Lisa fährt nach Deutschland

10.07.2013

So langsam wird es komisch, dass alle vor mir nach Deutschland fliegen.

Marie und Sebastiana sind am Samstag geflogen und Lisa und meine Schüler fliegen heute Abend! Das ist wirklich ein ganz merkwürdiges Gefühl.

Doch so ganz bewusst war mir das heute nicht.

Ich habe nämlich erst einmal ausgeschlafen und dann angefangen ein paar Dinge zu sortieren, die ich mit nach Deutschland nehme oder die, die ich hierlasse.

Nachdem ich den gröbsten Teil fertig hatte, habe ich mich angezogen und bin zur Bank gegangen, um mein restliches Geld in Euro zu tauschen. Und dann begann alles für mich ins Chaos zu stürzen heute.

Ich bin also zur Bank und habe denen mein Anliegen erklärt und kriege von denen ganz direkt ins Gesicht gesagt: Das geht nicht, du bist Ausländer.

Eh, hallo?

Na und? Darf man als Ausländer keine RMB in Euro tauschen? Anscheinend nicht.

Als ich dann nachgefragt habe, warum denn nicht, kriege ich nur ein: „Da kann man nichts machen“ als Antwort.

Mensch, war ich sauer. Ich fühlte mich ungerecht behandelt und das reicht meistens dazu aus mich auf die Palme zu bringen.

Allerdings bekam ich langsam auch ein bisschen Panik, denn wenn ich heute nicht wechsle, dann kann ich das vor Sonntag vergessen! Aber wen bzw. welchen Chinesen frage ich, ob er/sie für mich Geld tauscht.

Sofort kam mir natürlich Elena in den Kopf, aber die wollte ich nicht belästigen.

Und eigentlich konnte ich gar nicht klar denken, weil ich völlig sauer war.

Als nächstes kam mir Lisa in den Kopf, aber da diese heute mit meinen Schülern nach Deutschland aufbrechen sollte, war das wohl keine so gute Idee.

Also doch Elena.

Ich habe sie sofort angerufen und ihr die Lage geschildert. Sie war mindestens genauso verblüfft wie ich, als sie erfuhr, dass die Banken sich weigern Ausländern Geld zu tauschen. Und obwohl sie gerade einen wichtigen Termin außerhalb hatte, hat sie mir gesagt, dass ich sofort zu ihr ins Büro kommen soll und sie versucht so schnell wie möglich auch nach Zhujiang Newtown zu kommen.

Wahnsinn. Das sind echte Freunde, die alles für einen stehen und liegen lassen, wenn man sie braucht!

Also bin ich nach Zhujiang Newtown gefahren und habe in ihrem Büro gewartet. Da Yafang da war, habe ich auch einen Kaffee bekommen, der mir die Wartezeit verkürzen sollte.

Um meinem Ärger Luft zu machen, habe ich jedem die Geschichte erzählt, dass ich kein Geld tauschen kann, und alle (Yafang und eine andere Lehrerin) waren genauso überrascht, wie Elena.

Wenig später klingelte es an der Tür. In der Vorfreude, dass es Elena sein würde, öffnete ich sie und traf auf eine Frau, die ich nicht kannte. Sie wollte unbedingt Yin-Laoshi sprechen (also Elena) und will sich als neue Lehrerin für Ausländer bewerben.

Ebenso wie ich wurde sie auch vertröstet.

Da sie aber mittelgute Englischkenntnisse besaß, wollte sie diese unbedingt austesten und fing ständig ein Gespräch mit mir an. Am Anfang habe ich auch den üblichen Smalltalk mitgemacht, aber eigentlich habe ich mir mehr Sorgen darum gemacht, wie ich meinen restlichen RMB in Euro umwandeln kann. All die Signale, dass ich jetzt aber kein Gespräch führen will, verstand sie aber leider nicht. Immer wieder redete sie auf mich ein, während ich wie gebannt auf mein Handy starrte, um auf eine Antwort von Elena zu warten. Ich weiß, dass das total unhöflich war, aber in dem Moment musste ich alle Kräfte aufbringen, um nicht zu verzweifeln. Schließlich blieben mir ja nur noch vier Tage und am Wochendende waren die Banken geschlossen. Das reduzierte meine Möglichkeiten auf heute und morgen.

Manchmal brauchen die Banken aber 2-3 Tage um das Geld anzuschaffen, weil Euro eben nicht die gängige Währung hier sind.

Endlich summte mein Handy und Elena sagte, dass wir uns draußen vor der China Merchants Bank treffen. Schnell verabschiedete ich mich und lief los.

Wenig später traf auch Elena mit der Ubahn ein.

Zuerst habe ich mich tausendmal bei ihr bedankt und entschuldigt und wär am liebsten ihr vor die Füße gefallen, aber sie sagte nur: „Danke mir, wenn es geklappt hat!“

Das hörte sich leichter an als es tatsächlich war.

Denn in der China Merchants Bank erklärten wir, was wir wollten, und dann hob die Angestellte nur die Augenbrauen und fragte mit einem interessierten Blick: „Wer möchte Geld tauschen? Sie oder die Ausländerin?“
Blitzschnell antwortete Elena, dass sie Geld tauschen möchte und die Angestellte senkte beruhigt den Kopf und arbeitete weiter.

