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While Creating Happiness in Veliko Tarnovo

„Ich glaube an den kulturellen Austausch. Und ich glaube, dass es nicht nur eine Gemeinschaft der Kartoffeln und Tomaten geben darf, sondern es muss auch den Austausch für die Arbeiter der Kunst geben.“ – Melina Mercouri

„Kulturhauptstadt Europas“ ist eine Initiative der EU. Die Benennung als sogenannte Kulturhauptstadt soll dazu beitragen, den Reichtum, die Vielfalt, aber auch die Gemeinsamkeiten des kulturellen Erbes in Europa zu akzentuieren und ein besseres Verständnis der Bürger Europas füreinander zu ermöglichen.

Initiiert wurde das Ganze 1985 von der damaligen, griechischen Kulturministerin Melina Mercouri – aus der hauptsächlich mit Agrarsubventionen beschäftigten Gemeinschaft sollte eine Kulturgemeinschaft werden.

Dieses Jahr wurde eine bulgarische und eine italienische Stadt ausgewählt. Auch Veliko Tarnovo bewarb sich. Natürlich wurde eigenes hierfür ein Komittee und ein sogenanntes „Project Office“ eingerichtet, wo ich ca. vier Monate neben der Schule mitarbeiten durfte.

Mittlerweile ist die Ernennung ein großer Wirtschaftsfaktor, mit viel medialer Aufmerksamkeit. Sie mobilisiert ganze Regionen und hat Ausmaße angenommen, die damals undenkbar gewesen wären.

Am 9. Mai beispielsweise, passend zum sogenannten Tag der EU gab es in Veliko Tarnovo ein großes, interkulturelles Picknick. Es war sehr schön zu sehen, wie eine ganze Nachbarschaft mobilisiert wurde. Viele Menschen haben etwas beigetragen, sich in völlig unterschiedlichen Formen engagiert. Es geht voran und vieles ist noch immer in Bewegung. Bleibt nur die Hoffnung, dass die Bewerbung zur Kulturhauptsatdt Europas in den jeweiligen Städten die Entwicklung eines zivilgesellschaftlichen Bewusstseins anstößt und fördert.

Der Workshop - Kasten

 

 

 

 

Gewonnen hat allerdings die zweitgrößte Stadt Bulgariens, – Plovdiv. Glückwunsch!

PS: „Maina“ ist im plovdiver Dialekt eine positive Bezeichnung für Freunde.

Zwischen Patriotismus und Nationalismus

„Ein Patriot ist jemand, der sein Vaterland liebt. Ein Nationalist ist jemand, der die Vaterländer der anderen verachtet.“ (Johannes Rau)

Demnach ist an Patriotismus nichts auszusetzen. Trotzdem sind wir Deutschen diesem gegenüber sehr skeptisch gesinnt. Die Frage, die sich unter anderem stellt, ist, ob Vaterlandsliebe wirklich – wie so oft behauptet wird – die weitere Entfaltung der europäischen Idee erschwert?

Laut Daniela Mikhaylowa, Vorsitzende der Initiative für Chancengleichheit in Sofia, nimmt der Nationalismus in Bulgarien zu. Dabei war Bulgarien lange ein Paradebeispiel für ethnische Toleranz. Im Mai 2011 lobte UN – Generalsekretär Ban Ki-moon Bulgarien als Beispiel für das friedliche Zusammenleben verschiedener Kulturen und Religionen auf dem Balkan. Seine Rede beendete er mit „I think that all of you have a great reason to be proud of being Bulgarian […].“ Abgesehen vom allgegenwärtigem Antiziganismus kann ich dem zustimmen.

Viele Bulgaren sind zurecht stolz, während des 2. Weltkriegs die ca. 50.000 bulgarischen Juden nicht an das NS-Deutschland ausgeliefert zu haben. Andere, in diesem Kontext dunklere Kapitel der bulgarischen Staatsgeschichte werden jedoch geleugnet, – was auf eine verzerrte Darstellung und Rhetorik schließen lässt.

Andrerseits: Nach dem Ende des Sozialismus 1989 wurde ein gewaltsamer Konflikt zwischen der slawischen Mehrheit und der türkischen Minderheit vermieden. Die türkische Minderheit erhielt die ihr zustehenden Bürgerrechte und gründete ihre eigene Partei „Движение за права и свободи“ (Bewegung für Rechte und Freiheiten).

