„Die Raffinierten“ in Montevideo

Gerade komme ich von einem tollen Wochenende in Montevideo zurück, dass mir glaube ich geholfen hat, das Land deshalb viel mehr zu schätzen, weil ich es aus einer anderen Perspektive kennen gelernt habe.

Bisher kannte ich von Uruguay Nueva Helvecia, Colonia, wo ich umsteige und auch schon Ausflüge hingemacht habe und einige umliegende Orte. Nach Montevideo waren wir auch schon einmal mit einem Klassenausflug gefahren, damals habe ich aber von der Atmosphäre der Stadt wenig mitbekommmen.

Dieses Wochenende ging´s also los, die Hauptstadt meines Einsatzlandes gemeinsam mit Ida aus Buenos Aires besser kennenzulernen. Da ihre Fähre in Colonia landete und sie dann mit dem Bus weiterfahren würde, gingen wir davon aus, dass dieser zwangsläufig die Strecke, die an Nueva Helvecia vorbeiführt, einschlagen würde, sodass ich da hervorragend zusteigen können würde und wir die zwei Stunden Fahrt gemeinsam verbringen könnten.

Himmel, sind wir raffiniert!

Das dachte ich genau bis zu dem Zeitpunkt, als ich den Bus bestieg und mich im selben Moment Ida von einem geliehenen uruguayischen Handy anrief und mir mitteilte, dass unser Plan „überhaupt nicht“ aufging, da sie in einem Shuttlebus saß, der direkt nach Montevideo fuhr und ihr argentinisches Handy zudem nicht funktionierte. Wir verabredeten also, uns an der Bussation zu treffen, da wir uns ja telefonisch nicht mehr erreichenkönnen würden. Da mir schon schwante, dass DER Hauptumsteigeplatz aller Reisebusse in Uruguay vielleicht nicht ganz so klein ist, schickte ich ihr zum Glück noch die Adresse unserer Couchsurfing-Gastgeberin- nur für den Notfall.

Und der sollte eintreten:) Als ich um 23.30 Uhr in Monte ankam, war da keine Ida weit und breit. Ich wartete sieben Buquebus-Shuttlebusse ab, immer mit der Hoffnung, jemand Kleines, Blondes könnte aussteigen und mit der steigenden Panik, jemand könnte die Kleine, Blonde entführt haben oder sonstiges, als mich eine Frau anrief (die sich als Angestellte der Taxizentrale herausstellte), die meinte sie habe eine Ida an der Türe, die nicht wisse, wie sie reinkomme. Was ein Glück!

Nach dem wir uns m Busterminal übersehen hatten, hatte Ida zum Glück, den Notfallplan ergriffen und ein Taxi zu Rossella, unserer Gastgeberin genommen. Ich folgte also mit dem unfreundlichsten Taxifahrer, den ich bisher kennengelernt habe (No te entiendo!, No entiendo nada!) nach und wir fielen uns in der Wohnung eines bisher noch fremden Paars, das uns nur staunend beobachten konnte, da die beiden kein Wort verstanden, in die Arme.

Diese zwei Fremden waren Rossella und Marcelo, bei denen wir diese Wochenende im Wohnzimmer übernachtet haben. Die zwei haben nicht nur eine beeindruckende Wohnung mitten in der Altstadt (ungefähr doppelt so groß, wie unser Haus in Nueva Helvecia), sondern waren ausch supernett und führten mir vor Augen, dass Nueva Helvecia und seine Einwohner nicht repräsentativ für das ganze Land stehen.

Das vergisst man leider recht schnell, wenn man nur dort Zeit verbringt, aber übertragen gesehen, ist meine Situtation wohl so, als wäre jemand in Deutschland in einem kleinen Dorf auf der schwäbischen Alb eingesetzt, wo er sich sein Bild von den Deutschen macht und dann am Wochenende mal nach Berlin käme.

Den Samstag verbrachten wir also in der Altstadt, beim Flohmarkt und auch sonst recht fleissig einkaufend, schlemmend (man gönnt sich ja sonst nichts) und wie es sich für richtige Touristen gehört an der Rambla, also der Stadt-Strand-Promenade und im Parque Rodó, einem riesigen Park, in dem sich unter anderem Uruguays größter Vergnügunspark befindet.

