Archiv des Autors: Sonem Nangpal

Misch Masch!

Anfang November wird in Bulgarien der Ден на народните будители („Tag der nationalen Erweckung“) gefeiert. Da dieser Feiertag auf einen Freitag fiel, hatten wir ein verlängertes Wochenende. Ganz im Sinne der bulgarischen Wiedergeburt! Wiedergeburt wird hier aber nicht im kulturellem Sinne (Renaissance), sondern eher als eine Art „bulgarische Aufklärung“ verstanden, in der sich ein bulg. Nationalbewusstsein unter der 500 – jährigen osmanischen Herrschaft entwickelte. Falls ihr mehr hierzu lesen wollt, kann ich euch das Überblickswerk des deutschen Philosophen Frithjof Rodi sehr empfehlen.

Ich habe diese Tage mit drei anderen Freiwilligen verbracht. Die Fahrt nach Sliven war wirklich abenteuerlich und nervenaufreibend (…) aber als wir abends beim Himbeertee zusammensaßen und mit dem Lösen von black stories beschäftigt waren, konnte ich schon wieder darüber hinweg lächeln. Am Samstag ging es dann nach Nessebar, welche zum UNESCO Weltkultur –  und Naturerbe gehört und heute äußerst touristisch geprägt ist. Neben Seeluft genießen und konzentriert Ausschau nach einem Sushi-Restaurant halten, war eins ganz wichtig: der Besuch von wortwörtlich unzähligen (!),  wunderschönen Kirchen. Am Abend fuhren wir nach Burgas. Dort habe ich endlich Sushi gegessen. 🙂 Was zu erwarten war, da die Stadt das Zentrum der bulgarischen Fischfang- und Fischverarbeitungsindustrie ist. Seitdem ich hier bin, habe ich mich noch nie so sehr auf das Essen gefreut. Essen macht glücklich! Zumindest gilt das für mich! Diese Einstellung hat man möglicherweise der bestelten Portion angesehen. Schließlich stellte die Kellnerin jedem von uns ein Schälchen für die Sojasoße und Stäbchen hin … komisch, eigentlich war die Platte für mich allein bestimmt.

Beim Anblick des Hafens, welcher der größte Bulgariens ist, kamen Heimatgefühle auf.  Spätestens als wir am sonnigen Sonntagmorgen bei Temperaturen, die man ganz und gar nicht mit dem November verbindet, am Strand spazierend Muscheln gesammelt haben, wusste ich, dass sich mein mit einer anderen Freiwilligen aufgeschriebener Wunsch  zumindest ein bisschen erfüllt hatte. Egal wie wunderschön die bergige Landschaft auch sein mag, jetzt weiß ich, wohin ich bei Heimweh fahre.

 

Unser Träume - Floß

Wünsche – Floß: unser „Freitraum“ – Projekt auf dem Vorbereitungsseminar

 

PS: Danke an Clemens für die Fotos.

Ihr wundert euch über die komische Schreibweise der Überschrift? Misch Masch ist eine typisch bulgarische Mischung 😉 aus gebratenem Gemüse und Eiern.

Mein nicht alltäglicher Alltag

Heute möchte ich euch von meinem Alltag erzählen. Der meistens gar nicht viel Alltägliches beinhaltet. Aber genau dies definiert ihn so treffend. Eine große Veränderung, mit der ich alltäglich konfrontiert werde: nach Sonem wird hier so gut wie nie gerufen! Zumindest nicht in der Einsatzstelle. Entweder bin ich Sonche (eine Verniedlichung meines Namens) oder Sonja. Begeistert bin ich davon zwar nicht, aber schließlich zählt die Geste dahinter. Und außerdem kommt ein neuer Name zeitlich genau richtig, denn ich verändere mich hier selbstverständlich. All die Erfahrungen haben ihren Preis: sie stellen die eigene Sicht auf jegliche Dinge in Frage.

