Meine erste chinesische Zugfahrt

02.10.2012

 

Mein Morgen (und der von Maurice) war ziemlich entspannt. Wir sind bei Zeiten aufgestanden und einkaufen gegangen. Einerseits für meine Wohnung und andererseits als Proviant für unsere Fahrt. Für meine Wohnung habe ich mir eine Kiste gekauft, damit ich mein Geschirr nicht frei rumstehen lasse, schließlich staubt das schnell ein und ich möchte es auch vor Krabbeltieren schützen. Deswegen war es mir auch echt recht, das ich und Maurice meine frischen und offenen Vorräte zum Frühstück leergemacht haben, weil ich wollte auch nichts offen rumstehen lassen, schon gar keine Lebensmittel. Zum Mittagessen sind wir in ein nahes Restaurant gegangen und haben ziemlich günstig gegessen. Tomate mit Reis und Ei, da ich nichts Exotisches vor so einer langen Zugfahrt ausprobieren wollte. Danach hat sich Maurice mit Florian und Wangzhuo getroffen und ich bin nach Hause gegangen, um fertig zu packen. Da ich keinen Rucksack habe, habe ich meinen kleinen Trolley genommen, in dem ich auch meinen Laptop sehr gut und sicher unterbringen kann. Und er ist abschließbar! Ok. Ich habe alles gepackt, den Müll weggebracht und meine Wohnung geputzt. Um kurz nach halb vier nachdem Fanny zu mir gekommen und Maurice zurückgekehrt ist, sind wir gemeinsam nach Jiangnanxi gefahren, um noch etwas zu Leichtes zum Abendessen zu essen. Ich war noch satt vom Mittagessen, deswegen habe ich mir nur ein McDonalds-Eis gegönnt. Kurz zuvor habe ich 10 Yuan auf der Straße gefunden und durch einen Fehler der Bedienung haben wir sogar ein doppeltes McFlurry bekommen! War wohl mein Glückstag, denke ich!

Bär und Zebra sind dabei!

Um kurz nach halb sechs, wurde es dann ernst. Wir sind mit der U-Bahn nach Guangzhou Railway Station gefahren, um uns dort mit Florian zu treffen. Unser Zug ging um 19:10 Uhr. Der Bahnhof ist riesig groß!

Man versammelt sich vor dem Bahnhof auf einem großen Platz, wo viele Leute schon campieren und auf ihren Zug warten. Dann kann man an einer großen Anzeigetafel an der Hauswand ablesen, wo der Zug abfährt und wann das Boarding beginnt. Unser Zug K567 sollte in Haus 1, Gleis 8 abfahren. Also sind wir mal zum „Check-in“ gegangen, wo Reisepass und Fahrkarte kontrolliert werden (und das Ganze immer noch draußen auf dem großen Platz) und danach ein Sicherheitsscan wie beim Flughafen durchgeführt wurde. Danach befand man sich erst im Inneren des Bahnhofs, der voller Schilder und Anzeigetafeln und natürlich Reisender mit ihrem Gepäck war. Und wir waren mittendrin! Die Ausmaße kann man sich nicht vorstellen, da es eher an einen Mini-Flughafen erinnert als an einen Bahnhof! Wir folgten also dem Schild zu Warteraum 8 und wir wurden über Treppen und Wege mit Schildern quer durch das Gebäude gelotst. Unser Ziel war ein großer, aber stickiger Raum voller Rauch und Chinesen, die ALLE in denselben Zug wie du einsteigen. Man kann es sich vorstellen, wie ein Warteraum am Flughafen vor dem Boarding, nur dass da ungefähr 800 Menschen saßen, standen oder knieten. Es wurden Babys gewickelt und Taschen umgepackt und das Bild war ziemlich bizarr. Der Kern der Masse konzentrierte sich aber an der Glastür zu den Gleisen, die noch verschlossen waren.