Heute ist es ethnisch angespannter, denn der Wunsch nach einer monoethischen Bevölkerungsstruktur nimmt immer weiter zu. Was vor allem an der tiefgreifenden sozialen, wirtschaftlichen und politischen Krise des Landes liegt. Kann es sein, dass eine unmittelbare Konsequenz von gelebtem Patriotismus vielleicht sogar Fremdenfeindlichkeit ist? Birgt Patriotismus potenziell deshalb stets eine gewisse Gefahr mit sich, weil es in schwierigen Zeiten oft überschwappen kann? Wie stark ist das Akzeptieren der vermeintlich fremden (?) Mitmenschen an Wohlstand und Stabilität gekoppelt?

Wie ist es mit unreflektierter, öffentlich zur Schau getragener Vaterlandsliebe? Wobei es mir selbstverständlich nicht zusteht, darüber zu urteilen, inwieweit Reflexion greift. Außerdem gehört jene Form von Patriotismus, wörtlich gesehen einfach mal Flagge zu zeigen, in vielen Ländern einfach zum guten Ton. Einige Schüler beispielsweise begründen die an ihre Federtasche gepinte Flagge mit: „Weil ich Bulgare bin!“

Wenn ich in Veliko Tarnovo die Hauptstraße entlanglaufe, kommt kurz vor der bekannten Ulitsa Vasil Lewski ein Abschnitt, in dem man quasi in ein Flaggenmeer taucht. Anscheinend nur auf Wunsch des Gemeinderates hin.

Andrerseits ist es so, dass ich im Gespräch mit Bulgaren über einen eventuellen Patriotismus oft ein verwundertes „Gibt es einen solchen?!“ zu hören bekomme. Der in Österreich lebende Journalist Todor Ovtcharov behauptet, Patriotismus sei ein für ihn fremdes Gefühl. Außerdem glaube er nicht, dass man auf den Ort, wo man geboren wurde, stolz sein könne, da man diese Entscheidung nicht selber getroffen habe. Natürlich ist der Begriff „Heimat“ auch pragmatisch behaftet. Aber ich bezweifle, dass man Emotionen, die man mit seiner Heimat verbindet, mit einer solchen Nüchternheit betrachten kann. Ovtcharov zufolge dürfe man sich aus dem gleichen Grund auch nicht für seine Herkunft schämen.

„Es ist mir unerklärlich, wieso es Leute gibt, die ihr Land auf der Suche nach einem besseren Leben verlassen, um sich dann im Ausland gegen die Brust zu prahlen und zu behaupten, dass ihr Heimat das Paradies auf Erden. […]“

 

Den meisten Bulgaren ist das Gefühl von Patriotismus nicht fremd, denn sie leben ihn gern. Was auch völlig in Ordnung ist, solange es nur dabei bleibt. Und so lange der sogenannte „Square of Tolerance“ in Sofia, bestehend aus einer katholischen Kathedrale, einer Moschee, einer Synagoge und einer orthodoxen Kirche bleibt, was es ist … und zwar ein Zeichen dafür, dass seit Jahrhunderten ethnische und religiöse Vielfalt in Bulgarien völlig normal ist.

Quellen:

– Konstantin Sachariew: Magisterarbeit: Nation und Minderheit in Bulgarien, Institut für Politik- und Verwaltungswissenschaften der Universität Rostock, 2006, S. 25 ff.

Ulrich Büchsenschütz: Nationalismus und Demokratie in Bulgarien seit 1989. In: Egbert Jahn (Hrsg.): Nationalismus im spät- und postkommunistischen Europa. 2: Nationalismus in den Nationalstaaten, Nomos, 2009, S. 614.

Mein nicht alltäglicher Alltag

Heute möchte ich euch von meinem Alltag erzählen. Der meistens gar nicht viel Alltägliches beinhaltet. Aber genau dies definiert ihn so treffend. Eine große Veränderung, mit der ich alltäglich konfrontiert werde: nach Sonem wird hier so gut wie nie gerufen! Zumindest nicht in der Einsatzstelle. Entweder bin ich Sonche (eine Verniedlichung meines Namens) oder Sonja. Begeistert bin ich davon zwar nicht, aber schließlich zählt die Geste dahinter. Und außerdem kommt ein neuer Name zeitlich genau richtig, denn ich verändere mich hier selbstverständlich. All die Erfahrungen haben ihren Preis: sie stellen die eigene Sicht auf jegliche Dinge in Frage.

