Hey:) Ich bin Sonja, 18 Jahre alt, ich lebe für ein Jahr in Taschkent der Hauptstadt von Usbekistan.
Ich lebe zusammen mit einer Freiwilligen die mit mir zusammen ausgereist ist und das letzte halbe Jahr auch mit einem kulturweit Freiwilligen der der sein Jahr hier um ein halbes Jahr mit uns versetzt verbringt, also jetzt im Februar zurück nach Deutschland fliegt.
Da es in meiner Erfahrung sehr schwierig ist online aktuelle und alltagsnahe Informationen zum Leben in Taschkent zu finden, werde ich versuchen ein bisschen aus meinem Leben in Usbekistan zu berichten.
Ich habe eine ganze Liste mit kleinen komischen und lustigen Sachen die uns hier begegnet und passiert sind. Eine der auffälligsten und vor allem zu Beginn überfordernsten Sachen ist der Verkehr. Durch die ganze Stadt ziehen sich mindestens vierspurige Straßen in beide Richtungen. Ich bin zwar Großstadt gewöhnt, aber die Straßen sind hier nochmal eine Nummer Größer. Der Fahrstil unterscheidet sich sehr von dem in Deutschland: Die Autos fahren zwischen den Spuren und rasen in teilweise wild vollgepackten Wagen durch die Stadt, auch Anschnallen ist hier nicht üblich, wobei gerade versucht wird zumindest die Fahrer wieder dazu zu bringen sich anzuschnallen. Sich auf der Rückbank anzuschnallen bringt aber auf jeden Fall Unglück wurde uns von Usbeken gesagt.
Wie fahren hier extrem viel Taxi, weil es das praktikabelste ist um sich in der Stadt fortzubewegen und es für unsere Verhältnisse sehr günstig ist, so 1-3€ pro Fahrt. Außerdem gibt es eine App mit der man einfach das Taxi zu einem bestimmten Ort bestellen kann, in der auch der Preis festgelegt ist. Ich will mir gar nicht vorstellen wie oft ich schon am falschen Ort gelandet wäre, müsste ich den Taxifahrern sagen wo ich hin möchte.
Hier in Taschkent gibt es aber eine sehr gut ausgebaute Infrastruktur. Es gibt eine Metro (U-Bahn) mit sehr schönen Stationen und auch Busse, die ähnlich wie die in Deutschen Großstädten aussehen. Und ganz viele Restaurants und Cafes, die zwar teurer sind als traditionelle Restaurants aber teilweise auch ähnlich in Europa existieren könnten und für Deutsche Verhältnisse immer noch extrem günstig sind. Nur mit Vegetarischem Essen ist es überall schwierig. Ich esse auch hier vegetarisch, aber Hauptgerichte werden hier üblicherweise kaum ohne Fleisch angeboten. Es gibt hier ziemlich viel „normales“ zu kaufen, aber sobald es sich um importierte Produkte handelt, sind die Preise unglaublich, nämlich sogar teurer als in Europa. Wenn man hier eine Zara Hose findet, dann ist der Usbekische Preis 20€ teurer als der Euro Preis und Nutella kostet hier 8€. Das ist im Vergleich zu anderen Produkten und vor allem Restaurants sehr extrem. Denn sonst ist es hier für uns meistens sehr günstig. Wobei man bedenken muss, dass die Inflation hier sehr hoch ist und auch die Preise steigen.
Hier läuft die Kommunikation auf Russisch und auf Usbekisch. Fast alle Menschen können Russisch, das ist aber nur hier in der Hauptstadt so. Das heißt aber auch, dass viel Schrift Kyrillisch ist, das war im ersten Moment extrem überfordernd, weil ich vor der Ausreise nicht wirklich damit begonnen habe die Sprache zu lernen. Mittlerweile funktioniert das aber ganz gut, und gerade für Speisekarten benutze ich viel einfach google lens.
Für uns war es unglaublich hilfreich mit dem Freiwilligen der schon ein halbes Jahr hier war zusammen zu leben, und alles zusammen machen. Er kann sich hier sehr gut verständigen, wir wären in der ersten Zeit hier ziemlich aufgeschmissen gewesen. Das hat sehr viel Sicherheit gegeben und darüber hinaus hat uns gerade zu Beginn meistens mindestens zu zweit unterwegs zu sein den Alltag ungemein erleichtert.
Ich versuche jeden Tag mit Duolingo und Babbel Russisch zu lernen und freue mich immer sehr, wenn ich Wörter und Sätze verstehe oder auf Rückfragen antworten kann. Aber es geht nur langsam voran und es gibt immer wieder Situationen in denen es Schwierigkeiten gibt sich zu verständigen. Ich fand das Gefühl zu Beginn, noch nicht einmal die einfachsten Wörter und Halbsätze sagen zu können, sehr komisch, also z.B. in der Apotheke nur in der Lage zu sein der Person, mit dem Kommentar ”das da” google Übersetzter vor die Nase zu halten.
Mittlerweile haben wir einen Intensiv Sprachkurs gemacht, in Bishkek. Der war sehr intensiv, weil wir alle 30h in fünf Tagen gemacht haben, weniger am Tag bringt einen wahrscheinlich weiter, aber es hat trotzdem geholfen. Ein paar einfache Sätze lang kann ich mich jetzt unterhalten und ich verstehe immer mehr.