Mein Glück war perfekt, als uns Marcelo und Rossella am Abend mit zu einem alternativen Konzert nahmen, wo ich zum ersten Mal in Uruguay studentisch wirkende Menschen sah, mit deren Lebensstil ich mich identifizieren konnte. Wenn ich das so schildere, soll es nicht so wirken, als ob ich die Menschen in Nueva Helvecia und ihren Lebensstil verurteile. Trotzdem ist es beruhigend zu sehen, dass Nueva Helvecia das Leben und die Bevölkerung auf dem Land und deren Mentlität repräsentiert, es aber durchaus auch andere Menschen und Einstellungen gibt.

Den Sonntag verbrachten wir auf einer Feria, einem Markt, auf dem es von Obst, Kleidern aus China, Tieren, Tourikram und schönen Antiquitäten alles gibt und genossen danach unsere letzten Stunden an der Standpromenade.

Mir hat das Wochenende nicht nur gut getan, weil wir schöne touristischen Dinge unternommen haben, sondern hauptsächlich, weil ich mit Ida gemeinsam über unseren bisherigen Einsatz reflektieren konnte und es mir wieder einen neuen Blick darauf ermöglicht hat. Wenn man alleine mit all seinen Eindrücken und Erlebnissen in einer fremden Umgebung konfrontiert ist, und sich wie ich, über alles sehr viele Gedanken macht, bekommt man oft, einen völlig anderen Eindruck von der Wichtigkeit von Einzelheiten, als wenn man das Ganze mal zu zweit aus der Vogelperspektive betrachtet.

Deshalb hat mir dieses Wochenende echt gut getan.

Zu Montevideo bleibt noch zu fragen:

-Wo ind die Touristen?

-Warum darf man von der deutschen Botschaft kein Foto machen?

-Wo ist der Berg, nachdem die Stadt benannt ist? (Monte vide eu= Ich sehe einen Berg)

und

-Was machen die Rioplatenses (die Stadtbewohner) nach drei Uhr Mittag? Da ist nämlich selbst in der Innenstadt koplett der Hund begraben.

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Eine Antwort zu „Die Raffinierten“ in Montevideo

  1. Kathi sagt:

    Ganz recht. Städteerkundigungen sind zu zweit oder mehreren einfach schöner – auch und trotz Eurer Hindernisse und abenteuerlichen Anreise. Immerhin ist etwas beruhigend, dass Montevideo als ein relativ sichere Stadt gilt.
    Deine Erfahrungen in Uruguay haben Dich, finde ich, schon ziemlich weit gebracht. Vermutlich gerade wegen Deiner Herangehensweise, dass Du Dir über alle Erlebnisse viele Gedanken machst. Die Betrachtung von Sachverhalten aus verschiedenen Perspektiven, die dann einen neuen Blick darauf ermöglichen und als Folge davon auch neue Handlungsperspektiven, gilt z.B. als eines der Prinzipien in der Beratung nach dem sog. Ansatz der „systemischen Beratung“. Ist aus meiner Erfahrung durchaus eine praxistaugliche Variante. Die „Vogelperspektive“ ist eine ganz gut gewählte Distanz. Ich habe diese im Burgund mal aus einem kleinen Segelflugzeug aus „live“ nachvollziehen können – und mir vorgenommen, bei nächster Gelegenheit als weiteren Schritt einen Gleitflug-Fallschirm-Sprung aus eben diesem kleinen Segelflugzeug zu machen. Ich glaube, man kann immer den Horizont erweitern; und manchmal ist die erlebte Erfahrung dabei wesentlich.

    Wo ist der Berg, nachdem die Stadt Montevideo benannt ist? Eine interessante Frage. Aus ganz anderer Perspektive heißt das vielleicht – ganz neu betont – Monte Video? Und tatsächlich, DAS gibt es das auf der Schwäb./bayr. Alb!

    Und Noch was Interessantes aus Montevideo:
    Vor etwa 200 Jahren entstand in Montevideo der Tango. Damals verdienten sich Sklaven durch Tänze Geld, um sich selbst und ihre Angehörigen und Freunde freikaufen zu können. Die Musik wurde dann mit Elementen anderer Herkunft kombiniert. Der erste richtige Tango wurde 1886 in Montevideo komponiert.

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