Darüber habe ich auch bereits mit Daniela (Freiwillige in Sliwen) philosophiert, während ich ihr meine Stadt im schönsten Licht vorstellen durfte. Cafe – Hopping durfte dabei natürlich nicht fehlen!

Daniela streitet immer noch vehement dafür, dass die Eule (!) auf diesem Platz vor dem Reiterdenkmal ein Pinguin ist ...

Daniela streitet vehement dafür, dass die Eule (Symbol der Weisheit!) auf dem Platz vor dem Reiterdenkmal ein Pinguin ist …

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Mittlerweile ist auch in meinem Kühlschrank wieder Platz für eine abwechslungsreiche Ernährung. Die 2 kg Tomaten, die ich aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse statt der gewünschten 2 (!) Tomaten gekauft hatte, wurden mehr oder weniger kreativ aufgebraucht. Aber ich esse hier mittlerweile eh fast alles. Ihr glaubt mir nicht? 😉 Bei meiner praktizierten Kochkunst und der Tatsache, dass ich viele Speisekarten nicht lesen kann, weil sie auf kyrillisch sind, bleibt mir nichts anderes übrig.

Nein, dass ist natürlich nur ein parnierter Pfannkuchen.

Et Voilà! Schnitzel mit einer Kugel Vanille-Eis drauf … oder?!

Wenn ich aber nicht gerade meine kulinarischen Grenzen austeste, arbeite ich. Mit den Schülern aus der 9. Klasse nehme ich momentan am Projekt „Grenzenlos Glücklich“ teil. Es wurde 2012 in Ungarn von einer „kulturweit“ – Freiwilligen ins Leben gerufen. Im Grunde geht es darum, sich mit jungen Menschen weltweit auf die Suche nach Glück zu begeben und dabei wesentlichen Fragen näher zu kommen. Dabei ist das Skizzieren vom „großen Glück“ gleichrangig mit Glücksmomenten im Alltag. Wenn man sich die Arbeitsergebnisse der Schüler anschaut, stellt sich einem oft die Frage, ob das große Glück nicht das kleine Glück im Alltag ist. Für mich ist es auch wichtig, Ihnen in diesem Kontext vor allem alternative Lebensentwürfe vorzustellen …  Ich halte euch auf dem Laufenden!

Ein schöner, sommerlicher Herbst.

Ein schöner, sommerlicher Herbst.

Der Oktober neigt sich langsam dem Ende zu und wir haben hier meistens ca. 23 Grad. Sollte das Wetter hier mal unangenehmer sein, spiele ich halt mit meiner Lieblings-Bulgarin! Die mich übrigens völlig ohne Worte versteht!

                 Sofia möchte Schwimmen lernen.

Hier ist Sofia damit beschäftigt, das Schwimmen zu lernen.

Am Wochenende bin ich über Plowdiw nach Kardzhali gefahren. Nach Plowdiw muss ich als Geschichtsbegeisterte unbedingt nochmal hinfahren, denn auch heute noch ist der römische Einfluss nicht zu übersehen.

Das römische Theater

Das römische Theater

In Khardzhali fand letzte Woche die Veranstaltungsreihe „Deutschland feiert mit Kardzhali“ statt, wodurch die deutsche Botschaft mal stärkere Präsenz außerhalb Sofias gezeigt hat. Unter anderem gab es in diesem Rahmen ein Konzert der fränkischen Gruppe „Gankino Circus“, die in ihrem Auftritt Indie Folk, Franken und Progressive mit Balkanrhythmen verbunden hat. Richtige Partystimmung kam leider trotzdem nicht auf. Und das, obwohl mindestens eine Berlinerin und eine Hamburgerin dabei waren! 😉

Außerdem machten wir in Kardzhali eine kleine Wanderung nach Zimzelen, wo („von Gott geschaffene“*) politische Kunst von uns bestaunt wurde. Denn wir Freiwillige sehen keineswegs ein traditionelles Brautpaar … Vielleicht entsteht ja inspiriert hiervon ein Freiwilligenprojekt zum Umgang mit Minderheiten in Bulgarien.

