem alternativen Konzert nahmen, wo ich zum ersten Mal in Uruguay studentisch wirkende Menschen sah, mit deren Lebensstil ich mich identifizieren konnte. Wenn ich das so schildere, soll es nicht so wirken, als ob ich die Menschen in Nueva Helvecia und ihren Lebensstil verurteile. Trotzdem ist es beruhigend zu sehen, dass Nueva Helvecia das Leben und die Bevölkerung auf dem Land und deren Mentlität repräsentiert, es aber durchaus auch andere Menschen und Einstellungen gibt.

Den Sonntag verbrachten wir auf einer Feria, einem Markt, auf dem es von Obst, Kleidern aus China, Tieren, Tourikram und schönen Antiquitäten alles gibt und genossen danach unsere letzten Stunden an der Standpromenade.

Mir hat das Wochenende nicht nur gut getan, weil wir schöne touristischen Dinge unternommen haben, sondern hauptsächlich, weil ich mit Ida gemeinsam über unseren bisherigen Einsatz reflektieren konnte und es mir wieder einen neuen Blick darauf ermöglicht hat. Wenn man alleine mit all seinen Eindrücken und Erlebnissen in einer fremden Umgebung konfrontiert ist, und sich wie ich, über alles sehr viele Gedanken macht, bekommt man oft, einen völlig anderen Eindruck von der Wichtigkeit von Einzelheiten, als wenn man das Ganze mal zu zweit aus der Vogelperspektive betrachtet.

Deshalb hat mir dieses Wochenende echt gut getan.

Zu Montevideo bleibt noch zu fragen:

-Wo ind die Touristen?

-Warum darf man von der deutschen Botschaft kein Foto machen?

-Wo ist der Berg, nachdem die Stadt benannt ist? (Monte vide eu= Ich sehe einen Berg)

und

-Was machen die Rioplatenses (die Stadtbewohner) nach drei Uhr Mittag? Da ist nämlich selbst in der Innenstadt koplett der Hund begraben.

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Gegen den Strom:)

Ein Rätsel ist gelöst:

Nachdem ich fünf Wochen lang mit meinem Ein-Gang-Rad lustig durch Nueva Helvecia gedüst bin und mich immer gefragt hab, ob ich die einzige bin, die weiß, dass in Uruguay Rechtsverkehr gilt, wurde ich gestern aufgeklärt:

Beim neu-helvetischen Verkehrsnetz handelt  es sich um ein ausgeklügeltes System von Einbahnstraßen, die ich stets ignoriert und munter entgegen-beradelt hab.

Ich hatte mich innerlich jedes Mal echauffiert, wenn mir mal wieder nachgehubt wurde oder  meine Kurven geschnitten wurden und hatte den Uruguayern schon vorgeworfen allesamt „Rechts-vor-Links“ zu missachten.

Selbst als mir eine Teilnehmerin meines Yogakurses vor Kurzem erzählt hat, sie hätte mich auf meinem Bici „como loca“ (also wie eine Verrückte) durch die Straßen fahren sehen, habe ich das eher als freundschaftliche Anspielung auf meine schnelle Fahrweise als auf krasses Verstoßen gegen die Straßenverkehrsordnung interpretiert.

Naja, irgendwie hat´s auch nie jemanden so wirklich gestört. Man nimmt´s wohl eher locker hier oder man hat mir einen Ausländer-Bonus gegeben.

Der Frau aus meiner Gymnastik-Gruppe, die mich gestern darauf hingewiesen hat, dass das, was ich da jedes Mal, wenn sie mich sieht, doch recht gefährlich ist, bin ich trotzdem recht dankbar.

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Arbeit mit den Chiquilines

Nachdem gestern bereits die Hälfte meine Zeit in Nueva Helvecia verstrichen ist, komme ich nun auch mal dazu, ein bisschen etwas von meiner Arbeit zu erzählen:

Ich arbeite an zwei Einsatzstellen, dem Colegio Mater Ter Admirabilis, einer privaten Grundschule und dem Liceo de Nueva Helvecia, der weiterführenden Schule hier.

