Und wieder daheim

Inzwischen bin ich seit über sechs Wochen wieder zu Hause. Die Tage rasen vorbei.  Zeit, einen abschließenden Artikel zu verfassen:)

Deutschland hat mich weniger umgehauen als erwartet. Einige „Kartoffeleigenschaften“ (an dieser Stelle ein Danke an Fanny für diese neue Vokabel) fielen mir natürlich bei meiner Rückkehr auf.

Vor allem die permanente Eile und Gereiztheit vieler Deutscher, zum Beispiel beim Schlangestehen sind ein auffälliger Kontrast zum Umgang mit Zeit in Südamerika. Ohne hier bestehende Clichés über dauerentspannte und herumsitzende Südamerikaner bestätigen zu wollen, glaube ich, dass Zeit hier in Deutschland eine viel wichtigere Rolle spielt und man deshalb auch schnell gereizt wird, wenn jemand sie einem „stiehlt“.

Was mir noch negativ auffiel, ist die Neigung dazu, sich zu beschweren, was mir vor allem deshalb immer noch sauer aufstößt, weil es mich- nachdem ich den Kontrast z.B. im Barrio gesehen habe- nervt, dass den Leuten hier gar nicht bewusst ist, wie gut es uns geht. Ich habe mit dem Überfluss, in dem wir hier wohnen, zu kämpfen, aber noch mehr damit, dass niemand ihn zu schätzen weiß.

Ich möchte aber nicht mit erhobenem Zeigefinger herumgehen und den Deutschen erzählen, wie böse und verschwenderisch sie leben. Ich glaube allerdings, dass es die Verhaltens- und Konsumweisen von jedem verändern wird, der einmal gesehen hat, wie krass der Kontrast zwischen dem Leben in Deutschland und weniger reichen Ländern ist. Ich glaube, dass es eine natürliche Reaktion ist, sich mehr Gedanken darüber zu machen, wie viele Dinge wir besitzen, die wir nicht brauchen und weniger solcher Dinge zu kaufen. Deshalb glaube ich auch, dass es gut für jeden- sowohl jungen als auch älteren Menschen- ist, einmal heraus aus dem westlichen Leben mit dem dazugehörigen Lebensstil zu kommen, um eine andere Perspektive auf dieses zu bekommen.

Insgesamt habe ich mich in Deutschland und meinem „alten Leben“ allerdings viel besser und schneller wieder eingefunden als gedacht und habe mir schnell wieder Beschäftigung gesucht. Ich wollte nicht, dass meine Verbindung zu Südamerika mit dem Tag, an dem mein Freiwilligendienst endet, abbricht.Deshalb machte ich mich zuerst auf die Suche nach Tandempartnern (nein, wir fahren nicht zusammen Fahrrad, wir sprechen Spanisch-Deutsch). Jetzt treffe ich mich wöchentlich mit meinen beiden spanischen Tandempartnern, um mein Castellano möglichst gut aufrecht zu erhalten.

Bald kommt noch eine neue Möglichkeit dazu: Silvana, meine uruguayische Gastschwester kommt nächste Woche nach Deutschland und bleibt ein Jahr als Au-pair in der Nähe von Kassel, sodass der Kontakt zu meiner Gastfamilie jetzt in Deutschland weiterläuft.

Weil ich schon in den vergangenen Jahren gerne ins Cine Latino, dem Filmfestival für lateinamerikanische Filme in Tübingen, gegangen bin und mitbekommen hatte, dass es im April wieder stattfinden würde, habe ich auch diese Möglichkeit, mit Lateinamerika in Verbindung zu bleiben, genutzt und auf gut Glück angefragt, ob ich noch mithelfen könne.

Glücklicherweise brauchte das Team tatsächlich noch Unterstützung und so habe ich die letzten Wochen bei der Organisation und Durchführung des Cine Latino mitgehofen. Für mich war es eine tolle Gelegenheit, Einblick in Kulturarbeit zu bekommen  (ein Berufsfeld, das ja sowieso ganz oben auf meiner Zukunftswunschliste steht) und mir kostenlos viele lateinamerikanische Filme anzuschauen:)

Gestern ging das Festival zu Ende und für mich geht es ab morgen in eine ganz andere Richtung: ich fliege nach Kiew zu einem internationalen Jugendforum und bin danach erst einmal in Osteuropa unterwegs- eine Region, auf die ich mich jetzt total freue, weil sie wieder etwas ganz anderes ist!

Ich weise noch schnell auf mein aktuelles Abecedario-Projekt hin, an dem ich immer noch arbeite: Zu finden hier auf dem Blog, oben als neue Rubrik. Viel Spaß damit!

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