Die Zeit hier vergeht immer noch wahnsinnig schnell, und so ein Schultag erst recht, wenn man nicht acht Stunden am Tag hat und versucht, im übernächtigten Zustand noch halbwegs schlaue Gedanken zu produzieren.
Heute habe ich wieder eine meiner beiden Maturantenklassen unterrichtet, was immer eine sehr spaßige Sache ist, weil „meine“ Schüler fast genauso alt sind wie ich. Hat aber wirklich Vorteile.
Nachdem ich heute zum Thema Berlin den David Bowie-Klassiker „Heroes“ in der deutschen Übersetzung „Helden“ vorgespielt hab, und davon ausgehend ein bisschen was zur Berliner Mauer erzählt hab (denn bekanntlich geht’s im Song um ein Paar an der Mauer), wurde ich von meinen Schülern gefragt, ob ich mit ihnen am Freitagabend ausgehen will. Mal gucken, was das wird, aber ich freu mich natürlich, ein paar neue soziale Kontakte zu knüpfen.
David Bowie hat den Song (in ziemlich grottigem Deutsch) dann übrigens 1987 bei einem Konzert direkt an der Mauer gespielt, damit die Menschen in Ostberlin auch zuhören konnten. Einige Jugendliche wurden dadurch sogar zu Demonstrationen inspiriert, und der Ruf „Mauer weg!“ wurde bereits laut, knapp zwei Jahre vor dem Mauerfall. Aber das nur nebenbei.
Ich unterrichte eigentlich wirklich gern in den höheren Klassen, auch weil das Deutschniveau meist etwas höher ist (wenn auch nicht immer). Manchmal fällt es mir aber ziemlich schwer, dem Anspruch der dort thematisierten Fragen gerecht zu werden. Nicht, weil ich dazu nichts sagen könnte, sondern weil ich es ja so sagen muss, dass die Schüler als Nicht-Muttersprachler was verstehen.
Aber wie soll man die Intergrationsproblematik („Ausländerfrage“) in einfachem Deutsch angemessen erklären, ein Thema, zu dem es abendfüllende kontroverse Debatten und ganze Bücher gibt?
Beim kulturweit-Vorbereitungsseminar und auch in der Schule wurden wir dazu angehalten, differenzierte Antworten zu geben, immer möglichst viele Seiten eines Problems zu betrachten. Aber ich kann ja meinen Schülern nicht auf Fragen wie „Wie ist das mit den Türken in Kreuzberg?“ immer nur antworten „Es ist kompliziert“ oder andererseits mehrstündige Vorträge halten.
Ich habe also bei ebendieser Frage versucht, mich möglichst langsam und in einfachen Worten zumindest dem Problem anzunähern. Auf Nachfrage haben die Schüler nach meinen Erklärungen dann folgendes verstanden:
„Es gibt viele alte Menschen in Deutschland“ und „Die Iraner werden diskriminiert“.
Nun ja. So ungefähr.
Natürlich habe ich dann gemeinsam mit der Lehrerin das Ganze nochmal ein bisschen klarer gemacht, und es ist uns (hoffe ich, glaube ich) am Ende immerhin gelungen, den Schülern begreiflich zu machen, dass es ein sehr komplexes Problem ist.
Außerdem hatte ich viel Spaß mit meiner einen neunten Klasse, als es darum ging, wie man sich in Deutschland begrüßt, und ich entsprechende Gruß- und Abschiedsgesten mit einer Schülerin demonstriert habe. „Awkward“ sagt der englischsprachige Mensch dazu, und dafür gibt’s im Deutschen einfach keine schöne Entsprechung.
Apropos Englisch, ich hab jetzt „The Tennant of Wildfell Hall“, ein frühfeministisches Werk der leider jung verstorbenen Anne Brontë, Schwester von Charlotte und Emily Brontë, aus der örtlichen Bibliothek ausgeliehen. Und da ich noch gestöbert hab im Regal mit der kroatischen Lyrik, ist es jetzt mein erklärtes Ziel, meine Kroatisch-Kenntnisse so zu erweitern, dass ich mal ein paar kroatische Bücher im Original lesen kann. Vielleicht wird es dann auch einfacher für mich, zu durchschauen, wann man welchen Kasus verwenden muss. Anders als beispielsweise im Englischen oder Französischen dekliniert man im Kroatischen tatsächlich noch sieben Fälle durch. Zusätzlich zu den vier Fällen im Deutschen gibt es dabei noch den Vokativ, den Lokativ und den Instrumental.
