Mein zweiter Arbeitstag

07.09.2012

Heute durfte ich ein wenig länger schlafen, sollte nämlich erst um 8:30 Uhr in der Schule stehen. Dummerweise ist mein Biorhythmus gerade auf 6:30 Uhr eingestellt. Naja, so früh am morgen habe ich dann zum ersten Mal meine Klodusche ausprobiert, was eigentlich ganz gut geklappt hat. Wahrscheinlich gewöhne ich mich zu schnell an diese Dinge. Ich komm mit dem Wetter gut klar und ich vertrage das Essen hervorragend. Jedoch denke ich, dass es mich dafür später beuteln wird… Oder ich habe mich heute in den Sinnfluten erkältet, das kann natürlich auch sein! Aber dazu später mehr.

Unser erster Job ist es, dafür zu sorgen, dass die Schüler alle bei der Morgenzeremonie auf dem Sportplatz zum Morgenappell- und Sport sind. Alle stehen in Reih und Glied und tanzen eine eingeübte Choreographie, während im Hintergrund Musik und die Zahlen 1-8 als Metronom abgespielt werden. Ziemlich beeindruckend, so etwas einmal zu sehen. Aber als Schüler würde mir das keinen Spaß machen. Vor Allem, da es morgens ja schon fast 30°C hat. Aber ich muss ja nur zusehen 🙂

Der erste Unterricht fand heute in den 7. Klassen statt, die auf zwei Klassen verteilt ungefähr 97 Schüler und so um die 12 Jahre alt sind. Zwar ein klein wenig chaotisch, aber gut. Die sind aber völlig ausgerastet als ich ins Zimmer gekommen bin und haben sich unglaublich über mein Mitbringsel (Gummibärchen) gefreut. Ich glaube ich muss demnächst mal ein paar Gummibärchen importieren lassen 🙂

Das Beste kam aber zum Schluss, als ein Schüler ein Autogramm von mir wollte… Also habe ich mal meinen Namen in sein Heft geschrieben und eine kleine Katze dazu gemalt, die ein Schild mit der Aufschrift „Hallo“ hochhebt. Danach ist der Junge vor Freude fast durchgedreht und hat eine symbolisch-theatralische Ohnmacht gespielt. Und dann war alles vorbei. Sofort sind 20 Schüler auf mich gestürmt mit ihren Notizbüchern und Deutschbüchern, um ein AUTOGRAMM VON MIR zu bekommen. Ich habe auch ungefähr 8 verteilt und habe die anderen auf morgen vertrösten müssen. Schließlich muss ich ja noch was arbeiten. Dafür bin ich ja hier.

Doch der eigentliche Grund für den Abbruch war meine Mittagspause und ich hatte richtig Hunger! Eigentlich wollte ich zum Pizza Hut gehen, aber da war niemand, kein Gast, gar niemand, also bin ich wieder raus. Ich habe gelernt, dass es ein schlechtes Zeichen ist, wenn sonst niemand mehr in dem Restaurant ist. Also Plan B. Einfach mal loslaufen. Ich bin dann auf die andere Straßenseite gegangen und ich habe es auch überlebt. Der Verkehr hier in Guangzhou ist „human“ im Vergleich zu Peking. Zumindest hat die grüne Ampel nicht nur dekorativen Wert! Ich hab also die Straßenseite gewechselt und mir die Geschäfte angesehen. Darunter war ein Obstladen, ein Optiker, ein Ramschladen und sogar ein Bäcker. Nur weiß ich mittlerweile, dass ein Bäcker in Deutschland nicht mit einem Bäcker in China übereinstimmt und wenn man sich zum Beispiel ein Stück Kuchen kaufen möchte, kann es sein, dass man einen mit Bohnenfüllung bekommt. Na wem’s schmeckt, würd ich sagen. Ich bin noch nicht lange genug hier um richtig mutig zu sein.

Weiter bin ich aber nicht gekommen. Denn aus heiterem Himmel ist auf einmal ein Gewitter losgebrochen und es hat geschüttet als würde die Welt untergehen… Ich habe mich dann schnell in den nächsten Laden geflüchtet, welcher zufällig ein McDonalds war. Und ich saß fest. Ihr werdet’s euch schon denken können, was ich gemacht habe. Natürlich habe ich dort gegessen während draußen die Straße abgesoffen ist. Das ist echt kein Witz. Innerhalb von 3 Minuten stand auf der Straße das Wasser und die Autos hatten mit Aquaplaning zu kämpfen. Und was mich vollkommen irritiert hat, war, dass auch die Chinesen in Häuser geflüchtet sind. Und die werden wissen warum.

