„Guter Titel“, um mal Walter Moers zu zitieren…
Snjegović ist mein neues Lieblingswort im Kroatischen, hat Slap eiskalt (pun intended) abgelöst. Snjegović ist der Schneemann. Setzt sich zusammen aus „snjeg“ für „Schnee“ und der gebräuchlichsten kroatischen Nachnamensendung -ović. Zum Glück fällt aber bisher noch nicht genug snjeg, dass gospodine Snjegović Karlovac einen Besuch abstatten könnte.
Noch was, was ich gestern gelernt habe: das Kroatische kennt zwei unterschiedliche Varianten zu sagen, dass man jemanden heiratet bzw. verheiratet ist.
Muškarac je oženjen. (Der Mann ist „befraut“)
Žena je udana. (Die Frau hat sich „weggegeben“)
Und das sagt doch schon verdammt viel über Gleichberechtigung im kroatischen Sprachgebrauch aus. Wenn übrigens ein Mann einen Mann oder eine Frau eine Frau heiraten wollte, benutzte (Konjunktiv!) man trotzdem dieselben Formulierungen. Damit wird also schon dem Sprachgebrauch nach einer der beiden in die passive („weibliche“) und der andere in die aktive („männliche“) Rolle gedrängt, womit binäre Geschlechterrollen und patriarchalische Strukturen gefestigt werden.
Nun finde ich es erklärtermaßen teilweise etwas übertrieben, wie in der deutschen Sprache derzeit an alles ein _Innen oder dergleichen gehängt wird. Aber der Grundsatz „Sprache verändert das Denken“ leuchtet mir duchaus ein, und in dem oben beschriebenen Fall find ich das schon eine ziemliche krasse Ausdrucksweise, die nicht unbedingt vermuten lässt, dass wir uns im einundzwanzigsten Jahrhundert befinden. Ich mein, wenns im Altgriechischen solche Formulierungen gibt, dann ist das ja was anderes…
Aber überhaupt: So weit, sich zu überlegen, wie man zum Beispiel für LGBTQ-Menschen in der kroatischen Sprache fairere und politisch korrektere Formulierungen finden kann, ist ein großer Teil der kroatischen Bevölkerung noch nicht.
Zumindest, wenn man auf die Zahlen des aktuellen Referendums schaut, bei dem von 4,3 Millionen Kroaten etwa 749.316 für eine Volksabstimmung gestimmt haben, die zum Ziel hat, die Ehe zwischen Mann und Frau als einzig gültige Form der Ehe in der kroatischen Verfassung zu sichern. Das bedeutet (habs grade mal überschlagen), etwa jeder sechste Kroate möchte einem Teil seiner Mitmenschen die Rechte verweigern, die er selbst ohne nachzudenken in Anspruch nimmt.
Nun könnte ich grundsätzliche Betrachtungen anstellen über Sinn und Unsinn der Ehe in unserer heutigen Zeit, aber fest steht doch, dass es keinen erkennbaren Grund gibt, warum ausschließlich Frauen Männer oder Männer Frauen heiraten können sollen.
Zumindest der kroatische Regierungschef hat angekündigt, dass er bei der Volksabstimmung mit „Nein“ stimmen wird. Und viele junge Leute und die liberalen Kräfte im Land machen sich auch stark dafür. Leider ist die katholische Kirche hier immer noch sehr einflussreich, und gerade in der älteren Generation wissen viele auch gar nicht genau, wofür oder wogegen sie eigentlich stimmen, sondern glauben einfach daran, wenn die Kirche sagt, man müsse „Ja“ ankreuzen.
Und das schlimmste an der Sache? Kroatien hat bisher hier auf dem Balkan so etwas wie die Vorreiterrolle in Sachen LGBTQ-Rechte eingenommen. Was jetzt verglichen mit anderen europäischen Staaten auch nicht so wahnsinnig viel bedeutet, aber immerhin. Wenn die Kirche und die nationalistischen Verbände ihren Willen bekommen, könnte das eine Kettenreaktion auslösen, und auch die umliegenden Länder wieder (noch) weit(er) zurückwerfen.
Mal ganz davon abgesehen, dass diese Volksabstimmung ziemlich viel Geld kostet. Geld, dass der kroatische Staat vermutlich anderswo gewinnbringender einsetzen könnte. Aber der Staat hat in dem Fall nicht viel zu sagen, weil das Volk ja abstimmen will.
Irgendwie erhöht das alles nicht gerade mein Vertrauen in die Idee von Volksabstimmungen. Wenn man bedenkt, dass die meisten Leute im Grunde ziemlich blöde sind, scheints mir keine gute Idee, sie mittels direkter Demokratie über grundlegende Rechte einer ganzen Bevölkerungsgruppe entscheiden zu lassen.Und sind wir nicht alle irgendwie ein bisschen blöde? Wer kann schließlich heutzutage noch mit Gewissheit sagen, welche Nachrichten stimmen oder welchen Aussagen man glauben kann?
Dazu muss man wissen, dass in der kroatischen Verfassung das mit den Volksabstimmungen auch nicht so richtig durchdacht wurde. Es gibt nämlich derzeit keinerlei Einschränkungen der Inhalte von Volksabstimmungen. Theoretisch kann also wirklich ALLES in Frage gestellt werden, wenn sich nur genügend Dumme finden, die ihre Unterschriften druntersetzen. Zum Glück ist das der Regierung jetzt aber aufgefallen, sodass man an einer Eilgesetzesänderung bastelt.
Für dieses Referendum kommt die Erkenntnis allerdings zu spät. Und wenn die Änderung nicht wirklich eilig durchgeführt wird, könnte das Tür und Tor öffnen für weitere Einschränkungen der Rechte von Minderheiten.
Nach aktuellen Umfragen wollen etwa 68 % aller Kroaten für das Verbot stimmen.
Sollte es uns nicht zu denken geben, dass die EU zwar für die abenteuerlichsten Fälle Regelungen und Normen kennt, aber es keine einheitlichen EU-Richtlinien über die gesetzliche Behandlung von LGBTQ-Menschen (oder Roma…) in den EU-Mitgliedsstaaten gibt? Davon abgesehen vielleicht, dass alle zugestimmt haben, dass Diskriminierung auf Basis der sexuellen Identität verboten ist.
Aber nur, weil jemand nicht diskriminiert wird, heißt das nicht, dass er auch akzeptiert, gleichberechtigt oder sogar gefördert wird. Jemanden nicht zu diskriminieren bedeutet, ihn als notwendiges Übel anzusehen, das man leider nicht loswird, aber auch nicht weiter beachtet.
Und hat ein Mensch von seinen Mitmenschen nicht etwas mehr verdient?
So viel für jetzt.
Bald mehr.
Mehr über das Referendum:
SZ: Rolle rückwärts in Kroatien
Deutsche Welle: Die Homo-Ehe spaltet Kroatien