Das sind doch eindeutig zwei Bräute, oder?

Diese Skulptur namens „Wedding stone“ ist angeblich natürlich geformt und wurde 1974 für ein Naturdenkmal erklärt. Das sind doch eindeutig zwei Bräute, oder?

Gestern bekam ich ziemlich plötzlich den ersten Anflug von Heimweh zu spüren. Aber nach ca. 190 Gramm Schokolade und aufmunternden Worten von Clemens, einem Mitfreiwilligen in Shumen, sah die Welt am nächsten Morgen schon ganz anders aus. 🙂

*Julian („kulturweit“ – Freiwilliger)

„Wahr ist nicht, was A sagt, sondern was B versteht.“

Heute bin ich bereits seit einem Monat hier. Es fällt mir ausgesprochen schwer zu begreifen, wie viel ich in einem solch kurzem Zeitraum erlebt habe. Mir gefällt mein neuer Alltag mit all seinen Facetten so gut, dass ich sogar mit dem Gedanken spiele, meinen Freiwilligendienst zu verlängern. Na gut, mir fehlen Spannbettlaken und Sushi-Restaurants. Aber ansonsten finde ich hier jeden Tag etwas, was das wieder vollkommen wettmacht!

Ich habe meine coolen Mitfreiwilligen unglaublich gern, die hier fast meine „Ersatz – Familie“ sind – sich aber noch an meine Tollpatschigkeit gewöhnen müssen … 😉  Vielleicht hat sich auch deshalb meine ursprüngliche Angst vor Heimweh als unhaltbar herausgestellt. Aber sicher auch, weil die Lieben Zuhause wirklich nur eine Facebook – Nachricht oder einen Skype – Anruf entfernt sind.

Es ist auch ein gutes Gefühl, wenn die Schüler zu mir kommen und fragen, wann ich wieder eine Stunde mit ihnen habe und dass sie sich drauf freuen.

Außerdem ist es schön, wenn die Leute mich überrascht anlächeln, wenn ich (versuche) etwas auf Bulgarisch zu sagen. Einige Schüler beispielsweise finden es zwar merkwürdig, aber gleichzeitig echt cool, dass ich Bulgarisch lerne und korrigieren mich immer nachsichtig, nachdem sie mich ausgelacht haben.

Letzte Woche habe ich indessen erfahren, wie viel an der allseits bekannten Annahme, die Sprache sei die Quelle der Missverständnisse, dran ist. Ich habe einer Lehrerin erzählt, für welche meiner geplanten Projekte eventuell ihre Klasse infrage käme und wie mein bisheriger Eindruck ist. Nach gefühlt jedem Satz bekam ich von ihr ein lautstarkes „Aha!“ zu hören. Nicht nur, dass mich dieser Ausruf verunsicherte, weil für mich ein „Aha!“ mit einem skeptischen „Interessant!“ gleichzusetzen ist, sondern fragte ich mich auch, ob ich irgendwas falsch gemacht hatte. Uns wurde auf dem Vorbereitungsseminar doch nahegelegt, zunächst die lernende, beobachtende Rolle einzunehmen. Und ich musste natürlich bereits nach drei Wochen alle mit meinen überambitionierten, aufwändigen Ideen nerven!

Ein paar Tage später habe ich durch meine Mentorin erfahren, dass dieses vielsagende „Aha!“ ein Ausdruck von (großer) Zustimmung ist. So leicht kann man sich irren! Laut meiner Mentorin ist die bulgarische Sprache mit zahlreichen Interjektionen behaftet, „da die Bulgaren leichtverständliche Klänge mögen.“ Tja … mal sehen, welcher ich das nächste Mal unwissend begegne.

