Station 3: „Savoir-Vivre“ in Mendoza

Am Dienstagvormittag erreichten wir die dritte Station unserer Reise. Die Gruppe war inzwischen dezimiert auf vier, da Ferdinand von San Juan nach Santiago weitergereist war. Carola, Philipp, Leo und ich wurden am Terminal von einem Hosteling-International-Mitarbeiter aufgegriffen, der uns in das „Mendoza Inn“ schickte. Unser Plan, couchzusurfen ging schon wieder nicht auf, weil wir keine Rückmeldungen bekommen hatten.

Das „Mendoza Inn“ liegt in der modernen Einkaufs- und Nachtleben-Meile Villanueva. Schon beim ersten Durchfahren fiel uns auf, wie „unargentinisch“ (im Vergleich mit unseren bisherigen Eindrücken von dem Land) sie wirkt. Die Straße ist ziemlich schick, außerordentlich gepflegt, man sieht fast nur teure Autos und europäisch wirkende Bars und Hostels.  Alle Straßen Mendozas sind als Alleen mit großen Bäumen bepflanzt, was die Hitze erträglicher macht.

Trotzdem machten uns die  Temperaturen ziemlich träge, sodass wir unseren Nachmittag nur im riesigen Stadtpark „San Martín“ verbrachten, in dem man sich wiederum eher wie in Miami fühlt. Palmenbewachsene Straßen und vor allem etliche Freizeitsportler prägen das Bild. Die Motivation der Mendocinos bei 35 Grad in der Mittagshitze joggen zu gehen beeindruckte uns, während wir selbst „Savoir-Vivre“ praktizierten und außer einer Siesta im Schatten und Eis essen an diesem Tag nicht mehr viel taten und trotzdem extrem müde vom Nichtstun waren.Während der  nächsten beiden Tage, an denen unsere Gruppe wieder zu sechst auftrat, musste ich feststellen, wie schwierig es ist, bei mendocianischen Temperaturen ein Kultur-oder Sightseeing- Programm durchzuziehen. Wir waren hauptsächlich dankbar für den Hostel-Pool und gekühlte Geschäfte, die allerdings von 13-17 Uhr Siesta halten.

Ansonsten hat Mendoza einige schöne Plazas, den Park und eine dann doch wieder sehr argentinische Haupteinkaufsstraße zu bieten (massenhaft Menschen,  junge Männer, die präsentierend ihre Freundinnen im Arm spazierenführen, Eltern mit in Tücher gewickelten Babies im Arm (ich habe den Eindruck, dass Kinderwägen nicht so üblich sind), Menschen, die Eis oder andere billige Waren anpreisen und freche kleine Jungs, die selbst nachts ohne Eltern unterwegs sind.)

Was mir in Mendoza und Umgebung zum  ersten  Mal so passiert ist, ist, extrem angestarrt zu werden. Mit blonden Haaren  fällt man in Südamerika wohl immer auf, aber noch nie davor, fühlte ich mich so unter Dauerbeobachtung und als ob jeder Blick an mir kleben bleibt, als auf dem Markt in Mendoza. Und dass, obwohl es eine größere Stadt mit Touristen ist.

Da Mendoza ja die Weinregion Argentiniens ist, durfte auch ein Ausflug zu den Bodegas, den Weingütern der Region, nicht fehlen. Maipú, eine Kleinstadt nahe Mendoza, besitzt viele davon und lebt davon, einmal im Lonely Planet erwähnt worden zu sein. Es gibt dort einen Haufen Fahrradverleihe. Einer davon verlieh uns ein paar Tandems und wir radelten den Tag über von einer Bodega zur anderen, zu einem Olivengut und dem Weinmuseum. (Die Tatsache, dass betrunkene, radfahrende  Touristen auch zur Gefahr im Straßenverkehr werden können , ist hier auch der Polizei egal.)

Am Freitag konnte ich endlich meine Schwester Marion am Terminal abholen und wir fuhren (inzwischen zu zehnt) über Weihnachten in ein Ferienhaus in der Nähe der Stadt. Erwähnenswert finde ich noch Ésteban, einen Taxifahrer, auf den wir aufmerksam geworden waren, weil sein Taxi als einziges so groß war, um vier von uns mit dem ganzen Gepäck zu transportieren. Wir nahmen seine Dienste insgesamt viermal in Anspruch, was ihn richtig stolz machte. Als ich ihn fragte, wo und wie er Weihnachten feiern werde und er antwortete, dass er Taxi fahren würde und der Heilig Abend eigentlich ganz nett sei, weil man manchmal auch eine Empanada von einem Kunden geschenkt bekommt, fiel mir mal wieder auf, wie unglaublich privilegiert ich bin und was ich für ein Glück habe, diese Erfahrungen gerade so selbstverständlich machen zu dürfen. In Mendoza habe ich bisher die unbeschwertesten und schönsten Tage hier in Südamerika verbracht, was hauptsächlich mit der tollen Stimmung in unserer Gruppe zu tun hatte.

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