Wenig geschafft, viel erreicht

17.10.2012

Alles fing vielversprechend an. Heute war es soweit, dass wir Besuch vom DAD und von Germanistikstudenten bekamen. Also bin ich früher aufgestanden und ich war sogar eine halbe Stunde früher in der Schule als ich eigentlich bräuchte. Hoffentlich klappt heute alles wie geplant.

Dort angekommen war Lisa schon da und auch die Germanistik-Studentin von der die ganze Zeit die Rede war. Und ich fiel fast aus den Socken, als ich erkannte, dass es Lea war. Die Lea, die mich in Peking am Flughafen abgeholt hat, die Praktikantin bei Goethe Institut war und die mich und Fanny durch Guangzhou geführt hat. Kann das möglich sein? Von allen Chinesen, von allen Germanistikstudenten in Guangdong und vor Allem in Guangzhou kommt genau DIE EINE, die ich schon kenne? Wow. Das ist ein ziemlich großer Zufall, muss ich schon sagen! Die Chancen in China jemanden, den ich kenne, zufällig zu treffen sind sehr gering! Außerdem kam die Deutsche vom DAD nicht mit, weil sie keine Zeit hatte. Deswegen war nur Lea heute da.

Dafür wurde ich gleich von ihr über meine Arbeit interviewt und ich habe ihr ein paar Beispiele gezeigt. So wie meine PPTs, meine Arbeitsblätter, die Deutschecke, etc. Nur bin ich nicht wirklich zum Arbeiten gekommen.

Um 10:40 Uhr ist sie dann mit uns in den Unterricht gegangen, den wir so intensiv vorbereitet hatten. Alles war auf die Minute genau geplant. Zuerst habe ich die Wiederholung von der letzten Stunde übernommen, während Lisa die nötige Grammatik (mein Freund, meine Freundin) erklärte, die sie für den neuen Text brauchten. Danach folgte Text lesen und ich habe ihn dann mit ihnen geübt und die neuen Vokabeln vorgesprochen. Als sie den Text dann in Gruppenarbeit vorgetragen haben, war es nun wieder meine Aufgabe mit ihnen die neue Grammatik zu lernen. Und das war das Konjugieren! Die Chinesen können damit nicht viel anfangen, weil es in ihrer Sprache keine Konjugation der Verben gibt (statt „ich schwimme“, heißt es „ich schwimmen“ oder „du schwimmen“). Deswegen muss man das hier besonders gut erklären und beibringen. Und viel viel üben. Und das habe ich an der Tafel mit ihnen gemacht.

Zum Abschluss gab es dann noch ein Arbeitsblatt und dann war das ganze geschafft! Unser Plan ging exakt auf und es hat alles super geklappt. Das schlimme daran war nur, dass wir danach nochmal genau dieselbe Stunde in der anderen siebten Klasse halten mussten. Doch auch da hat alles geklappt.

Lea war auch begeistert und hat wieder mal eine Menge Fragen gestellt. Gemeinsam sind ich Lea und Lisa dann etwas essen gegangen und haben ein wenig entspannt. Die zwei Stunden waren echt anstrengend. Mir fiel nur auf, dass Lisa heute etwas schlecht drauf war.

Sie sagte dazu, dass es ein „Scheiß Tag“ wäre und erklärte mir, dass sie als Klassenleiterin eine Rüge bekommen hat, weil ihr Klassenzimmer unordentlich wäre. Doch unter “unordentlich“ wird hier verstanden, dass im Papiermüll vier Blätter lagen und die Mülltonne somit nicht geleert wurde. Wegen vier Papierschnipseln! Ansonsten war alles blitzeblank.

Nur ist das hier so, dass die Klassen nach einem Punktesystem bewertet werden. Da zählen Schulnoten und Ordentlich sein dazu. Wegen den vier nicht im Hauptmüll entsorgten Papierschnipsel (SKANDAL!) wurde Lisas Klasse ein ganzer Batzen Punkte abgezogen und die Schüler bekommen zudem eine 600-Wörter Strafarbeit auf.

Und als wäre das noch nicht genug, hat Lisa mit erzählt, dass diese Punkteliste jeden Monat als E-Mail durch das Lehrerpersonal geschickt wird, so dass jeder sehen kann, wer für Ordnung sorgt und wer nicht. Oder wer der bessere Lehrer ist, sagen wir es so. Also eine Ehre für alle Lehrer, die die Liste anführen und eine Bloßstellung im Lehrpersonal, wer weiter unten ist.

Und last but not least wird anhand von diesem Ranking auch noch das Monatsgehalt eines Lehrers bestimmt. Kann man sich das vorstellen? Ich kann es eigentlich nicht. Soviel Unsinn verstehe ich nicht. Wie kann man einem Lehrer weniger Gehalt geben, nur weil in der Mülltonne im Klassenzimmer zwei oder vier Papierschnipsel übrig geblieben sind? Sie waren ja schließlich im Mülleimer, wo sie hingehören!