Wartehalle 8

Wir merkten selber erst, dass das Boarding beginnt, als die Chinesen immer unruhiger wurden. Und ca. 10 Minuten später gingen die Glastüren auf und alle Chinesen und wir mitten unter ihnen wurden von der Masse nach draußen gespült. Dort ging es eine Treppe runter, einen langen Gang entlang, eine Treppe hoch, eine runter, dann wieder einen langen Gang entlang. Der letzte war jedoch mit vielen Ausgängen versehen, die durch Metallgitter versperrt waren. Nur die richtigen Ausgänge zu den richtigen Gleisen waren geöffnet, was es eigentlich einfach macht, die Orientierung zu bewahren. Wir waren zumindest immer richtig! Am Durchgang zu unserem Gleis war das Metallgitter offen und es ging mal wieder eine Treppe nach oben. Wer wollte nochmal einen Trolley mitnehmen?

Aber es war eh zu spät. Eine Tasche wäre genauso unpraktisch gewesen in einer so großen Menschenmasse. Am Ende der Treppe war dann auch wirklich das Gleis und unser Zug! Er sah eigentlich aus wie eine Regionalbahn bei uns in Deutschland nur ungefähr dreimal so lang, aber genauso rot. Auch die Türen waren sehr eng und mit dem Gepäck und dem Ansturm gar nicht so leicht zu bewältigen. Unser Wagon war Nr. 14 und wir mussten noch ein ganzes Stück laufen. Lasst mich lügen, aber ich sage vom „Check-In“ bis hierher war es ca. 1km Strecke quer durch den Bahnhof.

Der Türsteher an Wagon 14 ließ uns dann nachdem er unsere Tickets gesehen hatte auch rein und es war also wirklich der richtige Zug! Das gab uns schon mal etwas Zuversicht! Drinnen war es schon ziemlich voll, aber noch nicht so eng, wie ich es mir mit der Menschenmenge draußen vorgestellt habe. Aber die konnte sich ja auch auf 20-25 Wagons verteilen! Unsere Sitzplätze waren 63, 64, 68 und 69. Also eine Vierer für uns vier alleine mit einem kleinen DIN A4 großen Tisch in der Mitte. Rechts von uns war ein Sechser, d.h. der Zug hatte auf der einen Seite drei Sitze, dann den Mittelgang, dann zwei Sitze. Eine ziemlich neue Anordnung für mich, aber ok. Unser Gepäck konnte gut verstaut werden, auch wenn es hier um einen Kampf um einen freien Ablageplatz geht. Tut man nur kurz seine Tasche runter, um sein Trinken zu holen, kann es sein, dass der Platz schon belegt ist.

Innerhalb von 5 Minuten waren auch alle 106 Sitzplätze in unserem Wagon belegt und der Rest blieb im Gang stehen. Stehtickets. Die wohl günstigste und unbequemste Art zu reisen….

Im Zug

Doch wir hatten unsere Sitzplätze und wir waren glücklich. Um Punkt 19:10 fuhr der Zug dann auch los und wir saßen heil drinnen. Um uns die Zeit zu vertreiben haben wir Chips und Kekse gegessen, gesungen, geredet und Musik gehört, während ständig eine „Stewardess“ mit ihrem Wägelchen die Stehleute aus dem Weg gescheucht hat. Meistens war das Ausweichen nur auf den Schoß eines Sitzenden möglich. Diese Angestellten mit den Wägelchen verkauften Suppe, Trinken, Obst, Massagegeräte, Spielzeug und chinesische Süßigkeiten. Und ca. alle 5 Minuten lief ein anderer vorbei. Wir haben ein kleines Päckchen Trauben gekauft, um etwas Gesundes zu uns zu nehmen! Besser als Chips, aber nicht leckerer!

