Ernüchterung

10.09.2012

Es reicht ein kleiner Anlass und schon ist alles anders. Seit gestern Abend denke ich über das Heimfahren nach… Aber abbrechen werde ich das nicht, dafür muss schon mehr passieren, aber es hat auf jeden Fall die Zweifel geweckt und mich zutiefst verunsichert…

Als ich gestern Abend nach Hause gekommen bin, habe ich mich erst einmal hingesetzt um für meinen Freund eine E-Mail zu schreiben und um den neuen Blogeintrag fertig zu machen. Irgendwann, es war dann doch schon fast halb 12 durch, bin ich dann ins Bett. Davor bin ich erst einmal Zähneputzen gegangen…

Als ich die Badezimmertür geöffnet habe ist mir erst einmal eine Kakerlake entgegengerannt, die zweite saß auf der Waschmaschine. Ich war geschockt und hatte mal wieder einen hochgradigen Adrenalinschock. Doch die Kakerlaken sind dann ab und ich hab sie nicht mehr gesehen. Die eine der beiden habe ich heute Morgen tot im Hausflur gefunden. Da war wohl mein Nachbar schneller als ich.

Aber das war noch nicht alles… ich habe dann zähne geputzt und bin dann noch einmal auf die Toilette, als ich in der Ecke eine sehr große Spinne gesehen habe. Oh Gott war mir schlecht. Ich hatte richtig Panik und war völlig fertig mit den Nerven. Mit dem Schuh habe ich versucht sie zu töten, aber sie hatte sich schon nicht mehr bewegt.

Der Grund dafür war aber, dass das nur eine Spinnenhaut gewesen ist! Die richtige Spinne kam kurz darauf um die Ecke und war fast Handtellergroß, braun und flach… Oh ich kriege immer noch das Zittern, wenn ich nur daran denke!!

Diese Spinne ist dann aber zum Fenster raus und ich habe die Spinnenhaut hinterher geschmissen. Danach habe ich das Fenster zugemacht, was sie wohl vorerst draußen halten wird. Schließlich habe ich noch ein zweites Fenster, was bei dieser Schwüle nicht zugemacht werden kann, ansonsten würde  mein gesamtes Bad schimmeln. Außerdem sind noch Ventilatoren in den Wänden eingebaut, die ebenfalls genug Platz bieten… Oh ich möchte wirklich nicht daran denken… Das Fenster wurde aber in dem ganzen Jahr darauf nie wieder geöffnet.

Völlig panisch-schockiert und voller Angst bin ich in meine Wohnung zurück und musste mich erst einmal setzen. Mir war schlecht, richtig schlecht. Ich wollte mich einfach nur noch übergeben. Tja, aber ins Bad wollte ich auch nicht zurück.

Was ich persönlich aber ein Zeichen von Stärke finde, ist, dass ich es geschafft habe mich selbst zu beruhigen und wieder normal zu atmen. Ich habe versucht die Situation zu akzeptieren, schließlich ist es in subtropischen Klimaten normal. Und Lisa hat mir erzählt, dass es auch bei ihr Kakerlaken gibt. Ich werde die Situation wohl oder übel akzeptieren müssen und ansonsten alles töten was mir zu nahe kommt.

Am Abend habe ich dann echt eine Art innere Meditation hingelegt und war ziemlich schnell wieder völlig ruhig und normal. Ich konnte sogar ruhig schlafen zu meiner Verwunderung.

Heute Morgen konnte ich auch ohne Probleme wieder ins Bad gehen und auch duschen ohne mich paranoid umzusehen. So kann ich das Jahr auch aushalten, denke ich.

Doch es hat in mir trotzdem viel zu stark die Sehnsucht nach Hause geweckt. Heute Mittag bin ich das erste Mal in richtigen Tränen ausgebrochen, weil ich mein zuhause so sehr vermisse, dass es mir  wehtut. Ich will zu meiner Familie, ich will meine Tiere wiedersehen, ich möchte zurück zu Alex! Allein jetzt das zu schreiben, löst mich völlig auf.

Aber ich werde bleiben. Ich bin ja noch nicht mal eine Woche in Guangzhou und ja gerade erstmal 11 Tage in China. Die restlichen 7800 Stunden kriege ich auch noch rum.  Doch ich könnte jemanden gebrauchen, der mich einfach nur in den Arm nimmt.

Hilft wohl nichts, ich muss wohl stark sein.

Ich liebe euch zu Hause, ich will dass ihr das wisst.