Naja, das erklärte auf jeden Fall Lisas Laune und meine Empörung darüber…

Für den Nachmittag war wieder Üben für das Sportfest am Wochenende angesagt! Und eigentlich dachte ich, dass wir fertig sind mit unserer Choreographie. Aber nein, da kommt noch mehr dazu. Deshalb durfte ich heute lernen, wie man marschiert. Ich muss echt einen typisch chinesischen Einheitsbrei-Marsch hinlegen und aus der Einheitssuppe heraus mitzählen:  1, 2, 3, 4 (yī, èr, sān, sì) … Oh man! Es war mir unangenehm und peinlich und das Problem ist zudem, dass ich halt voll aus der Gruppe von 90 Schülern heraussteche! 90 dunkelhaarige Schüler in weißen Schuluniformen und eine Blondine in Schwarz gekleidet. Man könnte es fast in der Literatur und in der Kunst als Stilmittel sehen. Eine perfekte Spiegelung.

 

Zunächst marschieren wir als Gruppe, bleiben dann stehen und drehen uns. Dann gehen wir alle in die Hocke und stehen in unterschiedlichen Zeitabständen wieder auf, während wir ein Bild von uns, auf dem wir lächeln, nach oben halten. Ich weiß nicht, warum ich ein Foto von mir brauche, wie ich lächle, weil das kann ich auch in Natura 🙂 Die meisten Schüler hier aber, vor Allem die Jungs können es nicht wirklich. Die konnten es aber zum Zeitpunkt als die Fotos gemacht wurden auch nicht… Deswegen gleiches Resultat. Mit oder ohne Foto.

Als nächstes formen wir den Schriftzug „7 + 8“ und ich bin zufälligerweise der Mittelpunkt des Plus-Zeichens. Yeah!….

Das ganze haben wir zigmal wiederholt und ich war schon ziemlich angepisst, weil so etwas kann ich überhaupt nicht leiden. Das ist auch der Grund weshalb ich in Sport so oft gefehlt habe, weil ich dieses stupide Vorführen nicht leiden kann. Ich finde das lächerlich.

Nur nein sagen, ist hier leider auch nicht… also in den sauren Apfel muss man beißen!

Ich war nur so froh als es vorbei war. Ich hatte echt keinen Bock mehr. Deshalb habe ich mich wieder an meine Arbeit gesetzt, doch Lea hatte noch ein paar Fragen an mich. Ich kam wieder zu nichts.

Um 16:10 musste ich nochmal zum Üben runter (es war keine Stunde her, dass wir das letzte Mal geübt haben!) und das gleiche nochmal durchmachen. Die Welt kann so fies sein!! Als ich endlich zurück ins Lehrerzimmer kam, war Lea plötzlich verschwunden, ohne auch ein Wort zu sagen… Das finde ich auch komisch! Sie ist einfach so nach Hause gegangen.

Letztendlich war ich einfach aber auch nur noch froh heimzudürfen. Der Tag hat mir gereicht und ich wollte einfach nur etwas anderes sehen und hören und am besten alleine sein. Es war mir echt zu viel!

Deshalb habe ich mich entschlossen Joggen zu gehen. Das ist jetzt echt kein Witz, Leute! Ich habe mein Jogginganzug angezogen und bin Richtung Park gelaufen. Erstaunlicherweise hat es ganz gut geklappt, auch wenn es schon dunkel war und ein Haufen Leute unterwegs waren. Ich bin auch nur ne Viertelstunde gejoggt, weil ich wollte mich nicht gleich am Anfang fertig machen. Lieber langsam einsteigen. Ich weiß nicht mal mehr, wann ich das letzte Mal joggen war… Irgendwann vor dem Abi, denke ich. Und bei 27 Grad Außentemperatur muss man auf jeden Fall vorsichtig sein.

Mein Joggingtrip wurde nur mehr oder weniger unterbrochen, weil ich eine Gruppe in weißen Anzügen entdeckt habe, die irgendeine Kampfkunst ausübten. Ganz erstaunt bin ich stehen geblieben und habe sie eine Weile beobachtet. Mindestens eine halbe Stunde, schätze ich. Es waren ungefähr 20 Leute und ein Trainer.

Nach dem Training bin ich einfach mal hingegangen und gefragt, ob ich beim nächsten Training vielleicht mal mitmachen könnte. Und die Leute waren einfach nur so begeistert von mir als Ausländerin (und blond), dass sie sofort ja sagten und noch ewig lange mit mir reden wollten. Das war richtig cool, denn das war mein erster richtiger Kontakt mit chinesischen Jugendlichen. Eigentlich alles Studenten hier auf dem Campus. Ich habe mich dann noch richtig lange mit einem Studenten und einer Studentin unterhalten und sie haben mir ganz viel Fragen über mich und über Deutschland gestellt. Und sie haben mich herzlich ins nächste Training am Freitag eingeladen. Ich weiß zwar noch nicht was diese Art von Kickboxen oder so ist und wie viel es kostet, aber ich glaube, dass eine Schnupperstunde keine schlechte Idee ist. Und wer weiß? Vielleicht habe ich schon zwei Freunde gefunden? Die beiden waren auf jeden Fall sehr nett, finde ich. Und er (oder sie) wollten mich nicht gleich auf ein Date einladen, was ich als gutes Zeichen werte 🙂

 

So hat der Tag doch noch einen schönen Abschluss gefunden!

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.