Also bin ich im McDonalds geblieben und habe ein BigMac-Menü gegessen. Es hat 18,5 Yuan gekostet! Das sind umgerechnet 2,3€. Schon ziemlich teuer, finde ich. Aber im Vergleich zu Deutschland immer noch sehr günstig, auch wenn dafür die Portionen kleiner sind, habe ich zumindest den Eindruck. Mein Aufenthalt dehnte sich aber aus, weil es einfach nicht aufhören wollte zu regen. Das Gewitter war direkt über uns für mindestens eine Viertelstunde und  ich habe mich einfach nicht rausgetraut. Um halb zwei bin ich dann aber im Regen zurück zur Schule, weil Weiterlaufen wollte ich nicht mehr und ansonsten wollte ich einfach nur ins Trockene.  Leider war am Lehrerzimmer niemand und ich habe noch keinen Schlüssel. Zum Glück hatte ich aber meinen Kindle dabei und ich konnte wenigstens die Zeit nutzen. Ich habe mich auf eine überdachte Treppe gesetzt und gewartet. Kurz darauf lief der Konrektor an mir vorbei und wollte sofort sämtliche Lehrer aus ihren Pausen hohlen, damit ich in das Lehrerzimmer kommen konnte. Ich habe ihn aber davon abgehalten und mich wieder auf die Treppe gesetzt. Dann keine fünf Minuten später kam dann der Schuldirektor selbst vorbei und blieb erstmal stehen. Er drehte sich rum und verschwand in einem Klassenzimmer und kehrte nach kurzer Zeit mit einem Stuhl zurück. Ich sollte mich nicht auf die Treppe setzen müssen. Das ist echte Gastfreundschaft! Ich habe selten so viel Höflichkeit auf einem Haufen erlebt wie hier…

Der Nachmittag war dann für die beiden achten Klassen vorgesehen und ich durfte mit ihnen die Körperteile und die Vokabeln einüben. Vorerst „Feierabend“ war um 17.30 Uhr und ich wollte einfach nur noch in mein Bett und mich etwas hinlegen. Doch dann wurden wir, also ich und Lisa, vom Konrektor zum Abendessen eingeladen. Und zwar um 18 Uhr. Wir hatten nicht mal Zeit in unsere Wohnungen zurück zu gehen. Es ging nahtlos weiter.

Wir wurden mit dem Taxi des Direktors abgeholt und saßen am Ende zu fünft in dem Taxi. Der Direktor und seine Frau, der Konrektor, Lisa, Ich und noch eine Lehrerin. Der Schuldirektor ging aber mit seiner Frau in ein anderes Restaurant und wir waren dann nur mit dem Konrektor essen. Unsere kleine Gruppe war nämlich von drei Frauen, deren Kinder bei uns an der Schule sind, eingeladen worden.

Es war mal wieder (wie jedes chinesische Essen) sehr üppig. Das Problem bei chinesischen Essen ist aber, dass nur EINER bestellt. Also hatte ich keine Ahnung WAS da letztendlich auf dem Tisch stand. Doch zuerst gab es Ou-Suppe. Fragt mich bitte nicht, was Ou ist. Ich habe selber keine Ahnung, Es sah zumindest aus wie ein harter Schwamm in der Suppe. Mit einer braun-orangenen Farbe. Diese Brocken (es waren echt riesige Dinger!) waren bissfest wie ein frischer Kohlrabi, nur dass sie Fäden zogen, die sich wie lange Haare in der Suppe anfühlten. Also die Grundstruktur dieser Teile besteht aus Haarfäden. Doch diese Brocken sind sehr doof mit Stäbchen zu essen, doch dafür hat das Zeug Löcher, die das ganze leichter machen. Lisa sagt, dass es dieses „Gemüse“ in Deutschland nicht gibt, sondern nur in China und man  es deshalb nicht übersetzen kann. Na gut, es hat es hat nach nichts geschmeckt und war nur haarig.

Danach kamen unterschiedliche Gerichte auf den Tisch. Nochmal Ou, aber diesmal fritiert, Stinktofu, Reisringe (die waren sehr lecker!) mit scharfer Soße, Spinat mit Ingwer, kalte Nudeln mit einer Art Erdnuss-Soße, Nudeln mit Gemüse, heißes Rindfleisch in einer Eisenschale, Speckstreifen mit Süßkartoffeln, Schweinehackfleischbällchen in Reis, Bohnen und ein Fisch.

Ich habe es glaube ich mal erwähnt, dass die Chinesen, damit man weiß, was das ist, den Kopf mit auf den Teller legen. Diesmal war es der ganze Fisch. Mit Augen und so weiter…

Der Konrektor meinte zwar, dass das ein Süßwasserfisch sei, ich und Lisa denken, dass das ein Hai war. Von mir aus also ein Süßwasserhai! Aber er sah von den Augen und von der Schnauze wirklich aus wie ein Hai! Ich habe nicht probiert… dafür war ich zu angeekelt.

