Mein Überfall- Ein unglaubliches Anekdötlein

Ein europäisches Vorurteil gegen diesen Kontinent ist, dass er extrem gefährlich ist und Überfaelle praktisch zur Tagesordnung gehören. Ohne das Risiko kleinreden zu wollen, will ich -bevor ich zum aufregenden Teil des Artikels komme, zu meiner unglaublichen Anekdote- betonen, dass das NICHT so ist.

Obwohl ich durch meine Äusseres wahrscheinlich ein perfektes Opfer für jeden Taschendieb und Strassenräuber wäre (weiblich, zierlich, offensichtlich europäisch und öfter mal allein unterwegs) ist mir in fünf Monaten Südamerika absolut nichts passiert.

Mir ist es wichitg, das zu unterstreichen, weil ich finde, dass in Deutschland eine Panikmache stattfindet, die Südamerika und seinem Gefahrenpotential Unrecht tut.

Aber nun zum Überfall, der mir ausgerechnet in einer der zehn sichersten Städte des Kontinents- Montevideo- passiert ist.

Wie bereits erwähnt wohnte ich in Montevideo bei Rossella und Marcelo, zwei ganz lieben Menschen, die ich übers Couchssurfen kennen gelernt habe. Am Samstagnachmittag fuhr ich zum Busbahnhof, um mir mein Ticket für die Weiterfahrt zu kaufen. Aus irgendeiner weisen Eingebung heraus packete ich dort noch all meine Kreditkarten, meinen Reisepass und das Ticket in meine „unsichtbare“ Bauchtasche und hatte meine Handy zum Glück auch zu Hause vergessen.

Auf der Rüfahrt vergaß der Busfahrer nämlich, mir Bescheid zu sagen, wo ich aussteigen muss, weshalb ich einen Block (ca. 100 Meter) zu spät ausstieg. In Montevideo wird die Siestazeit sehr ernst genommen und die Strassen sind wie leer gefegt.

Als ich an einer Gruppe junger Männer vorbei lief, erwarteten mich ein paar Sprüche und Pfiffe, die ich inzwischen gekonnt ignoriere. Da ich mittlerweile daran gewohnt bin, ungewollt die Aufmerksamkeit männlicher Wesen auf mich zu ziehen, dachte ich gar nicht mehr daran, dass sie auch etwas anderes im Sinn haben könnten.

Doch plötzlich riss jemand hinten an meiner Handtasche, so stark, dass der Lederriemen durchriss und als ich mich umdrehte, rannten gerade zwei Männer mit ihr weg. Sie blieben noch kurz stehen und drehten sich um, um zu überpruefen, wie ich reagierte und da ich nur erschrocken dastand, liefen sie weg und ich ebenso ganz schnell zur Wohnung.

In der Tasche befand sich mein Geldbeutel mit ca. 30 Euro in argentinischen und uruguayischen Pesos, meine praktisch kaputte Kamera und die Schlüssel zu Rossellas und Marcelos Wohnung.

Es hätte schlimmer kommen können. Was mich am meisten aergerte, war der Verlust meiner handbemalten Lederhandtasche vom Künstlermarkt in Córdoba und der Schlüssel.

Marcelo erklärte mir, dass der Dieb sich von meinem Gelb wahrscheinlich gerade Crack kaufte und den Rest samt meiner Tasche wegwarf. Das fand ich noch schlimmer, als wenn er sie seiner Novia geschenkt hätte.

Doch es kam ganz anders: Die beiden kümmerten sich ganz lieb um mich und riefen abends ein Taxi, um mich ans Terminal zu begleiten. Wir waren gerade etwa 100 m gefahren, als wir an einer Gruppe Muchachos vorbeifuhren und- oh Wunder!- einer davon hatte meine Handtasche um.

Marcelo reagierte blitzschnell, hielt das Taxi an, sprang raus und stellte den Typ zur Rede. Da dieser die Tasche auf freundliches Bitten hin nicht herausgeben wollte, drohte er ihm (die Drohung lautete „romper la cara“, was ungefähr soviel heisst wie „die Fresse polieren“). So viel war dem Typ, der nicht der Dieb war, die Damenhandtasche dann wohl doch nicht wert, denn er warf sie unter Verfluchungen auf den Boden und suchte schnell das Weite.

Ich konnte mein Glück und den Zufall nicht fassen, obwohl natürlich kein Inhalt mehr in der Tasche war. Mehr Glück im Unglück kann man wohl nicht haben. Marcelo war mein Held des Tages und ich konnte in Frieden Abschied von Uruguay nehmen.

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