Da ich ja versprochen hatte, über sprachliche Eigenheiten zu berichten, jetzt mal ein Beispiel.
INT. KÜCHE. MITTAGS. EST.
Die Familie sitzt am Küchentisch, verschiedene Speisen werden von der emsig auf und ab laufenden Großmutter aufgetischt, viel Fleisch, gebratenes Gemüse, Kartoffelbrei. A, die Enkelin, und B, eine Freiwillige aus Deutschland, unterhalten sich.
A.
Also, darfst du auch zu Schulausflügen mitkommen?
B.
Ja, mir wurde das schon von mehreren Lehrern angeboten. Wo fahrt ihr denn als nächstes hin?
A.
An den Gardasee, willst du mit?
B.
Warum nicht, wann fahrt ihr?
A.
Für drei Wochen.
B.
Nein, nein, wann fahrt ihr?
A.
Für drei Wochen!
B.
Nein, ich meine, zu welchem Termin?
A nennt einen Termin. B schaut überrascht, als sie begreift.
B.
Ach, in drei Wochen!
FADE TO BLACK
Im Original hat sich diese Szene übrigens auf Englisch abgespielt, aber auch im Deutschen funktioniert das prima. Das Kroatische verwendet eben, um einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt zu bestimmen die Präposition „für“ (bzw. das kroatische Äquivalent von „für“), und bei vielen Kroaten schleicht sich dieser Fehler auch konsequent in anderen Sprachen ein. Entsprechende Verwirrung beim uneingeweihten Gesprächspartner, wenn man sich „für zwei Stunden“ ohne Nennung einer Uhrzeit verabredet, kann auftreten.
Eher ein sozial interessantes Konstrukt der kroatischen Sprache ist der Gebrauch von zwei verschiedenen Bezeichnungen für den Onkel, je nachdem, ob man den Onkel mütterlicher- oder väterlicherseits meint: Stric bzw. Ujak (oder umgekehrt, bin mir grad gar nicht mehr sicher…).
Lustig sind ansonsten (kannte ich aber auch schon aus dem Griechischen) all die eingeschleppten Wörter aus anderen Sprachen. So kommen zum Beispiel „bicikl“ oder „inženjer“ zustande. Da Kroatien auch mal (teilweise) zum Osmanischen Reich gehört hat, gibt es andererseits aber auch Wörter, die aus dem Türkischen abgeleitet sind, zum Beispiel „džemper“ (eine Art Pulli, das Wort erinnert mich aber auch verdächtig an „jumper“ im Englischen).
Und ich finde es ziemlich nützlich, dass man im Kroatischen zu allen Gelegenheiten, wenn man jemanden trifft oder verabschiedet, einfach „bok“ sagen kann. Gibt’s im Griechischen, Russischen und vielen anderen Sprachen so ähnlich, und ich plädiere für die Einführung eines Äquivalents im Deutschen.
So, das wars von mir erstmal, das Wetter hier ist übrigens… ganz scheußlich (will ja hier nicht fluchen). Und die Hrvatska Pošta ist ein Saftladen, Briefe nach (und aus) Deutschland brauchen durchschnittlich acht bis zehn Tage, sechs bei Eilsendungen. Also alle, die mir geschrieben haben oder denen ich etwas geschickt habe: Geduld! Nema Problema! Ide, ide!
So viel für jetzt.
Bald mehr.
- Korana, fließt hinter der Schule
- Der Turm von Dubovac
- Blick vom Turm der Festung Dubovac
- dito
- Innenhof und Seitenflügel
- Blick in die Wälder hinter Karlovac
- Aus dem Innenhof
- Turm der Festung Novigrad
- Blick vom Turm, Fluss Mrežnica
- Die „Spinnerei“ von Duga Resa
- ehemaliges Herrenhaus der Fabrikeigentümer
- ehemalige Arbeiterhäuser










