Dienstag/ 20.10.20/ 23.23 Uhr/ In meinem Bett ohne Licht
Tagelang wusste ich überhaupt nicht, was ich hier reinschreiben soll. Ich mein, was soll denn an der Selbstisolation schon spannend sein? Natürlich kann ich noch nicht über irgendwelche Sehenswürdigkeiten berichten. Allerdings geht es ja auch nicht nur darum.
Neun Tage befinde ich mich bereits hier. Glücklicherweise habe ich mich mittlerweile sehr gut eingelebt – denn in den ersten Tagen dachte ich, dass die zwei Wochen Selbstisolation ein Horror werden.
Zu Hause hatte ich immer jemanden um mich herum. Jetzt war ich ganz schnell komplett auf mich selbst gestellt. Alleine einkaufen, alleine kochen, alleine spazieren … Das klingt jetzt vielleicht härter als es eigentlich ist, da ich zum Glück in einer WG wohne. Nichtsdestotrotz war es für mich eine richtige Umstellung. Man muss schon sagen, daheim ist man sorgenfreier. Ich konnte nicht mal einfache, gute Pfannkuchen zubereiten, weil die Pfanne hier schon so kaputt ist. Hat sich je jemand mit 18 Jahren mit Pfannen beschäftigt? Ich garantiert nicht in der Form!
Beim Spazieren in der Stadt bemerkte ich ebenfalls, wie leer diese doch ist. An die überfüllte Königstraße in Stuttgart gewöhnt, gleicht es hier ja schon einer Geisterstadt… (ich übertreibe mal wieder).
Überraschend ist gleichzeitig auch die Ignoranz der Bewohner gegenüber den Corona-Maßnahmen. Seit letzter Woche gilt Maskenpflicht in Läden. Jedoch befolgt nur die Hälfte (wenn überhaupt) diese Vorschrift. Ich hoffe, dass die Schule nicht komplett auf Online-Unterricht umsteigt. Momentan besteht dieser nur die eine Woche nach den Ferien.
Fun-Fact nebenbei: Am ersten Tag bin ich mit meinem schweren Koffer im Fahrstuhl zu meiner Wohnung in den dritten Stock gefahren. Ich habe mir nichts dabei gedacht, dass anstatt einer „0“ oder wie in Deutschland „EG“ eine „1“ steht. Als ich dann das nächste Mal auf der Treppe gelaufen bin, stellte ich verwirrt fest, dass der Ausgang eine Etage früher ist und da hat’s klick gemacht. Das Erdgeschoss zählt hier als erste Etage. Meinen deutschen Besuchern werde ich also in Zukunft sagen: „Mit dem Fahrstuhl in den Dritten, aber zu Fuß in den zweiten Stock“.
Lustig waren auch meine ersten Besuche im Supermarkt. Ich habe die Hälfte meiner Einkaufsliste zuerst nicht gefunden. Obwohl es hier natürlich keinen so großen Kulturschock gibt, war ich dennoch überfordert von den ganzen neuen Eindrücken. Wieso legt man denn auch Bananen neben Gurken? Nach dem zweiten oder dritten Einkauf erscheint dann nicht mehr die Anordnung verrückt, sondern man selbst: Die Mitarbeiterin hat mich äußerst skeptisch angeschaut, als ich fragte, wo denn die Zwiebeln seien … Dann stand ich auch noch gefühlt immer eine Stunde vor jedem Regal, weil ich erst alles übersetzen musste. Übrigens gibt es hier in einer „bekereja“ (was ja wohl nach einer Bäckerei klingt) kein Brot, nur leckeres und interessantes Gebäck.
Mir wurde auch erst gestern bewusst, wie viele Dimensionen kulturweit erreicht. Bereits die Anwesenheit z.B. des Generalsekretärs der UNESCO beim Vorbereitungsseminar war beeindruckend. Jetzt wurde uns gestern beim Online-Kennenlernen mit der deutschen Botschaft in Riga auch noch mitgeteilt, dass wir E-Mails von der Kanzlerin bekommen werden (zumindest die Ansprechperson in der Gruppe).
Nun habe ich die erste Woche etwas zusammengefasst und bin erstaunt, was dann doch alles zusammengekommen ist! In meinem Bett im dunklen Zimmer sitzend kann ich glücklicherweise sagen, dass meine Umgebung nicht meinem Befinden gleicht. – Der Lichtschalter ist draußen vor der Tür und die Nachtischlampe auf der anderen Seite, also muss die Taschenlampe herhalten, da ich zu faul bin aufzustehen. Hat aber auch seinen Flair! – Auf jeden Fall freue ich mich schon sehr auf meinen Einsatz in der Schule und bin sehr gespannt!