Darüber habe ich auch bereits mit Daniela (Freiwillige in Sliwen) philosophiert, während ich ihr meine Stadt im schönsten Licht vorstellen durfte. Cafe – Hopping durfte dabei natürlich nicht fehlen!

Daniela streitet immer noch vehement dafür, dass die Eule (!) auf diesem Platz vor dem Reiterdenkmal ein Pinguin ist ...

Daniela streitet vehement dafür, dass die Eule (Symbol der Weisheit!) auf dem Platz vor dem Reiterdenkmal ein Pinguin ist …

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Mittlerweile ist auch in meinem Kühlschrank wieder Platz für eine abwechslungsreiche Ernährung. Die 2 kg Tomaten, die ich aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse statt der gewünschten 2 (!) Tomaten gekauft hatte, wurden mehr oder weniger kreativ aufgebraucht. Aber ich esse hier mittlerweile eh fast alles. Ihr glaubt mir nicht? 😉 Bei meiner praktizierten Kochkunst und der Tatsache, dass ich viele Speisekarten nicht lesen kann, weil sie auf kyrillisch sind, bleibt mir nichts anderes übrig.

Nein, dass ist natürlich nur ein parnierter Pfannkuchen.

Et Voilà! Schnitzel mit einer Kugel Vanille-Eis drauf … oder?!

Wenn ich aber nicht gerade meine kulinarischen Grenzen austeste, arbeite ich. Mit den Schülern aus der 9. Klasse nehme ich momentan am Projekt „Grenzenlos Glücklich“ teil. Es wurde 2012 in Ungarn von einer „kulturweit“ – Freiwilligen ins Leben gerufen. Im Grunde geht es darum, sich mit jungen Menschen weltweit auf die Suche nach Glück zu begeben und dabei wesentlichen Fragen näher zu kommen. Dabei ist das Skizzieren vom „großen Glück“ gleichrangig mit Glücksmomenten im Alltag. Wenn man sich die Arbeitsergebnisse der Schüler anschaut, stellt sich einem oft die Frage, ob das große Glück nicht das kleine Glück im Alltag ist. Für mich ist es auch wichtig, Ihnen in diesem Kontext vor allem alternative Lebensentwürfe vorzustellen …  Ich halte euch auf dem Laufenden!

Ein schöner, sommerlicher Herbst.

Ein schöner, sommerlicher Herbst.

Der Oktober neigt sich langsam dem Ende zu und wir haben hier meistens ca. 23 Grad. Sollte das Wetter hier mal unangenehmer sein, spiele ich halt mit meiner Lieblings-Bulgarin! Die mich übrigens völlig ohne Worte versteht!

                 Sofia möchte Schwimmen lernen.

Hier ist Sofia damit beschäftigt, das Schwimmen zu lernen.

Am Wochenende bin ich über Plowdiw nach Kardzhali gefahren. Nach Plowdiw muss ich als Geschichtsbegeisterte unbedingt nochmal hinfahren, denn auch heute noch ist der römische Einfluss nicht zu übersehen.

Das römische Theater

Das römische Theater

In Khardzhali fand letzte Woche die Veranstaltungsreihe „Deutschland feiert mit Kardzhali“ statt, wodurch die deutsche Botschaft mal stärkere Präsenz außerhalb Sofias gezeigt hat. Unter anderem gab es in diesem Rahmen ein Konzert der fränkischen Gruppe „Gankino Circus“, die in ihrem Auftritt Indie Folk, Franken und Progressive mit Balkanrhythmen verbunden hat. Richtige Partystimmung kam leider trotzdem nicht auf. Und das, obwohl mindestens eine Berlinerin und eine Hamburgerin dabei waren! 😉

Außerdem machten wir in Kardzhali eine kleine Wanderung nach Zimzelen, wo („von Gott geschaffene“*) politische Kunst von uns bestaunt wurde. Denn wir Freiwillige sehen keineswegs ein traditionelles Brautpaar … Vielleicht entsteht ja inspiriert hiervon ein Freiwilligenprojekt zum Umgang mit Minderheiten in Bulgarien.