Inspiriert davon habe ich heute in der 10. Klasse das Kommunikationsquadrat (Schulz von Thun) thematisieren dürfen. Obwohl ich eigentlich deutlich machen wollte wie durch gestörte Kommunikation Missverständnisse und folglich Konflikte entstehen, konnten sich die Schüler von der gruseligen Vorstellung eines Menschen mit 4 Ohren nicht losreißen! Erst als ich es anhand eines Bespiels ( – Ehepaar im Auto – die Frau fährt – der Mann wird ungeduldig und äußert dies durch Sätze wie „Du, es ist grün!“ – ) veranschaulicht habe, konnten sie drüber lachen und hatten es anscheinend einigermaßen verstanden. Einige menschliche Phänomene sind wohl überall auf der Welt vertreten!

„kulturweit und Ich“

Dass man mich im Ausland vielleicht nicht als Deutsche wahrnimmt, war mir nicht immer bewusst. Ich bin im toleranten und sehr bunten Hamburg aufgewachsen und es gab nie einen Anlass, der mich an mein Selbstbild zweifeln ließ. Erst als ich die Einladung zu einem Bewerbungsgespräch beim PAD erhielt, habe ich angefangen, mich konkreter mit meinem Hintergrund und der zukünftigen Rolle als „Kulturbotschafter“ auseinanderzusetzen. Ich weiß, dass mein Äußeres nicht dem Zerrbild einer blonden, im Stechschritt marschierenden Walküre entspricht. Nicht einschätzen zu können, inwiefern ich die Wurzeln meiner Eltern thematisieren muss und welches Wissen ich über Deutschland und seine gesellschaftliche Zusammensetzung als gegeben voraussetzen darf, löste in gewisser Hinsicht ein beklemmendes Gefühl aus.

Doch glücklicherweise habe ich feststellen dürfen, dass insbesondere in der Schule klar ist, dass Deutschland seit Jahrzehnten ein buntes Einwanderungsland ist. Viele Schüler setzen sich gezielt mit Deutschland und nahezu all den damit verbundenen gesellschaftlichen Fragesstellungen auseinander, da eine erhebliche Zahl in Deutschland studieren und leben möchte.

Vor einigen Tagen hatten wir im DSD-Raum Besuch. Die Tochter einer Mitarbeiterin der Schule kam mit ihrem Freund (A) aus München. Nachdem ich den beiden mit dem Satz „Das ist unsere Freiwillige aus Deutschland“ vorgestellt wurde, grinste mich A an und behauptete charmant „Ooh, da merkt man bereits an der Aussprache, dass du sehr gut deutsch sprichst.“ Irritation. Ich wiederholte bemüht freundlich „Ich bin Deutsche.“ Plötzlich sag A verwirrt aus. Da machte man jemandem schon ein Kompliment und bekam nicht mal ein Danke! Nach einer kurzen, wortkargen Pause sagte er hartnäckig: „Aber ‚Volksdeutsche‘ bist du ja nicht, oder?“

Fragend, ob er nicht zugehört hatte oder es nicht wahrhaben wollte, fragte ich ihn, was denn „Volksdeutsche“ seien. Da seine Definition Expressionen wie „gleiches Blut“ etc. einschloß, erspare ich euch die Taktlosigkeit. „Du hast auf dem Vorbereitungsseminar gelernt, wie du mit solch einer Situation umzugehen hast!“ – dachte ich mir.

Ich erwarte nicht, dass man mich zwangsläufig als Deutsche wahrnimmt. Insbesondere bei meinem Namen … aber einen historischen Ausdruck in einem völlig falschen Kontext zu missbrauchen, ist krötig. Besonders schade, wenn es junge Leute wie A (max. 30 Jahre alt) sind, die durch ein Mangel an Geschichtsbewusstsein auffallen. Es stellen sich mir einige Fragen. Ist ihm in München denn noch nie ein nichtblonder Deutscher über den Weg gelaufen?