Taschkent ist eine sehr große Stadt und im Gegensatz zum Rest von Usbekistan sehr viel moderner, entwickelter und auch liberaler. Es gibt hier viele junge Leute, die neben der Schule in Sprachzentren noch Englisch Unterricht nehmen, aber es ist nicht so, dass es üblich ist das jeder Englisch spricht und wenn dann oft nur sehr oberflächlich. Einzelne Cafes bieten Englische Karten an, allerdings bringt das meistens zum Bestellen herzlich wenig, weil die Kellner, dann nicht verstehen was wir wollen und eine Russische Karte zum Abgleichen holen müssen.
Die Leute hier sind in meiner Erfahrung sehr Gastfreundlich gerade gegenüber Ausländern, was natürlich sehr praktisch ist und es mir im Normalfall auch nicht böse genommen wird wenn ich nicht verstehe wie etwas gerade abläuft. Ich falle mit meinen blonden Haaren hier sehr auf und ich musste mich auf jeden Fall erstmal daran gewöhnen, dass ich sehr viele Blicke auf mich ziehe. Als offensichtlich nicht usbekische Frau werde ich hier sobald ich ohne männliche Begleitung unterwegs bin anders behandelt. Auf Basaren wird mir alle 2 Meter “hübsches Mädchen” entgegengerufen und wenn ich im Kiosk ein paar Sachen kaufe, darf ich die Einkäufe nicht in der Hand tragen, sondern sie werden mir von einem übereifrigen Verkäufer abgenommen und er berät mich ungefragt was ich nehmen sollte. aber alle Usbeken und Usbekinnen, die ich kennen gelernt habe sind super freundlich und interessiert an mir.
An einem Wochenende im Dezember habe ich bei der größten Model United Nations Conference in Zentralasien, mit 600 Leuten teilgenommen und ich war einfach wirklich die einzige Person mit natürlich blonden Haaren, das ist immer noch ein komisches Gefühl. Außerdem sind die meisten Usbeken kleiner als ich, das kommt noch dazu. Es war eine sehr ungewöhnliche Erfahrung mit 30 Usbeken auf Englisch über Frauenrechte zu diskutieren, die allermeisten haben eine ganz andere Weltsicht auf Themen in dieser Richtung, es war gar nicht so einfach keine Nervenzusammenbrüche zu bekommen, bei dem was die da alle von sich gegeben haben. Es war auf jeden Fall eine Erfahrung an so einer Konferenz teilzunehmen, gerade in diesem Rahmen.
In einigen Aspekten fällt einem hier kaum auf, dass man nicht in einer Europäischen Großstadt ist, aber so ein paar Aspekte sind schon anders, z.B. die Bauweise der Häuser, hier oft Sowjetische Plattenbauten die schick verziert sind. Aber auch die Rechte: Man darf hier nicht Protestieren, so etwas wie Demonstrationen oder eine politische Opposition gibt es hier nicht und Gleichgeschlechtliche Beziehungen sind verboten, für Männer gibt es Gefängnisstrafe dafür.
Wohnen ist hier schon anders als ich es aus Deutschland gewohnt bin: Wir wohnen in einem nicht sanierten Sowjetischen Plattenbau, in jedem Raum gibt es eine anders glitzernde Blümchentapete, Kronleuchter und Usbekische Teppiche. Die Isolierung ist auch nichts krass, unser Raum mit der Fenster Front nimmt quasi die Außentemperatur an. Was dazu führt, dass ich mich bei Temperaturen zwischen +5 und -15 sehr viel lieber in meinem Bett aufhalte, als am Tisch im kalten Raum und wenn es kalt ist auch drinnen relativ warm angezogen rumlaufe. Wir hatten schon manchmal Stromausfälle oder plötzlich kein (Warm)Wasser mehr, aber das meistens nur für ein paar Minuten oder Stunden.
Die Luft hier ist sehr trocken und sehr verschmutzt, ich vermisse manchmal frische Luft. Aber es scheint hier sehr oft die Sonne und es ist blauer Himmel zu sehen, das macht mich sehr glücklich. Aber gerade mit der diesigen Luft hier, war es sehr erfrischend mal in den Bergen frische Luft zu atmen.
Es gibt viele kleine Unterschiede, die einem irgendwann auffallen z.B., dass die Geschosse hier im Erdgeschoss angefangen werden zu zählen, der erste also der zweite Stock ist oder, dass die Leute in öffentlichen Verkehrsmitteln oft einfach laut Videos anschauen. Es gibt aber vor allem Unterschiede in der Mentalität. Alles funktioniert hier sehr spontan, nichts wird vernünftig vorher geplant und am Abend vorher bekommt man dann die Info, dass am nächsten morgen eigentlich ein Vortrag gehalten werden soll. Bei Veranstaltungen kommen immer viele Leute zu spät und kommen und gehen aber auch wann sie wollen.
Ich hab mich hier sehr gut eingelebt mittlerweile, aber jede Woche habe ich wieder einen Moment, in dem ich mich frage was hier grade eigentlich passiert, weil irgendwas passiert was ich gar nicht erwartet habe oder super lustig ist. Darauf reagieren wir einfach nur noch mit dem Kommentar „Usbekistan!“.