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Machismo

Dass sich die Männer machohaft verhalten (der sogenannte Machismo), ist eines der verbreitetsten Vorurteile gegenüber Lateinamerika.  Durch dieses Cliché vorbelastet, war ich in Uruguay total positiv überrascht: auf der Straße bekam ich kaum außergewöhnliche Behandlung oder Anmachen zu spüren oder zu sehen.

Auch im Familienleben meiner Gastfamilie war nichts Auffälliges zu beobachten. Meine Gastmutter lebt getrennt von ihrem Mann und versorgt die Familie selbstständig. Dass mein Gastbruder nicht im Haushalt mithalf, habe ich nicht als kulturelles Phänomen empfunden.

Auf Reisen machte ich -je weiter wir in den Norden reisten- schon etwas andere Erfahrungen. Umso mehr wir auffielen, umso häufiger waren die Sprüche und Pfiffe, „Schmatzen“ und Autohupen. Sommerliche Kleidung trug auch zu solchen Reaktionen bei.

Mit der Zeit war ich zwar zunehmend genervt davon, mich begafft und „wie ein Stück Fleisch“ zu fühlen, aber ich habe mich nie bedroht gefühlt und die Äußerungen waren (soweit ich sie richtig verstanden habe) selten anstößig, sondern meistens Komplimente (schöne Augen, schöne Frau,…). Die beste Möglichkeit, mit diesem Verhalten umzugehen ist wahrscheinlich, es zu ignorieren. Auch wenn das Anmachen auf der Straße natürlich primitiv erscheint, interpretiere ich es auch manchmal (zumindest in einigen Fällen) als Form der Höflichkeit bzw. Äußerung der Bewunderung von Männern gegenüber Frauen und nicht immer nur als sexistische Belästigung.

Dass sich die Geschlechterbilder in südamerikanischen Ländern von denen in Deutschland unterscheiden, kann man zum Beispiel an der Art der Präsentation von Frauen in den Medien erkennen  (in Fernsehshows oft nur hübsche „Sidekicks“ für den männlichen Moderator). Auch die Mode bzw. die Art wie viele (auch junge) Frauen sich präsentieren deutet  auf ein eher weniger emanzipiertes Bild von sich selbst hin. Auch im Umgang zwischen den Geschlechtern habe ich für mich eher konservative Überzeugungen erlebt, wie zum Beispiel, dass immer der Mann die Frau einlädt.

Diskriminierung von Frauen bemerkt man am extremsten in Liedtexten. Gerade in Reggeatón- und Cumbiamusik (die in den unteren Gesellschaftsschichten entstanden ist und meist von Männern gemacht wird) wird oft ein krass frauenverachtendes Bild vermittelt, dass sie zu Sexobjekten herabstuft. (Die jeweilige Frau wird in Texten beispielsweise dazu aufgefordert, einfach den Mund zu halten und nur für den singenden Mann zu tanzen oder sich auszuziehen.) Auch die dazugehörigen Musikvideos erscheinen in einer dementsprechenden Ästhetik.

Malvinas

Schild beim Karneval

Auch 30 Jahre nach dem verlorenen Krieg mit England um die Falklandinseln (argentinisch: Malvinas) bleibt das  Thema ein sensibles in Argentinien. Fast alle Argentinier empfinden (nach dem, was ich erlebt habe), die Inseln, die offiziell zu Großbritannien gehören, als argentinisch. Auf Landkarten sind sie als argentinisches Staatsgebiet eingezeichnet. Auch ein unterschwelliger Englandhass ist teilweise zu bemerken. Viele Argentinier empfinden die eigenen Soldaten in diesem Krieg als Opfer.

Schilder mit der Aufschrift „Las Malvinas son argentinas“ („Die Falklandinseln sind argentinisch“) sind keine Seltenheit. Die Regierung von Präsidentin Christina Kirchner versucht auch geziehlt, mit diesem populistischen Thema Stimmen zu sammeln. Immer wieder kam es in den letzten Monaten auch zu anti-englischen Vorfällen, z.B. wurde einem englischen Kreuzfahrtschiff in Patagonien das Landen verweigert.

Mate

Der Mate ist das Nationalgetränk Uruguays und Argentiniens. Es ist ein Teegetränk aus Yerba Mate. Der Konsum von Mate ist (vor allem in ländlichen Regionen, aber eigentlich fast überall) ständig präsent. Sowohl das Getränk als auch der Becher, aus dem man es trinkt, werden „Mate“ genannt. Der „Servierer“ gibt das Yerba-Pulver in den Mate-Becher und füllt ihn mit heißem Wasser auf. Dann geht der Mate in einer festen Reihenfolgen im Kreis der Anwesenden herum.