Die Frauen haben uns ja eingeladen und haben ca. 500 Yuan, das sind ungefähr 62,5 €, bezahlt. Das macht ungefähr 9€ pro Person. Mal ganz davon abgesehen, dass man noch locker 5 Leute mitversorgen hätte können! Dafür kann man in China alles was übrig ist mitnehmen. Man bekommt dann kleine Plastikboxen und die darf man sich füllen mit allem, was auf dem Tisch steht. Bei uns hat es noch für 5 Boxen gereicht!

Wir machten uns dann aber recht zügig auf den Heimweg, den wir aber zu Fuß zurücklegten und fast 30 Minuten gebraucht haben. Das war mir aber egal, denn bei 28°C nachts um 21 Uhr kann man ganz gut laufen. Wir kamen sogar an ein paar Geschäften vorbei, wo ich gerne mal reinschauen möchte. Vor Allem da ich unbedingt Schuhe brauche. Ich kann doch nicht den ganzen Tag in Turnschuhen rumlaufen ohne kaputt zu gehen! Und meine Flipflops darf ich in der Schule nicht anziehen. Und mehr Schuhe habe ich mal schlichtweg nicht dabei…

Aber ok. So habe ich die Stadt auch mal bei Nacht gesehen, was ziemlich geil aussieht, wenn man die Penthouse-Wohnungen beleuchtet über der Stadt schweben sieht. Oder wenn man nachts durch irgendeinen Campus läuft. Ich habe das Gefühl, dass Guangzhou eigentlich nur aus Universitäten, Schulen und Hochschulgeländen besteht. Und Hochhäusern, um das nicht zu vergessen. Schließlich wohnen hier fast 15 Millionen Menschen! 15 Millionen!!! Das macht ungefähr 1200 Menschen pro Einwohner meiner Heimatstadt… Das kann ich mir gar nicht vorstellen…

Als wir dann endlich zu Hause angekommen sind und unsere Laptops, die wir nicht mit ins Restaurant nehmen wollten, beim Sicherheitsdienst abgeholt hatten, sind Lisa und ich wahrscheinlich simultan ins Bett gefallen. Wir waren beide so müde. Es ist wirklich anstrengend. Erstens so viele Schüler zu betreuen (Es sind 188 Deutschlerner in der 7. Und 8. Klasse) und dann bei der Hitze. Dann muss ich mit der neuen Situation erstmal richtig klar kommen, was auch sehr anstrengend ist… Und außerdem hatte ich noch keine richtige Ruhe seit dem Beginn des FSJ. 10 Tage Berlin und immer was los. Dann der Flug, dann die Ausflüge in Peking, dann zwei Tage Didaktikeinführung, der Einzug in die neue Wohnung und anschließend direkt Unterricht. Ich glaube morgen, am Samstag werde ich nach der Schule erst einmal schlafen und ausruhen…

Ja, ihr habt richtig gelesen! Hier ist samstags Schule. Ich weiß nicht, ob das für alle chinesischen Schulen gilt, aber bei uns ist die Regelung folgendermaßen: Montag  bis Samstagvormittag ist Unterricht. Samstagnachmittag und Sonntag sind dafür frei. Das ist eine interessante Regelung, finde ich. Mal sehen, wie ich damit klarkomme.

Heute Abend, kurz nach dem Waschen der 2. Ladung, diesmal helle Wäsche, habe ich auch Kakerlake Nr. 2 hinter der Waschmaschine entdeckt. Ich hab ihr gesagt, dass sobald sie ihn meine Wohnung kommt, sei sie tot. Wenn sie hinter der Waschmaschine bleibt, lass ich sie am Leben! Ich hoffe, dass sie das verstanden hat.  Aber um zur Wäsche zurückzukommen… Ladung 1 und Ladung 2 sind beide sauber und unversehrt. Doch eine Ladung braucht etwas mehr als einen Tag um zu trocknen, was das ganze etwas schwierig gestaltet. Bügeln gibt es hier aber anscheinend nicht. Hier hängt jeder seine Sachen zum Trocknen raus, aber ein Bügeleisen- oder Bügelbrett habe ich noch nicht gefunden. Ich werde mal schauen, ob ich eins mal auftreiben kann, aber vorerst handhabe ich das genauso.

Außerdem habe ich noch kein Gas an meinem Gasherd, da da irgendwas kaputt ist. Ich denke mal, dass ich am Montag, wenn das repariert ist, mich mal an die ersten Kochversuche mache.

Aber ich merke jetzt schon, das wird wohl nix 🙂

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