Das sind doch eindeutig zwei Bräute, oder?

Diese Skulptur namens „Wedding stone“ ist angeblich natürlich geformt und wurde 1974 für ein Naturdenkmal erklärt. Das sind doch eindeutig zwei Bräute, oder?

Gestern bekam ich ziemlich plötzlich den ersten Anflug von Heimweh zu spüren. Aber nach ca. 190 Gramm Schokolade und aufmunternden Worten von Clemens, einem Mitfreiwilligen in Shumen, sah die Welt am nächsten Morgen schon ganz anders aus. 🙂

*Julian („kulturweit“ – Freiwilliger)

„Wahr ist nicht, was A sagt, sondern was B versteht.“

Heute bin ich bereits seit einem Monat hier. Es fällt mir ausgesprochen schwer zu begreifen, wie viel ich in einem solch kurzem Zeitraum erlebt habe. Mir gefällt mein neuer Alltag mit all seinen Facetten so gut, dass ich sogar mit dem Gedanken spiele, meinen Freiwilligendienst zu verlängern. Na gut, mir fehlen Spannbettlaken und Sushi-Restaurants. Aber ansonsten finde ich hier jeden Tag etwas, was das wieder vollkommen wettmacht!

Ich habe meine coolen Mitfreiwilligen unglaublich gern, die hier fast meine „Ersatz – Familie“ sind – sich aber noch an meine Tollpatschigkeit gewöhnen müssen … 😉  Vielleicht hat sich auch deshalb meine ursprüngliche Angst vor Heimweh als unhaltbar herausgestellt. Aber sicher auch, weil die Lieben Zuhause wirklich nur eine Facebook – Nachricht oder einen Skype – Anruf entfernt sind.

Es ist auch ein gutes Gefühl, wenn die Schüler zu mir kommen und fragen, wann ich wieder eine Stunde mit ihnen habe und dass sie sich drauf freuen.

Außerdem ist es schön, wenn die Leute mich überrascht anlächeln, wenn ich (versuche) etwas auf Bulgarisch zu sagen. Einige Schüler beispielsweise finden es zwar merkwürdig, aber gleichzeitig echt cool, dass ich Bulgarisch lerne und korrigieren mich immer nachsichtig, nachdem sie mich ausgelacht haben.

Letzte Woche habe ich indessen erfahren, wie viel an der allseits bekannten Annahme, die Sprache sei die Quelle der Missverständnisse, dran ist. Ich habe einer Lehrerin erzählt, für welche meiner geplanten Projekte eventuell ihre Klasse infrage käme und wie mein bisheriger Eindruck ist. Nach gefühlt jedem Satz bekam ich von ihr ein lautstarkes „Aha!“ zu hören. Nicht nur, dass mich dieser Ausruf verunsicherte, weil für mich ein „Aha!“ mit einem skeptischen „Interessant!“ gleichzusetzen ist, sondern fragte ich mich auch, ob ich irgendwas falsch gemacht hatte. Uns wurde auf dem Vorbereitungsseminar doch nahegelegt, zunächst die lernende, beobachtende Rolle einzunehmen. Und ich musste natürlich bereits nach drei Wochen alle mit meinen überambitionierten, aufwändigen Ideen nerven!

Ein paar Tage später habe ich durch meine Mentorin erfahren, dass dieses vielsagende „Aha!“ ein Ausdruck von (großer) Zustimmung ist. So leicht kann man sich irren! Laut meiner Mentorin ist die bulgarische Sprache mit zahlreichen Interjektionen behaftet, „da die Bulgaren leichtverständliche Klänge mögen.“ Tja … mal sehen, welcher ich das nächste Mal unwissend begegne.

Inspiriert davon habe ich heute in der 10. Klasse das Kommunikationsquadrat (Schulz von Thun) thematisieren dürfen. Obwohl ich eigentlich deutlich machen wollte wie durch gestörte Kommunikation Missverständnisse und folglich Konflikte entstehen, konnten sich die Schüler von der gruseligen Vorstellung eines Menschen mit 4 Ohren nicht losreißen! Erst als ich es anhand eines Bespiels ( – Ehepaar im Auto – die Frau fährt – der Mann wird ungeduldig und äußert dies durch Sätze wie „Du, es ist grün!“ – ) veranschaulicht habe, konnten sie drüber lachen und hatten es anscheinend einigermaßen verstanden. Einige menschliche Phänomene sind wohl überall auf der Welt vertreten!