Uruguayischer Mate (mit Forlán auf der Termo:) )

Nach dem eine Person ihn leer getrunken hat, gibt sie ihn an den Ausschenker (servidor) mit der Thermoskanne zurück, der Wasse nachfüllt und ihn so an die nächste Person gibt. Man trinkt das Ganze mit einer so genannten Bombilla, einer Art Metallstrohhalm, der das Pulver filtert.

Der Matekonsum ist wesentlicher Bestandteil der Alltagskultur. Er wird praktisch zu jedem Anlass getrunken, sowohl bei der Lehrerkonferenz, zu Hause, bei Festen  und in der Warteschlange am Bankautomaten, was zu einer Art Gemeinschaftsgefühl führt. In Nueva Helvecia trifft man ca. 50% der Menschen mit einer „termo“, der dazugehörenden Thermoskanne unterm Arm  oder in dafür gemachten Ledertaschen an.

    In Montevideos Bussen hängen sogar extra Schilder, auf denen das Matetrinken in öffentlichen Verkehrsmitteln wegen der Verletzungs- und Verbrühungsgefahr verboten wird. Die Termo kann man übrigens an vielen → Kioscos mit heißem Wasser auffüllen lassen. Angepflanzt wird der Matebaum in Brasilien, Paraguay und Misiones. In diesen heißen Gebiten ist aber eher die eiskalte Version des Mates, → Tereré, bevorzugt.

Automat mit heißem Wasser der Yerba-Marke „Rosamonte“

 

 

 

 

 

Medien

Ich hatte das Gefühl, dass die Menschen, die ich kennen gelernt habe, eher regionale als nationale Medien in Anspruch genommen haben.  Auch sehr kleine Orte haben ihren eigenen Radio- und Fernsehsender.

Die Nachrichten, die ich gesehen haben, wirkten oft eher skandalorientiert und emotionale Schlagzeilen im Bild-Stil waren mehr aufgebauscht als die eigentlich wichtigen Meldungen. Auch hier stand Regionales (Staus,  Einzelschicksale) im Vordergrund. Ich kann allerdings nicht einschätzen, ob sich das allgemein über die Medienlandschaft sagen lässt oder ob diese Art der Medien mit den Vorlieben der Personen, bei  denen ich ferngesehen habe, zu tun hatte.

Es ist nicht unüblich, dass der Fernseher im Hintergrund zur Begleitung, z.B. auch beim Essen, läuft.

Merienda

Die Meriedena ist eine Zwischenmahlzeit, die man nachmittags (ca.17 Uhr), nach der Rückkehr von Schule und Arbeit zu sich nimmt, da erst um einiges später zu  Abend gegessen wird. Man isst Kekse, → Bizcochos,  → Alfajores oder Obst und trinkt Mate. Kinder trinken auch oft Milch, weshalb man die merienda auch „tomar la leche“ (Milchtrinken) nennt.

Mode

Die Mode in Argentinien/ Uruguay unterscheidet sich ein bisschen von der Deutschen, allerdings nur in ein paar kleineren Details. Frauen tragen allgemein körperbetontere Kleidung. Ein modisches Phänomen sind kurze T-Shirts, die bis kurz unter die Brust reichen und- anders als in Europa-bauchfrei getragen werden. Eine andere Modeerscheinung sind Einteiler, also Hose und T-Shirt als ein Kleidungsstück- aus leichtem Stoff.

Die Haare tragen Frauen fast immer lang. Bei Männern, meiner Beobachtung nach vor allem in Argentinien, gibt es eher einen Trend zu etwas längeren Haaren. In den eher niedrigeren Bildungsschichten ist es (wahrscheinlich in Anlehnung an den → Wachiturro-Style) auch in, eine Art Vokuhila-Frisur zu tragen,  bei der das seitliche Haar abrasiert ist und hinten lange Strähnen wachsen, auch mit blonden Strähnchen und einrasierten Mustern häufig zu beobachten.

Bei Schuhen  gibt es neben ojotas (Flip-Flops) der Marken „Havaiana“ und „Ipanema“, viele Alfagatas (Espandrills), also günstige Stoffschuhe und bei (auch älteren) Frauen besonders den Trend zu Plateauschuhen.

Eine aus unseren Augen eher lustige Erscheining sind die „Kuh-Schuhe“. Das sind Turnschuhe, bei denen der große Zeh abgetrennt ist von den restlichen, was dem Fuß das Aussehen eines Kuh-Hufs gibt.

