„Sie sprechen aber gut Armenisch“, sagt mir der Taxifahrer, nachdem ich ihm im Verlaufe der Fahrt erzählt habe, wo ich herkomme, was ich in seinem Land mache und dass ich wirklich jetzt noch nicht heiraten möchte, auch wenn die armenischen Mädchen ganz unbestritten wunderschön sind. Nach den ersten drei Monaten stellen sich im Alltag die ersten kleinen Erfolgserlebnisse ein. Ich lese noch immer wie ein Erstklässler und muss nach jedem zweiten Satz nachfragen, weil ich wieder nur die Hälfte verstanden habe; aber ich bin nicht mehr ganz so hilflos wie am Anfang.
Spracherwerb ist Selbstermächtigung. Je besser ich erklären kann, was ich möchte und was nicht, desto einfacher ist es, meine Bedürfnisse zu erfüllen. Dafür ist es um so frustrierender einzusehen, dass diesem Prozess Grenzen gesetzt sind. Wie viel Vokabeln pro Zeiteinheit verträgt das Gehirn? Wie gut kann ich eine Sprache in einem Jahr von Null an lernen – quasi zusätzlich zu meiner Arbeit und meinem Leben?
.
.
Am Ende bin ich ja doch nur zu Besuch. So lange man jemandem sagt, dass er diese oder jene Sprache „aber wirklich gut“ beherrsche, ist klar, dass genau das nicht stimmt: Man hört meinen Akzent, bemerkt meine Fehler oder versteht mich erst gar nicht. Ich bin und bleibe ein Fremder, der sich mehr noch als durch sein Aussehen durch seine Sprache verrät. Oft honoriert man meine Bemühungen, viele freuen sich über mein ehrgeiziges Gestotter, aber es bleibt die immer auch etwas distanzierte
Herzlichkeit gegenüber einem, der nicht so ganz dazu gehört.