„kulturweit und Ich“

Dass man mich im Ausland vielleicht nicht als Deutsche wahrnimmt, war mir nicht immer bewusst. Ich bin im toleranten und sehr bunten Hamburg aufgewachsen und es gab nie einen Anlass, der mich an mein Selbstbild zweifeln ließ. Erst als ich die Einladung zu einem Bewerbungsgespräch beim PAD erhielt, habe ich angefangen, mich konkreter mit meinem Hintergrund und der zukünftigen Rolle als „Kulturbotschafter“ auseinanderzusetzen. Ich weiß, dass mein Äußeres nicht dem Zerrbild einer blonden, im Stechschritt marschierenden Walküre entspricht. Nicht einschätzen zu können, inwiefern ich die Wurzeln meiner Eltern thematisieren muss und welches Wissen ich über Deutschland und seine gesellschaftliche Zusammensetzung als gegeben voraussetzen darf, löste in gewisser Hinsicht ein beklemmendes Gefühl aus.

Doch glücklicherweise habe ich feststellen dürfen, dass insbesondere in der Schule klar ist, dass Deutschland seit Jahrzehnten ein buntes Einwanderungsland ist. Viele Schüler setzen sich gezielt mit Deutschland und nahezu all den damit verbundenen gesellschaftlichen Fragesstellungen auseinander, da eine erhebliche Zahl in Deutschland studieren und leben möchte.

Vor einigen Tagen hatten wir im DSD-Raum Besuch. Die Tochter einer Mitarbeiterin der Schule kam mit ihrem Freund (A) aus München. Nachdem ich den beiden mit dem Satz „Das ist unsere Freiwillige aus Deutschland“ vorgestellt wurde, grinste mich A an und behauptete charmant „Ooh, da merkt man bereits an der Aussprache, dass du sehr gut deutsch sprichst.“ Irritation. Ich wiederholte bemüht freundlich „Ich bin Deutsche.“ Plötzlich sag A verwirrt aus. Da machte man jemandem schon ein Kompliment und bekam nicht mal ein Danke! Nach einer kurzen, wortkargen Pause sagte er hartnäckig: „Aber ‚Volksdeutsche‘ bist du ja nicht, oder?“

Fragend, ob er nicht zugehört hatte oder es nicht wahrhaben wollte, fragte ich ihn, was denn „Volksdeutsche“ seien. Da seine Definition Expressionen wie „gleiches Blut“ etc. einschloß, erspare ich euch die Taktlosigkeit. „Du hast auf dem Vorbereitungsseminar gelernt, wie du mit solch einer Situation umzugehen hast!“ – dachte ich mir.

Ich erwarte nicht, dass man mich zwangsläufig als Deutsche wahrnimmt. Insbesondere bei meinem Namen … aber einen historischen Ausdruck in einem völlig falschen Kontext zu missbrauchen, ist krötig. Besonders schade, wenn es junge Leute wie A (max. 30 Jahre alt) sind, die durch ein Mangel an Geschichtsbewusstsein auffallen. Es stellen sich mir einige Fragen. Ist ihm in München denn noch nie ein nichtblonder Deutscher über den Weg gelaufen?

Da A aber im Laufe des „Gesprächs“ auch Plattitüden wie „Mit Roma kann man ja auch einfach nicht friedlich zusammenleben!“ gebrauchte, verzichtete auf weitere Aufklärungsversuche mit dem Satz: „Ich seh schon, mit Ihnen könnte ich mich gut streiten.“ Aber besser, man einigt sich darauf, dass man sich uneinig ist. 😉

Auch möchte ich vor allem solche Erfahrungen nicht missen und bin im Nachhinein froh, denn sie machen einem klar, wie man von Fremden wahrgenommen wird. – Und das hilft enorm, sich seiner selbst bewusst zu werden.

Pozdravi,

Sonem

 

*Als „Volksdeutsche“ bezeichnete man außerhalb Deutschlands und Österreichs lebende „ethnische Deutsche“ (besonders in ost- und südosteuropäischen Ländern bis 1945). (Duden)