Nach fast einer Woche in Mendoza und Umland machten wir uns am 27. Dezember auf nach Chile, das dritte Land, das ich von Südamerika zu sehen bekomme.
Um von Argentinien nach Chile zu gelangen steht einem wohl eine der spektakulärsten Busfahrten bevor- die Andenüberquerung. Da das Land Chile ziemlich strenge Einfuhrbestimmungen hat (kein Obst, keine geöffneten Lebensmittel, etc.) und präzise kontrolliert, standen wir ca. 2 Stunden an der Grenze, um jede einzelne Tasche durchsuchen zu lassen und unsere Stempel im Reisepass abzuholen. Dafür wurden wir durch die atemberaubende Abfahrt danach auf einer Serpentinenstrecke entlohnt. Wir (das waren inzwischen Marion, Carola, Fanny, Philipp, Leo, Sony, der unsere Gruppe spontan ergänzt hatte und ich) klebten praktisch nur am Fenster, um zusammen wahrscheinlich tausende (sich dann doch ähnelnde) Fotos zu schießen.
Am Busbahnhof von Santiago trafen wir auf Ida, die schon seit einigen Stunden da war. Der allererste Eindruck war, extrem aufzufallen und angestarrt zu werden. Das hatte damit zu tun hat, dass wir als achtköpfige, europäische Reisegruppe mit Riesenrucksäcken (vorne und hinten wohlgemerkt) zwangsläufig auffallen mussten, aber auch damit, dass die Menschen generell dunkler und indigener aussehen als in den Teilen Südamerikas, die ich bisher besucht hatte.
So wurde ich auch zum ersten Mal in Südamerika mit dem Begriff „Gringo“ konfrontiert, der uns hinterhergerufen wurde. (Der Bezeichnung wird für alle westlich oder europäisch-aussehenden Menschen verwendet. Ob er eher abwertend oder neutral gemeint ist, hängt wahrscheinlich von der Person ab, die ihn gebraucht.)
Santiago ist nach meinem Eindruck super modern. Die Metro kann locker mit der in Berlin mithalten, in den U-Bahnstationen werden Musikvideos auf Videowänden abgespielt, die Geldscheine sind aus Plastik und haben ein kleines durchsichtiges Fenster und die Ampelmännchen sind zum Teil animiert. Die Stadt ist sehr sauber und wirkt noch europäischer als Buenos Aires, bis auf seine Einwohner, die „südamerikanischer“ aussehen.
Für mich war der Aufenthalt in Santiago vor allem spannend, weil wir in den letzten beiden Jahren die Geschichte Chiles im Spanisch-Unterricht behandelt haben und ich nun in der Realität die Schauplätze der Diktatur in Realität. Es war ein ganz unreales Gefühl, vor „La Moneda“, dem Regierungsgebäude Chiles, zu stehen und zu wissen, dass dort 1973 der Militärputsch stattgefunden hat.
Außerdem konnte ich mir in Santiago „La Chascona“, eines der Wohnhäuser des chilenischen Dichters und Nationalhelden Pablo Nerudas anschauen, der ebenfalls Mittelpunkt des Spanisch-Abis war.
Die Stadt hat aber noch viel mehr zu bieten, wie zum Beispiel das bunte Künstlerviertel Bellavista und die Besteigung mehrerer Hügel, von denen aus man einen tollen Blick auf die Stadt und (leider wegen des Smogs nicht ganz so gut) auf die Anden hat.
Kulinarisch kann ich „Mote con Huesillos“ empfehlen, das überall an Straßenständen verkauft wird. Das ist Pfirsichsaft mit eingelegten Früchten in dem Weizenkörner schwimmmen, die man dann herauslöffelt. Sehr nahrhaft, lecker und günstig!
Zum ersten Mal wurde ich in Santiago wirklich mit dem „gefürchteten“ Machismo konfrontiert. Neben den bekannten Sprüchen lernte ich eine neue Form der Anmache kennen, die mich auch weiterhin auf der Reise verfolgen sollte: Das Schmatzen. Das erste Mal als ich dieses quietschende Geräusch hinter mit hörte, drehte ich mich noch verwirrt um und entdeckte die Ursache dafür in zwei älteren Typen, die uns aus dem Auto hinterher knutschten. Diese Art des Anmachens finde ich bisher am ekeligsten, doch es tritt nach einer Weile Gewöhnung auf und man integriert die Schmatzer einfach innerlich in die städtische Geräuschkulisse.
Ansonsten werden mir vor allem zwei Abende in Santiago in Erinnerung bleiben: In unserer ersten Nacht hatten wir das Glück von Ian, einem echten Chilenen (! J), zu seiner Geburtstagsparty eingeladen worden zu sein. Ian ist ein Freund meiner guten Freundin Eva, die ein halbes Jahr in Santiago gelebt hat und den Kontakt hergestellt hatte. Leider kamen wir zu spät zur Pre- Carrete (einer Hausparty), konnten aber noch mit zum gemeinsamen Diskogang. Die Art zu tanzen (als Paar und sehr, sehr eng) war für uns prüde Deutsche etwas befremdlich, aber auch faszinierend, sodass wir lieber mit offenen Mündern daneben standen, als mitzumachen .
An einem anderen Abend fand ein Fußballspiel statt während wir gerade essen waren. Als wir das Restaurant betraten waren die Straßen abgesperrt und es waren einige Polizisten unterwegs. Als wir es zwei Stunden später wieder verließen, waren die Straßen ringsherum ein Schlachtfeld. Hooligans hatten gewütet, Straßenschilder umgerissen, Steine geworfen und Wasserwerfer waren eingesetzt worden. Wir waren erst richtig erstaunt, dass wir davon nichts mitbekommen waren und dann erschrocken, weil wir in den Ausläufer einer Tränengaswolke gelangten. Zum Glück war inzwischen alles unter Kontrolle und wir beeilten uns nach Hause zu kommen.
Nach drei Tagen Großstattleben waren wir mal wieder etwas geschafft und machten uns am Freitag weiter in die Hafenstadt Valparaíso.
