Offiziell, bin ich zwar am Liceo beschäftigt, da Deutsch aber ein freiwilliges Wahlfach ist, gibt es in den drei Deutschkursen, die ich begleite, insgesamt nur drei Schüler (es kommt also im Schnitt einer pro Stunde, im Ernst!). Ich habe also hier recht wenig zu tun, da ich noch dazu mitten in der Prüfungsvorbereitungsphase hier ankam.

Im Colegio hingegen kann ich mich entfalten und alles, was ich anbieten möchte, wird von den Kindern mit Begeisterung und auch von der Schulleitung mit Unterstützung entgegengenommen. Ich durfte schon zweimal einen Ausflug begleiten und man ist dankbar, dass ich da bin.

Das Colegio MTA ist eine katholische Schule, die unter der Leitung der Schönstatt- Schwestern steht, einem ursprünglich aus Deutschland stammenden Orden. Das zeigt sich nicht nur daran, dass die Schule einen hübschen Klostergarten und ein Santuario (eine Nachbildung des Klosters Schönstatt bei Koblenz) besitzt, das bepilgert wird.

Jeden Morgen wird vor dem Unterricht gemeinsam gebetet, die Kinder dürfen sich melden und Fürbitten und Danksagungen vortragen (oft sind das ganz süße, wie das „Danke“ an den besten Freund, dass es ihn gibt). Diese morgendliche Versammlung wirkt auf mich immer noch oft befremdlich, da es für die mir bekannten Verhältnisse recht konservativ zugeht, was z.B. die Länge und Kinderfreundlichkeit der Gebete angeht. Gleichzeitig schaffen die Treffen aber ein Gemeinschaftsgefühl an der Schule, das ich aus Deutschland so nicht kenne.

Aber zu meiner Arbeit:

Ich werde hier als „Unterrichtsassistentin im Deutschunterricht“ eingesetzt. Unter dieser Stellenbeschreibung konnte ich mir im Voraus auch nicht viel vorstellen – inzwischen weiß ich, dass sie je nach dem, mit welcher Lehrerin ich zusammenarbeite ganz unterschiedlich ausgelegt werden kann:)

Ich begleite die drei Deutschlehrerinnen in den Unterricht von den Dreijährigen im Kindergarten bis in die sechste Klasse. Bei den Kleinen heißt das meistens Singen, Basteln und immer wieder Themen wie „Tiere“ oder „Farben“ wiederholen. Meine Aufgabe ist es hauptsächlich, Spiele mit den Kindern zu spielen und die Aussprache richtig vorzusprechen.

In den älteren Schulklassen, darf ich je nach Lehrerin mal ein Spiel spielen oder etwas erklären oder auch mal spontan den ganzen Unterricht übernehmen. Meiner Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt, weil der Alternativunterricht durch die Lehrer oft auch nur aus Filmeschauen bestünde und eigentlich alles, was ich anbiete ok ist.

Was aber am meisten meiner Arbeitszeit in Anspruch nimmt, sind die drei AGs, die ich anbiete.

Ich habe von meinen Vorgängerinnen den „Taller de Alemán“, ein Deutsch-AG, in der wir spielerisch Grammatik wiederholen bzw. neu erlernen, und das Radio-Projekt übernommen. Alle PASCH-Schulen in Chile, Paraguay, Uruguay und Argentinien nehmen am Radio-Projekt teil. Monatlich kommt eine Sendung zu einem Thema mit Bezug auf Deutschland kommt raus, wir sind die einzige teilnehmende Grundschule. In der AG erarbeiten wir landeskundliche Themen, recherchieren und nehmen die Beiträge auf.

