Auf der Straße nach Goris

Der Weg sei das Ziel. Sagt man. Erfahrungen sammeln. Sagt man. Menschen begegnen. Sagt man. – Aber was meint man wirklich, wenn man das sagt?

Ich habe – zugegeben unfreiwillig – den Test gemacht: Wie viel Erfahrungswerte vertrage ich? Am Sonntag wollte ich im geteilten Taxi in den Ort Yeghegnadzor und von dort zur Klosteranlage Noravank. Zwei Stunden hin, ein bisschen Sightseeing, zwei Stunden zurück, fertig. Eigentlich!

Vierzig Minuten Lebenszeit: Ein Autoradio

Dass man auf einer langen Autofahrt Musik hören muss, kann ich gut verstehen. Dass es ausgerechnet russische und armenische Schlager sein müssen, sehe ich auch noch ein. Was ich nicht verstehe, ist die dazu nötige Technik. Aus dem Armaturenbrett des klapprigen Lada ragt ein brandneues Autoradio, an das allerlei Zusatzgerät angeschlossen ist. Diese Konstruktion ermöglicht es, Musik von der SD-Karte des Handys über das Autoradio abzuspielen. Es gibt SD-Karten in zwei verschiedene Größen. Die Firma Nokia verwendet Mini-SD. Wer hat ein Nokia-Handy?

Eine halbe Stunde: So tanken Erdgasautos

Gasbetriebene Autos sind eine feine Sache, vor allem dann, wenn es keine Erdölpipelines gibt. Auftanken dauert eine Viertelstunde und sieht in diesem Fall irgendwie gefährlich aus. Dann braucht der Fahrer einen Café und Zigaretten. Die beiden jungen Frauen, die unentwegt von einer Hochzeit (nicht der eigenen) erzählen, kaufen sich Kekse. Und während sie kauen, hat die vierte Mitfahrerin Gelegenheit, mit der Kassiererin über Arbeitslosigkeit und die Armeezeit der Söhne zu klagen. Weiter gehts!

Yeghegnadzor

Blick über Yeghegnadzor

Der ganze Nachmittag: Eine Erfahrung?

Klar ist, dass ich das Kloster in diesem Tempo bis zum Abend nicht mehr erreiche, und dass die als Zwischenstation geplante Kleinstadt Yeghegnadzor zum Schlusspunkt der Reise wird. Plattenbauten und Bauernhäuser wie überall. Ein ruhiger Sonntagnachmittag. Aber ist das jetzt schade? Gar ärgerlich? Und ist ein halber Tag auf der Landstraße, die weiter bis nach Goris führt, wirklich eine Erfahrung? Sind ein Taxifahrer und drei Frauen schon eine Begegnung? Und wer entscheidet über solche Fragen?

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