Harte Nacht, entspannter Tag und eine überraschende Enthüllung

02.05.2013

Wie ich im vorherigen Post schon beschrieben habe, hat Maurice bei mir übernachtet, was ja durchaus öfter vorkommt. Allerdings hat er echt die ganze Nacht geschnarcht, so dass ich von den sechs Stunden Schlaf maximal 2 abbekommen habe. Es hat zwar ab und zu geholfen, dass ich ihn anschreie, aber davon ist er nicht aufgewacht, sondern hat sich nur auf der Gästeliege rumgedreht. Und eine halbe Stunde ging es wieder los… Zum Verzweifeln…

Um acht Uhr bin ich dann endgültig aufgestanden und habe mich für den Unterricht fertig gemacht, bis auch er später aufgewacht ist.

Eine Stunde später standen wir beide vor dem Tor meiner Schule, wo wir uns verabschiedet haben. Er ist zum Bahnhof gefahren um nach Shenzhen zurückzukehren und ich bin zur Arbeit gegangen. Die war heute allerdings völlig gechillt und nach einer Stunde in der achten Klasse, war der Unterricht für heute auch schon vorbei.

Den Rest des Tages habe ich im Büro verbracht und Zeitung gelesen, Blog geschrieben und ein bisschen Ordnung auf meinem Computer gemacht. Das war richtig entspannend!!

In der Mittagspause sind Lisa und ich vor dem großen Ansturm zu „Buonos Pizza“ gegangen und haben dort Spaghetti gegessen.

Und hier hatte ich wieder ein kleines Erfolgserlebnis! Ich habe nun alle Zeichen gelernt, um den Namen des Essens auszusprechen. Es ist wirklich ein komisches Gefühl, wenn man vor den Zeichen steht. Ich kann schon eine Menge chinesische Schriftzeichen, aber meistens fehlen dann doch ein oder zwei (eher mehr ;)).

Jetzt kenne ich aber den Namen meiner Spaghetti und konnte ihn heute das erste Mal vorlesen!!

辣 味 茄 汁 意 粉 (là wèi qié zhī yì fĕn)

Scharf – Geschmack – Tomate – Saft – (Kurzform für Italien) – Nudeln

Eigentlich ist diese Sprache unschlagbar logisch, oder?

Außerdem ist das Chinesisch lernen wie das Lesen lernen damals in der Schule. Erst Stück für Stück entschlüsseln sich die Wörter. Es sind zwar Kleinigkeiten, aber diese A-ha-Momente im Leben sind wirklich wirklich schön!

Und die Nudeln waren lecker 😉

Nach dem Essen bin ich dann nach Hause gegangen (nicht primär um zu schlafen oder um zu faulenzen, sondern weil ich kann :)), während die Schüler wieder in die Schule zurückkehren mussten. Und die meisten Lehrer, die zu weit weg wohnen, auch.

Am Nachmittag im Büro hatte ich die Aufgabe ein englisches Schreiben der Finanzabteilung der Sun Yat-sen Universität auf Deutsch zu übersetzen, weil das Konsulat die Auskünfte braucht. Leider war dieses Erklärungsschreiben ein wenig schwer zu übersetzen, da es sich um Businessenglisch handelt. Es ist leicht zu verstehen, aber beim Übersetzen geht es darum so nah wie möglich am Original zu bleiben und dann fehlen einem manchmal die richtigen Entsprechungen, gerade wenn am Ende wieder ein offizielles Schreiben rauskommen soll.

Aber ich bin mir auch sicher, dass die im Konsulat auch das englische Schreiben verstanden hätten. Eine Übersetzung auf Deutsch wäre nicht nötig gewesen.

Und zum Abschluss meines Arbeitstages bin ich dann in die Deutschecke gegangen, wo schon Yan Qiaolin auf mich wartete. Dieses Mädchen ist die Beste aller Deutschlerner an unserer Schule und obwohl sie in der 7. Klasse ist und erst seit September Deutsch lernt, ist ihr Level schon unglaublich hoch.

Ihre Partnerin kam nicht, deswegen hatten wir beide Einzelunterricht, aber der hat mir verdammt viel Spaß gemacht. Denn sie hat alle Aufgaben in Rekordzeit gelöst und auch die Zusammenhänge blitzschnell begriffen. Ach, wenn nur jeder Schüler so wie sie wäre…. Dann würde ich auch Lehramt studieren 😉 Dieses Mädchen ist beeindruckend und ich hoffe, dass ich mit ihr in Kontakt bleiben kann, irgendwie. Vielleicht profitieren wir beide davon, indem wir unser Deutsch und Chinesisch gegenseitig weiterbeibringen. Schließlich hört der Deutschunterricht ja schon ab der  9. Klasse auf.

Nach der Schule bin ich heute ins Kungfu gegangen, wo ich heute allein mit dem Trainer trainieren durfte, weil schon wieder drei Neulinge gekommen sind, um die sich diesmal Hongkai (mein Trainingspartner) gekümmert hat.

Ich habe heute auch einige Dinge erfahren, die mich schockiert, beeindruckt, beunruhigt und ins Staunen versetzt haben. So hat er mir zum Beispiel erzählt, dass er als er damals in Amerika ständig auf der Straße angegriffen worden ist, weil er eben anders aussieht mit seiner dunklen Haut. Er hat gesagt, dass er deutlich den Ausländerhass gespürt hat und sich ständig verteidigen musste, manchmal sogar auf Leben und Tod. Beeindruckt hat es mich, dass er noch nie einen dieser Kämpfe angefangen hat und auch niemals einen verloren hat.

Da wir auch zu zweit trainiert haben, hat er mir ein paar Attacken gezeigt. Und obwohl er mir vorher gesagt hat, was er machen wird, um meinen Schlag abzuwehren und zu kontern, war ich nicht auf den Schlag, den ich in den Bauch bekommen habe, vorbereitet. Es hat nicht wirklich wehgetan, da er mich ja nicht verletzen will, aber die Wucht war schon heftig. Wenn ich mir vorstelle, was passiert, wenn er ernst macht, dann…. Oh mein Gott, dann hätte ich echt Angst vor ihm!

Und er ist verdammt schnell!!

Beunruhigt hat mich eine geheime Technik, die er mir anvertraut hat, die er bisher noch nicht vielen beigebracht hat und wenn dann auch nur Frauen. Diese „Technik“ ist dazu da, um sich als Frau gegen einen Mann zu verteidigen und um den Kräfteunterschied auszugleichen. Leider ist das ein Geheimnis, aber ich denke sowieso nicht, dass ich diese Technik anwenden kann. Dafür muss ich noch ein bisschen mehr üben. Trotzdem ein beunruhigendes Gefühl.

Insgesamt war das Training aber richtig interessant heute und ich habe viel über meinen Lehrer erfahren. Völlig aus den Socken hat es mich aber gehauen, als er mir erzählt hat, dass Yip Man sein Lehrmeister war!!!

Für alle, die es nicht wissen: Yip Man war der Trainer von Bruce Lee! Und mein Lehrer und Bruce Lee waren beide seine Schüler… WOW!

China ist doch so klein, dass ich ausgerechnet von allen Kungfu-Lehrern den Schüler von Yip Man erwische…?!

Dieser Tag hat mir irgendwie wieder neuen Auftrieb gegeben. Und zum allerersten Mal hatte ich das Gefühl, dass mir die Zeit hier davonrennt…

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