Fortschritt

Alles wieder gut. War trotz des ziemlich dramatischen Anfangs keine so schlimme Erkältung.
Ich würde ja gern behaupten, ich hätte jetzt irgendwas Tolles unternommen, nachdem ich wieder gesund bin. Vor allem, weil der Umstand, dass ich nur noch sechs Wochen Zeit hab, mich ein bisschen in Panik versetzt.

Tatsächlich bin ich aber lieber dem nachgegangen, was ich am besten kann: Produktivem Nichtstun.
Das heißt: Schlafen, essen, schreiben, schreiben, Musik hören, Filme gucken, lesen, schreiben, schlafen. Und zwischendurch hab ich mich sogar mal vor die Tür gewagt!

DSCN0322[1]

Habe das erste der beiden Bücher, die ich mitgebracht habe, bereits fertig. Mein wunderbares Buch über den ersten Weltkrieg, „Der große Krieg“ von Adam Hochschild, musste ich aber leider in Deutschland lassen, weil so ein fünfhundert-Seiten-Wälzer dann doch zu sperrig zum Mitnehmen war.
Sonst lese ich fleißig (Online-)Zeitungen, allerdings keine kroatischen, weil meine Sprachkenntnisse dazu leider noch nicht ausreichen.

Und jetzt sitze ich also da, und überlege, wie ich meinen nächsten Punkt möglichst unverfänglich formuliere.

Wer hier schon eine Weile mitliest, mag sich ja daran erinnern, dass ich vor einer Weile ziemlich über ein gewisses Referendum hier geschimpft habe.

Und irgendwie habe ich dabei immer noch im Kopf, dass Deutschland fortschrittlich und tolerant und aufgeklärt ist. Aber je länger ich hier bin und je mehr ich reise, desto mehr wird mir klar, wie konstruiert unsere Begriffe von Fortschritt und Toleranz und Zivilisation letztlich sind. Vielleicht ist Deutschland in vielen Bereichen toleranter und aufgeklärter als andere Länder. Heißt das, dass alle Deutschen so sind? Selbstverständlich nicht. Heißt das, dass Deutschland das Monopol auf obengenannte Tugenden hält? Selbstverständlich auch nicht.

Warum also konstruieren wir immer noch so viel unserer nationalen Identität über die Idee „besser“, in diesem Fall also fortschrittlicher und aufgeklärter, zu sein?

Das Gefühl „besser“ zu sein bringt eine falsche Sicherheit mit sich.Wir sind zwar nicht perfekt, aber „besser“ als andere und das muss doch genügen. Aber nur, weil wir „besser“ zu sein glauben, heißt das nicht, dass wir nicht weiter überprüfen müssen,wie tolerant wir wirklich sind.

Petitionen, die auf die Einschränkung der Gleichberechtigung von LGBTQ-Menschen abzielen, gibt es nämlich nicht nur im „zurückgebliebenen“ Kroatien. Sondern neuerdings auch im „fortschrittlichen“ Deutschland.

Und nicht nur in Kroatien finden sich eine Menge Leute, die sowas bereitwillig unterschreiben.

Ich schätze, was ich damit sagen will, ist: Als Bürger von westlichen Industrienationen sind wir sehr schnell dabei, andere als unterentwickelt abzustempeln. Und darüber vergessen wir gern, dass wir die Verfehlungen, die wir bei anderen kritisieren, bei uns selbst auch noch nicht beseitigt haben.

So viel für jetzt.

Bald mehr.

2 Kommentare

    Zur Werkzeugleiste springen