Da A aber im Laufe des „Gesprächs“ auch Plattitüden wie „Mit Roma kann man ja auch einfach nicht friedlich zusammenleben!“ gebrauchte, verzichtete auf weitere Aufklärungsversuche mit dem Satz: „Ich seh schon, mit Ihnen könnte ich mich gut streiten.“ Aber besser, man einigt sich darauf, dass man sich uneinig ist. 😉

Auch möchte ich vor allem solche Erfahrungen nicht missen und bin im Nachhinein froh, denn sie machen einem klar, wie man von Fremden wahrgenommen wird. – Und das hilft enorm, sich seiner selbst bewusst zu werden.

Pozdravi,

Sonem

 

*Als „Volksdeutsche“ bezeichnete man außerhalb Deutschlands und Österreichs lebende „ethnische Deutsche“ (besonders in ost- und südosteuropäischen Ländern bis 1945). (Duden)

Es geht bergauf!

„Ich lerne, dass bei Weitem nicht alles so ist, wie ich es kenne.“ (Anna Veigel, leitet „kulturweit“)

Wieder ist eine intensiv erlebte Woche vergangen und nun kann ich endlich behaupten, wirklich angekommen zu sein. Allmählich fühle ich mich hier wohl. Bereits jetzt zeichnet sich mein „kulturweit“- Einsatz für mich persönlich als eine sehr wertvolle Lernerfahrung ab. Ich weiß jetzt, wie man selbstständig ein Honigglas öffnet, Wäsche wäscht, nachhaltig (!) einkauft und so „kocht“, dass eine Person mit normalem Magenvolumen auch aufessen kann. 😉 Gar nicht so einfach! Ich vermisse das „Hotel-Papa“ überhaupt nicht. Es ist eine oft witzige und befreiende Erfahrung zum ersten Mal allein einen Haushalt zu führen – und das gleich im Ausland. Es sind viele gelungene Kleinigkeiten, die ein jedes Mal ein bisschen stärker machen. Aber das Leben hier wirft auch unglaublich viele Fragen auf – was wiederum verunsichert. In Bulgarien haben Kultur und Bildung eine hohe gesellschaftliche Priorität. Aber wie ist ein Bildungssystem zu erklären, wo junge Menschen zwar zu selbstständigen Köpfen erzogen werden sollen, indem aber in der gesamten Schulzeit kein Politikunterricht vorgesehen ist? Warum möchten sehr viele junge Bulgaren  – mit denen ich ins Gespräch gekommen bin (!) – nicht in Bulgarien studieren und leben? Warum behaupten sie, sie seien froh, die Freizügigkeit innerhalb der EU genießen zu können, denn sie würden sich hier nicht „zuhause“ fühlen? Und vor allem, wie sieht die Zukunft eines Landes aus, wenn seine jungen Fachkräfte auswandern? Ich habe bewusst Fragen formuliert, weil es mir nicht zusteht, als Außenstehende Schlussfolgerungen zu ziehen. Ich hoffe natürlich trotzdem, während der nächsten Monate den Antworten näher zu kommen.

Zu meiner Arbeit am Fremdsprachengymnasium kann ich sagen: es ist super! Ich habe anders als erwartet, viele verschiedene Möglichkeiten, eigene Ideen in den Unterricht einzubringen. Mein erstes Projekt habe ich anlässlich des „Tag der europäischen Sprachen“ am 26.09. in jeweils vier Klassen durchführen dürfen. Als ich den Lehrerinnen zunächst vorschlug, den Unterricht nach draußen zu verlegen, wurde ich ziemlich skeptisch angeschaut – nach dem Motto: „Ooh nein, noch so eine verrückte Idee aus Deutschland“. Aber glücklicherweise konnte ich sie überzeugen. Und da auch die Schüler begeistert waren und bei den spielerischen Einheiten zur Wortschatzerweiterung (teils aus der Theaterpädagogik) gut mitgemacht haben – waren sie sogar positiv überrascht. Und nun darf ich mir auch für den 3. Oktober etwas zunächst „Verrücktes“  ausdenken …

Außerdem hier ein kleines Update: Veliko Tarnovo, bereits jetzt eines der kulturellen Zentren Bulgariens, bewirbt sich für den Titel „Kulturhauptstadt Europas 2019“. Ich zumindest fiebere als neuer Tarnovoer der Benennung entgegen!