                                                                                     Motos

Das Moto meiner GastmutterMotos, also jede Art von motorisierten Zweirädern sind vor allem in Kleinstädten sehr beliebt und eigentlich die dominierenden Verkehrsmittel. Auf ihnen bewegen sich fast alle Menschen, egal welchen Alters und oft auch ganze Familien mit bis zu vier Personen (Mutter, Vater, zwei kleine Kinder).

 

 

 

 

Müll

Der viele Müll und vor allem die Verschmutzung ist ein Problem, das viele Argentinier ärgert. Der Müll wird wie fast überall nicht getrennt und oft einfach verbrannt,  am Straßenrand oder im Ofen. Vor allem  in Städten liegt oft sehr viel Müll herum. Es scheint auch bei vielen Menschen kein Bewusstsein für eine „vernünftige“ Entsorgung da zu sein, zumindest habe ich häufig beobachtet, wie Erwachsene ihren Müll aus dem Autofenster warfen oder ihre Kinder nicht daran hinderten, Müll auf die Straße zu werfen. Viele Argentinier ärgern sich über diese „schlechte Erziehung“ ihrer Landesgenossen.

 

Müllkorb vor einem Privathaus

Hausmüll wird in Plastiktüten gepackt und oft in schön verzierte Metallkörben Müllkorb vor einem Privathausvor den Häusern gelegt, wo sie abgeholt werden. In ländlicheren Gebieten dient oft auch ein Nagel im nächsten Baum dafür, den Müllbeutel aufzuhängen. In Buenos Aires kommt die Müllabfuhr jede Nacht (siehe auch → cartoneros).

Volle Mülltüten werden zur Abholung an Bäume vors Haus gehängt


 

                                                                               

                                                                                      

 

                                                                                         N

Nationalhelden

Nationalhelden spielen in Argentinien und Uruguay eine viel wichtigere Rolle als in Deutschland. Der Kult um historische Persönlichkeiten und die gemeinsame Identifikation mit deren Taten sind Teil des Patriotismus und tragen somit zu einem nationalen Identitätsgefühl  in Ländern bei, deren Einwohner Einwanderer aus verschiedensten Ländern waren.

In Uruguay ist dem Befreiungskämpfer Artigas in jeder Stadt ein Denkmal, eine Straße und ein Bild in jedem Klassenzimmer gewidmet.

Auch in Argentinien sind beinahe alle wichtigen Bahnhöfe, Plätze, Brücken etc nach General San Martín benannt. Auch aktuellere Persönlichkeiten werden mystifiziert und tragen als Nationalhelden zu einer gemeinsamen Wir-Gefühl bei. Den  größten Personenkult gibt es wohl um Evita Perón, aber auch den verstorbenen Präsidenten Nestor Kirchner oder Fußballstar Maradonna sieht man auf etlichen Graffities und Fotos.

 

 

 

Novio

Ich hatte den Eindruck, dass sich viele junge Frauen über ihnen Freund (novio) definieren und es deshalb auf Unverständnis stößt, keinen Freund zu haben. Der Stolz auf seinen Partner fiel bei vielen Pärchen auf der Straße auf, wo ich den Eindruck hatte, die Männer präsentierten ihre Freundin, die sie am Arm spazieren führten.

Nummern ziehen

In Südamerika ist das Nummern ziehen nicht nur auf Behörden, sondern auch in der Post und in normalen Geschäften, beim Bäcker und in Eisdielen verbreitet. Beim Eintreten zieht man eine Nummer und wartet bis man aufgerufen wird.

                                                      

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Orgullo Nacional (Nationalstolz)

 

 

 

 

Patriotismus wird in Argentinien, Uruguay, Chile und wie ich annehme ganz Südamerika selbstverstänlich empfunden und demonstriert. Die große Mehrheit ist stolz auf ihr Land, dessen Geschichte und seine → Nationalhelden. Gehisste Flaggen sind nicht nur bei Fußballspielen überall, und selbstverständlich an jedem repräsentativen Ort gehisst. Die Besinnung auf den Unabhängigkeitskampf bildet einen wesentlichen Teil der nationalen Identität, doch auch gemeinsame Phänomene wie die Begeisterung für Fußball und die Nationalmannschaft sorgen für ein Wir-Gefühl.

Im Klassenzimmer: „Im Jahr des 200. Jubiläums feiern wir Uruguayer voller Nationalstolz“, darunter: Artigas

Was bedeutet unser Vaterland für uns? Plakat zu „Heimatgefühlen“ in der Grundschule

 

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