Und ich merke erst jetzt wie wichtig mein zuhause für mich ist, wie wichtig Freunde und Familie sind.

Einfach ist das hier nicht.

 

All diese Gedanken habe ich aber erst einmal verdrängt, denn es war Zeit zu arbeiten. Meine Schicht ging um 14.30 Uhr los. Vor dem Tor der Schule empfing mich auch der Konrektor und fragte ob ich wüsste, dass heute Lehrer-Tag ist. Lehrer-Tag ist ein Tag, an dem die Lehrer von ihren Schülern Geschenke bekommen, um zu zeigen, dass sie ihnen wichtig sind und sie großen Respekt vor den Lehrern haben.

Im Lehrerzimmer standen dann schon ein paar wunderschöne Blumen, die die 8. Klasse Lisa geschenkt hatte. Der Strauß war riesig und wirklich schön. Zu meiner Verwunderung bekam auch ich in der 8. Klasse im Unterricht ein Päckchen überreicht.

Darin war eine Tasse mit dem Bild der Schüler darauf und einem ganz lieben Gruß auf der anderen Seite. Ich habe die Tasse fotografiert, damit ihr sie sehen könnt. Das fand ich wirklich eine sehr schöne Geste. Irgendwie hat mich das den Vormittag etwas vergessen lassen.

Heute aber hatte Lisa eine Sitzung und so habe ich mich wieder daran gemacht die Materialien für die geplante Deutschecke durchzugehen. Ich habe wirklich eine Menge Zeugs hier. Ich werde wahrscheinlich richtig ausmisten müssen, bevor ich die Deutschecke eröffnen kann. Geplant habe ich einfach mal die 2. Oktoberwoche als Startdatum.

Nach der Schule bin ich dann einmal in ein großes Kaufhaus gegangen und aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen. Dort gibt es wirklich alles! Es ist dreistöckig und keine zehn Minuten von mir entfernt. Man kann dort von Elektronikgeräten über frischem Obst bis hin zu Babykleidung alles kaufen. Es ist zwar leicht teurer als der Supermarkt, aber hat man dafür eine größere Auswahl. Ich habe sogar Weißbrot gefunden und Croissants! Aber die sind wirklich verdammt teuer… Aber vielleicht gönne ich mir das irgendwann einmal. Was mich jedoch stutzig macht, ist dass hier Dinge gekühlt werden, die das nicht brauchen und dafür z.B. die Milch und der Joghurt einfach so im Regal stehen… Egal, ich habe eh nichts gekauft, sondern nur mal geschaut. Es war echt interessant. Nur wird man alle zwei Minuten von einem Verkäufer angequatscht. Was die wollen, verstehen nicht, aber wenn ich ihnen sage, dass ich nichts verstehe (Wŏ bú dong), sehen sie mich nur verwundert an.

Ist aber eine gute Ausrede, weil ich glaube sonst hätte man keine Ruhe beim Einkaufen.

Heute Abend habe ich dann zum ersten Mal selbst gekocht, aber bevor hier jetzt irgendwelche Freudentaumel ausbrechen: Es war nur Reis im Reiskocher.

In meiner Küche werde ich nicht kochen, solange ich sie mir mit den Kakerlaken teilen muss. Und wenn das heißt, dass ich bis zum Schluss des FSJ hier essen gehen muss!

Jetzt sitze ich in meinem Bett und habe Heimweh. Nicht direkt und so stark wie heute Mittag, aber mein Herz fühlt sich schwer an und ich fühle mich irgendwie bedrückt… Hoffentlich hört das bald wieder auf, sonst wird es echt schwer für mich. Vielleich ist es aber nur eine resignative Phase und hört bald wieder auf.

Was mir nur wirklich sehr geholfen hat, war, dass ich mit meiner Freundin gechattet habe und ich habe mit meiner Familie geskyped. Und das sogar ziemlich lange. Sie haben wir wieder neuen Mut gegeben, weiterzumachen. Außerdem habe ich meine Oma wiedergesehen, was mir unglaublich gut getan hat. Oh man, ich vermisse euch alle wirklich sehr!

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2 Antworten zu Ernüchterung

  1. Andreas sagt:

    Ja, Kakerlaken und Spinnen sind schon schlimm. Dachte auch schon deswegen daran, meine Arbeit bei „kulturweit“ niederzulegen, obwohl ich einer von nur 252 Freiwilligen bin und das eine einmalige Chance in meinem Leben ist. Aber hey, Kakerlaken sind Kakerlaken.

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