Liebe Grüße in die weite Welt,

Sonem

Das Ziel erreichen ≠ ankommen

So, nun bin ich seit fast vier Tagen in Bulgarien und obwohl ich mir sämtliche Situationen sehr, sehr häufig vorgestellt habe – ist es absolut anders und erscheint mir noch (!) größtenteils fremd. Ich fühle mich aufgewühlt, marginal verwirrt, aber auf jeden Fall stellt sich mir die Frage, ob ich hier ein kleines Stück „Zuhause“ wiederfinden werde. Naja, die Seele reist ja bekanntlich zu Fuß.

Hier ein paar bildliche Eindrücke vom wunderschönen Veliko Tarnovo:

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Nach dem ereignisreichen und nachhaltig wirklich gutem (?!) Vorbereitungsseminar am Werbellinsee fühle ich mich gut vorbereitet. Ein nicht unwesentliches Kriterium für die Teilnahme an „kulturweit“ ist, dass man sich die Lebensbedingungen im Gastland realistisch vorstellen kann. Hierunter habe ich mir nie vorgestellt, dass eventuell auch die Tatsache, im Restaurant die Speisekarte nicht lesen zu können, inbegriffen ist.

„Wir“ trauen uns zu, in Integrationsdebatten ständig mit Begriffen wie „Heimat, Identität und Kultur“ um uns zu werfen – ohne den Prozess der gesellschaftlichen Inklusion je am eigenen Ich gespürt zu haben. Ohne je mit der Frage konfrontiert gewesen zu sein, wie es sich denn anfühlt, nicht in der Sprache kommunizieren zu können, in der das (neue) Umfeld „denkt“.

Heute bin ich durch die Altstadt spaziert – frei nach der mir von meiner Mentorin auferlegten Maxime: „In Veliko Tarnovo kann man sich nicht verlaufen – einfach immer die Hauptstraße entlang!“ Doch meine Vorliebe  für schmale und geheimnisvoll wirkende Gassen und der Wille möglichst schnell auf die Stambolov-Brücke zu gelangen, führte dazu, dass wir irgendwann am Jantra-Ufer einen nicht so ganz idyllischen Hang zur Brücke hochklettern mussten. Kurz bevor ich denken konnte: „Die Mühe hat sich doch gelohnt!“ – stand ich plötzlich am Anfang einer ganz anderen Brücke. Und nachdem wir dann noch ein paar Eisenbahnschienen überquert hatten – waren wir plötzlich in einer malerisch eingebetteten Grünanlage.

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Ein Denkmal für die Zarenfamilie Assen an der berühmten Stambolow-Brücke.

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Gestern war in Bulgarien der erste Schultag nach den Sommerferien und somit bereits mein erster Arbeitstag. Für diesen Tag war nur eine kleine Feier zur Eröffnung des neuen Schuljahres vorgesehen, die mit dem Hissen der bulgarischen Flagge begann. Diese Zeremonie wurde mit der Nationalhymne musikalisch untermalt. Anschließend wurde auch die Schulhymne gesungen, während drei Schüler mit der Schulfahne im Kreis gingen. Zum Schuljahresanfang ist es üblich, die Lehrer mit Blumen zu beschenken.