Florian hat versucht sich mit dem heißen Wasser im Zug eine Tütensuppe aufzuwärmen, aber das heiße Wasser war kaputt und die Suppe somit ziemlich eklig. Ich habe meine Suppe also nicht aufgegossen und auch kein Abendessen/Frühstück mehr parat gehabt. Aber man ist auch dumm, sich darauf zu verlassen! Wenigstens hatte ich meine 1555ml Flasche Wasser dabei, welche ich aber sparsam benutzt habe, weil die Toilettenbenutzung ist nochmal eine heftige Erfahrung…

Der Mittelgang war mittlerweile ziemlich voll und meine Beinfreiheit war auch mehr als eingeschränkt. Schlafen war zwar dank meinem Reisekissen „bequem“, aber de facto doch nicht möglich. Als wir keine Lust mehr hatten uns abzulenken, haben wir versucht zu schlafen. Es jedoch nur versucht. Kaum war man eingenickt, wackelte der Zug bedrohlich und laut oder man fuhr über eine Weiche in den Gleisen. Das hört und fühlt sich ungefähr so an, als würde man über 3-6 Baumstämme drüber fahren und ich habe mir mehrmals den Kopf gestoßen. Außerdem legt der Zug bei Einfahrt in einen Bahnhof eine Vollbremsung hin und man wird nochmal gut durchgeschüttelt. Oder einer der Stehenden fällt auf einen drauf, alles ist möglich.

Zudem sind wir die ersten drei Stunden regelmäßig kontrolliert worden, egal ob wir geschlafen haben oder nicht. Wir haben es zumindest versucht! Ich habe kaum mehr als 20 Minuten am Stück geschlafen, weil es im Sitzen bei voller Beleuchtung und gequetschten Beinen sehr sehr unbequem ist. Draußen war es auch stockdunkel, so dass wir auch nicht uns die Landschaft anschauen konnten oder so. Der Versuch zu Schlafen ist die einzige sinnvolle Beschäftigung, aber ich kann es nur nochmal wiederholen: Es ist eigentlich unter diesen Bedingungen unmöglich.

Und nach vier Stunden Fahrt denkt man einfach nur noch: Oh mein Gott, noch 9 Stunden!

Es war wirklich eine Tortur. Irgendwann um 5 Uhr bin ich das erste Mal auf die Toilette gegangen. Ich habe mich durch die Stehplätze gequetscht, bin über Taschen und auf dem Boden schlafenden Menschen geklettert, bin mehrmals anderen auf die Füße getreten (anders ist es nicht möglich!) und endlich bei der Toilette angekommen. Die Toilette war einfach nur ekelhaft, stinkend und eng. Der Geruch war so abscheulich, dass ich am liebsten Kotzen wollte. Außerdem war das gesamte Klo verschissen und es war so viel, dass man es gar nicht wegspülen konnte…. Wirklich wirklich widerlich! Dagegen sind öffentliche Toiletten noch sauber… Aber ein Stehklo machts möglich und es hieß: Augen (und Nase) zu und durch!

Ich war nur froh da wieder draußen gewesen zu sein und das war auch das erste und einzige Mal in den 13 Stunden Zugfahrt, wo ich auf die Toilette gegangen bin.

Um 8:07 erreichten wir Wuchang, unsere Haltestelle und wir stiegen aus. Viele, aber längst nicht alle, sind mit uns dort ausgestiegen und wir fanden uns in einer riesigen, alten und hässlichen Halle wieder. Dreckig ist gar kein Ausdruck, aber der Bahnhof ist in dem Moment eh kein Aufenthaltsort gewesen. Einfach nur raus! Den Leuten hinterher, Treppe rauf und Treppe runter, durch die Menschenmassen und sofort zum Taxistand! Um halb 9 saßen wir im Taxi, um kurz vor neun wurden wir gegen eine Gebühr von 14 Yuan (1,8 €)  direkt vor die Bierschule gefahren. Dort erwarteten und schon Florian S., Simon und Theresa und wir waren einfach nur froh heil angekommen zu sein! Und fix und fertig dazu!

Mann, war das ein Abenteuer! Aber es war nicht ganz so schlimm wie erwartet!

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