Im „Taller“ versuche ich Grammatik-Themen mit Spielen und deutschen Liedern etwas aufzuhübschen (so zum Beispiel zum Thema „Regelmäßige Verben“ mit dem „Konjugations-Flaschendrehen“ geschehen;) ).

Dazu habe ich noch eine eigene AG, die „Plataforma de Alemán“, gegründet. Es ist eine Internet-AG, in der wir mit PASCH-net.de, einer Lernplattform für Deutschlernende, arbeiten. Wer mich kennt, weiß, dass ich ein Technikversager bin und wird sich fragen, warum ich auf die Idee kam, eine Internet-AG zu gründen. Das habe ich mich nach dem ersten Mal auch gefragt, als mir 13 Schüler in einem Computerraum mit 10 Computern und nicht funktionierendem Internet außer Kontrolle gerieten. Inzwischen haben wir die AG in zwei Gruppen aufgeteilt und es läuft besser:)

Die Chiquilines (das ist die in Uruguay gebräuchliche Bezeichnung für kleine Kinder) sind sehr offen und (meistens) total lieb. Das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern ist nicht mit dem in Deutschland zu vergleichen. Die Lehrer werden geduzt und genau wie alle anderen mit Kuss, oft sogar mit liebevollen Umarmungen begrüßt. Ich auch:)

Andererseits habe ich das Gefühl, dass die Disziplin eher geringer ist als in Deutschland und auch nicht so viel Stoff vermittelt wird, was auch daran liegen könnte, dass eine Klasse, dreimal die Woche Deutsch bei drei verschiedenen Lehrern zu drei verschiedenen Themen haben kann.

Mein Aufenthalt hier ist sehr kurz, was natürlich auch bedeutet, dass ich nicht so viel bewegen kann. Die ersten Wochen braucht man ja auch zum eingewöhnen und jetzt bleiben mir noch genau fünf. Trotzdem ist es schön zu sehen, wie motiviert viele Kinder sind, wenn man ihnen einmal eine andere Methode oder ein Vokabelspiel zeigt. Ich gebe auch zu, es gibt Klassen, die es nicht die Bohne interessiert, dass ich vorne ein Spiel erkläre, weil sie völlig damit beschäftigt sind, außer Rand und Band zu geraten und meine Autorität auf Spanisch noch nicht ausreicht, um irgendetwas zu bewegen.

Zumindest reichen meine Erfahrungen hier aber aus, um ein völlig neues Bild auf den Beruf des Lehrers zu bekommen. Ich will erstens sicher keine Lehrerin mehr werdne, weiß aber zweitens gute Lehrer jetzt noch viel mehr zu schätzen, denn eine gute Unterrichtsstunde vorzubereiten ist viel aufwändiger, als man das als Schüler immer so annimmt.

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Erste Bilder aus Nueva Helvecia

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Fast einen Monat…

 

…bin ich jetzt schon in Nueva Helvecia. Ein guter Anlass, um ein erstes Resumé zu ziehen. Wer mit mir Kontakt hatte, weiß, dass die letzten Wochen nicht ganz leicht für mich waren.

Am Wochenende habe ich eine Trip nach Buenos Aires gemacht, um mal wieder etwas anderes zu sehen und zugegebenermaßen auch, um mich nach vier Wochen einmal in die „deutsche Blase“ zurückzuziehen.

Dort habe ich zum Glück eine andere Perspektive auf meinen Aufenthalt bekommen und weiß jetzt einige Aspekte meines Alltagslebens, die mir besonders zu schaffen machen, wieder als Herausforderungen zu schätzen.

Nueva Helvecia ist klein- und das nicht nur im Vergleich zu Buenos Aires. Man kennt sich und vor allem: Man kennt mich! Wenn ich mich Menschen vorstelle, haben sie mich meistens schon gesehen oder zumindest von mir gehört. („Ja, jemand aus dem Nachbardorf hat mir erzählt, dass jetzt auch eine Deutsche ins Fitness kommt.“) Leider heißt das nicht, dass ich auch die Leute kenne.