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Es wird auch als völlig selbstverständlich angesehen, dass Ehemalige kommen, mithelfen und vor allem für eine gute Stimmung sorgen. Ich habe das Gefühl, dass die Bindung der Schüler bzw. der Ehemaligen zu ihrer Schule viel intensiver als in Deutschland ist. Beneidenswert! Mehr zu meiner Arbeit am Fremdsprachengymnasium „Prof. Dr. Assen Zlatorov“ im nächsten Artikel – und vielleicht gibt es auch eine Exkursion in die bulgarische Küche ;-).

Bis dahin alles Liebe,

Sonem

Bald ist es soweit!

Noch knapp 4 Wochen – dann beginnt endlich mein sechsmonatiger Freiwilligendienst im Norden des Balkangebirges, genauer in Veliko Tarnovo! Obwohl ich weiß, dass das eine unglaublich kurze Zeit ist, fällt es mir tatsächlich schwer zu begreifen, wofür ich mich konkret entschieden habe.

 

Veliko Tarnovo ist eine kleine Stadt, die nicht nur nahezu der Inbegriff für eine sehr bewegende und ereignisreiche Geschichte ist, sondern auch heute noch zu den kulturellen Zentren Bulgariens gehört. Nicht zu vergessen ist ihre wunderschöne Lage.

Wie ihr sicherlich erahnen könnt, sind die Reaktionen auf die Äußerung: „Ich leiste bald ein FSJ in Bulgarien ab!“ in überwiegender Zahl eher argwöhnisch. Obwohl man die Vorfreude ja heraushören müsste! Anders als viele zunächst annehmen, wollte ich a priori mit kulturweit nach Osteuropa. Die Gründe hierfür sind in erster Linie politischer Natur. Aber begeisterungsfähig wie ich bin, ist das natürlich umso mehr eine Motivation für mich, die gängigste Assoziationen Bulgariens „Armut“ durch zahlreiche weitere und vor allem positivere bereichern zu wollen. Ich freue mich sehr, an kulturweit teilnehmen zu dürfen. Es bietet mir die Chance, Erfahrungen eines Auslandsaufenthalts durch die Arbeit am Fremdsprachengymnasium „Prof. Dr. Assen Zlatarov“ mit einer ganz besonderen sozialen Note zu verbinden. Ich wünsche mir Eindrücke, die mich aufgrund der momentanen Situation in Bulgarien nicht nur ein tiefgründiges Verständnis über die bulgarische Kultur lehren, sondern auch politisches Wissen. Und somit sicherlich die ein oder andere Veränderung in meiner ganz persönlichen Lebensweise, meinem Bewusstsein und meinen politschen Haltungen bewirken werden. Aber gerade deshalb begleiten auch teilweise (sinnfreie?) Zweifel die Gedanken an die nächsten sieben Monate. Wobei es doch auch merkwürdig wäre, wenn ich keinerlei Ungewissheit spüren würde.

Primär dient der Blog dazu, möglichst vielen abenteuerlustigen, mutigen jungen Menschen einen Einblick in die Arbeit als Freiwilliger im Bildungsbereich zu ermöglichen. Und sie zu ermutigen, diesen Weg zu gehen. Denn mir haben die zahlreichen, tollen kulturweit-Blogs wirklich geholfen, als es darum ging, zu entscheiden, ob ich an kulturweit teilnehmen möchte. Andrerseits soll der Blog auch dazu dienen, das Erlebte in gewisser Hinsicht für mich selbst zu bündeln und es zu verarbeiten, indem ich es strukturiert wiedergebe.

Ich werde euch auf dem Laufenden halten und regelmäßig von meinen Eindrücken berichten.

Aber ihr wisst ja, ein unmittelbarer Eindruck ist im Wahrsten Sinne des Wortes nicht mittelbar. Also versteht das als zukünftige „Einladung“, besucht mich und lasst uns mit eigenen Sinnen wahrnehmen, was Bulgarien wirklich ausmacht. 🙂

Bis zum nächsten Eintrag,

Sonem