„Dann bräuchte ich bitte ihre Geldkarte von unserem Institut!“

Und da fing die Odysee erst richtig an. Denn Elena konnte ihre Geldkarte nirgends finden. Aber irgendwie schien ich darüber mehr geschockt zu sein als sie. Sie sagte nur, dass wenn sie ihre Karte nicht mehr findet, lässt sie sich eine neue machen…

Inzwischen hatte ich ein richtig schlechtes Gewissen, dass ich sie ihrer Zeit beraube und jetzt auch noch solche Umstände auftauchen…

Also sind wir zur „Agricultural Bank“ gegangen, die uns herzlich empfing und uns gleich darauf verkündete, dass sie keine RMB in Euro tauschen.

Die HSCB (?) wollte uns auch nichts geben ohne eine Geldkarte ihres Instituts.

Und die „Bank of China“ wollte das auch nicht. Bzw. sagte sie uns, dass das Geld am Montag da wäre. Das war natürlich viel zu spät für mich.

Apropos spät, es war mittlerweile schon 10 vor 5 und die Banken waren schon dabei zu schließen, bevor wir endlich zur ICBC kamen. Das war unsere letzte Chance.

Doch auch dort wurden wir vertröstet und es wurde uns gesagt, dass sie leider keine Euros haben…

… aber in der Hauptfiliale gibt es welche! Wenn wir morgen um 12 Uhr dorthin gehen, dann können wir garantiert Geld wechseln.

JA GOTT SEI DANK!

Ich habe mich wieder mal tausendmal bei Elena bedankt und sie musste dann aber recht schnell weiter zum nächsten Termin.

Aber auch ich war mit Lisa zum Abendessen verabredet. Das letzte Mal bevor sie nach Deutschland aufbricht.

Deshalb bin ich in den nächsten Bus gehüpft und bis zum Westtor der Universität gefahren.

Ha, wer hätte gedacht, dass das heute so ein stressiger Tag wird!!

Am Tor der Schule musste ich dann noch ein bisschen auf Lisa warten, die hatte mir aber schonmal meine Zeugnisse in die Hand gedrückt. Und was musste ich auf den ersten Blick feststellen? Zwei Rechtschreibfehler.

Und dabei hatte ich doch extra mehrmals Korrektur gelesen…Aber ich denke, dass es am Computer sehr leicht ist, so etwas zu übersehen.

Also fragte ich Lisa, was man denn machen könne. „Nichts, lass es so“ war die Antwort.

Aber damit wollte ich mich nicht zufrieden geben. Schließlich will ich nicht, dass sich Leute kaputt lachen wenn sie das „Zertifikat“ in die Hände bekommen. Doch es schien so als wäre Lisa schon längst mit ihren Gedanken bei dem Schüleraustausch und schon nicht mehr hier bei mir in Guangzhou. Das kann vielleicht aber auch daran liegen, dass sie alle fünf Minuten von nervösen Eltern angerufen wurde…

So kamen wir eigentlich kaum zum essen und auch kaum zu reden. Das Abschiedsessen war zwar lecker (süß-sauer eben ;)), aber irgendwie angespannt. Ich kann verstehen, dass sie unter einem enormen Druck steht, wenn sie sich nun in den nächsten zwei Wochen um 30 Leute kümmern muss, die alle (fast) kein Deutsch sprechen…

Außerdem haben die im Restaurant unser Bestellung falsch aufgenommen und uns ein Essen gebracht, welches wir gar nicht wollten. Und erst nach langem Diskutieren haben sie sich dazu entschieden uns das Gericht nicht zu berechnen.

Und die Angestellten sind mal wieder ausgeflippt (Hilfe, ein Ausländer im Restaurant) und ich bekam die volle Überaufmerksamkeit.

Der eine Angestellte schenkte mir jedes Mal Tee nach, wenn ich auch nur einen Mini-Schluck getrunken hatte. Es mag zwar eine höfliche Geste sein, aber so übertrieben habe ich das in meinem ganzen China-Jahr noch nicht erlebt. Seine Kollegin meinte dann, dass er nervös sei, weil er noch nie eine Ausländerin bedienen durfte.

Das merkte ich spätestens da, als er mir beim x-ten Mal nachschenken den Tee über mein Handy leerte…

Meinem Handy ist nichts passiert, es funktioniert auch noch, aber gut ist das sicher nicht, kann ich mir vorstellen.

Ab diesem Zeitpunkt hat er auch aufgehört mir Tee nachzufüllen.

Nach dem Essen, was wieder mal sehr sehr lecker war, habe ich Lisa dann noch zum Schultor begleitet, wo sie bald zum Flughafen aufbrechen würde.

Nach zwei Umarmungen und ein paar Glückwünschen war es dann auch Zeit für uns sich zu verabschieden. Das gemeinsame Jahr der Zusammenarbeit war vorbei…

Und wieder war wieder jemand anders näher an Deutschland dran als ich…

 

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