Trotz meiner ehrgeizigen Bemühungen, schnell Menschen kennenzulernen (ich gehe jetzt ins Yoga, ins Fitness, in den Cine Club), habe ich leider noch nicht viele Bekanntschaften gemacht, die über Small Talk hinausgehen.

Eine Ausnahme bildet Carlos´ Familie. Mit ihr bin ich über meine Vorgängerin Anna in Kontakt gekommen. Carlos ist Sozialarbeiter. Er kommt aus der brasilianischen Grenzregion Uruguays und bringt mir ein bisschen Candombe- Trommeln bei. Mit einer vergleichbaren Herzlichkeit und Offenheit wie in dieser Familie wurde ich noch nie irgendwo aufgenommen. Ich kann jederzeit vorbeikommen und Carlos, sein Sohn Nahuel und ich trommeln zusammen, was mir total viel Spaß macht.

In Buenos Aires, wo ich zwei andere Kulturweitlerinnen besucht habe, fiel mir auf, wie abgeschottet von Deutschem ich im Vergleich zu den beiden lebe.Die Freiwilligen in der Stadt können sich am Wochenende treffen. Ich bin in Uruguay die einzige Deutsche und fühlte mich deshalb in den letzten Wochen oft etwas isoliert, weil ich viele Dinge auf Spanisch noch nicht richtig ausdrücken kann.

An diesem Wochenende ist mir allerdings aufgefallen, wie sehr sich die Zeit unter Uruguayern schon auf mich ausgewirkt hat. Mein Spanischverständnis hat sich extrem verbessert (Hurra, ich hab einen argentinischen Kinofilm komplett verstanden – zumindest was die Sprache angeht;) ) und bin jetzt natürlich auch ein bisschen stolz, die vier Wochen alleine bestanden zu haben.

Worum ich die Freiwilligen in Buenos Aires trotzdem beneide, sind eine gewisse Anonymität, Zugang zu einem Haufen Kulturangeboten und, was ich ehrlich zugeben muss, den europäischen Lebensstandard.

In meiner Gastfamilie leben wir in einfachen Verhältnissen. Auch wenn ich mich in Deutschland noch als anspruchslos beschrieben hätte, ist man als Mitteleuropäerin eben doch durch einen gewissen Standard verwöhnt. Was mir am meisten fehlt, sind ausreichend Privatsphäre und Zeit für mich, Platz, um meine Habseligkeiten abzulegen und die Möglichkeit, jederzeit und auch in meinem Zimmer, Strom benutzen zu können.

Trotzdem möchte ich das Leben in der Gastfamilie nicht missen. Ich habe mich bewusst, dafür entschieden, nicht ins Colegio zu ziehen, wo ich ein eigenes Zimmer und Internetanschluss gehabt hätte. Ich möchte das uruguayische Leben wirklich so kennen lernen, wie es ist, mit seinem Alltag, seiner typischen Küche, seinen Problemen und eben seinen Menschen. Und meine Familie kümmert sich immer noch ganz lieb um mich. Zum ersten Mal sehe ich bei ihnen, wie es ist, wirklich nicht viel Geld zum Leben zu haben und bin ihnen sehr dankbar, dass sie dazu auch noch mich in ihr Haus aufnehmen.

So versuche ich diese Schwierigkeiten, die mich in der bisherigen Zeit belastet haben, jetzt als Herausforderungen für den restlichen Aufenthalt, an denen ich weiter wachsen kann, zu nehmen.

Natürlich kommt auch noch meine Arbeit an den beiden Schulen dazu, über die ich ein anderes Mal berichten werde. Leider habe ich einen akuten Zeitmangel, weshalb ich meinen Blog nicht so regelmäßig führen kann, wie ich gerne würde, aber ich tue mein Bestes, um euch auf dem Laufenden zu halten.

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Buenos Aires

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