Betriebsausflug – Kanufahrt auf der Gauja

Nachdem wir (DAAD und Baltisch-Deutsches Hochschulkontor) eigentlich schon am Montag zum Betriebsausflug aufbrechen wollten, es aber in Strömen gegossen hat, spielte das Wetter gestern endlich mit. Also hieß es, Sachen packen und auf in den Gauja-Nationalpark nach Līgatne. Von dort sind wir mit zwei 3-Mann-Kanadiern nach Sigulda gepaddelt. Wie anstrengend das war, musste ich heute schmerzhaft feststellen: Ich hab derben Muskelkater in Armen und Schultern. Allerdings haben wir die Boote ab und zu mal „zusammengebunden“ und uns einfach treiben lassen. Die Kanutour hat total viel Spaß gemacht und geht als weiteres tolles Erlebnis meines Lettlandaufenthalts ins Reisetagebuch ein! 🙂

Wir waren auch pünktlich zum EM-Spiel wieder in Riga, aber ich konnte es nicht wie geplant im Pub gucken. Über den ganzen Tag verteilt hatte ich schon Bauchschmerzen, die dann abends so unangenehm waren, dass ich das Halbfinale zuhause im Bett über’s Internet gucken musste. Da konnte ich mir wenigstens gleich die Decke über den Kopf ziehen, als es nicht mehr auszuhalten war. Was für ein sch*** Spiel! 🙁 Aber das sollte auf keinen Fall den restlichen Eindruck vom Tag trüben. Leider sind die Bauchschmerzen auch heute noch nicht verschwunden. Ich vermute mal, dass ich etwas Falsches gegessen habe.

 

Das Mittsommerfest Jāņi

Die wohl populärsten lettischen Feiertage werden am 23. und 24. Juni begangen: Līgo bzw. Jāņi. Das bedeutet mehr oder weniger zwei oder mehr Tage Dauersaufen, wenn die zwei Tage nicht zufällig auf ein Wochenende fallen. Das ist ja leider dieses Jahr der Fall, weshalb es manche Letten vielleicht eher etwas ruhiger als sonst angehen lassen haben. Schließlich gibt es diesmal keine Puffertage, an denen man ausnüchtern könnte. Nichtsdestotrotz fand für alle in Riga gebliebenen Letten und Touristen eine riesen Party an der Daugava statt, bei der wir natürlich nicht fehlen durften. Es gab drei Bühnen mit verschiedensten Bands und DJs und dazu noch eine Fressbude neben der anderen.

Ich habe euch schonmal von den Dainas, den lettischen Volksliedern erzählt, oder?! Besonders viele von denen besingen das Mittsommerfest Jāņi und sind am charakteristischen Refrain līgo, līgo zu erkennen. Nach Überlieferungen wurde das Wort līgo vom Gott Jānis (dt. Johannes) zur Erde gebracht, um die Felder zu segnen und reiche Ernte zu bringen. Auch mein Chor hat zahlreiche līgo-Gesänge einstudiert und zusammen mit einer Band am Freitag zum Besten gegeben. Gott sei Dank durften wir die Texte ablesen, denn manche Lieder haben bis zu zehn Strophen. Ich glaube kaum, dass ich es geschafft hätte, alle auswendig zu lernen – zumal auf Lettisch. Das Konzert, Teil des Suitu-Marktes mit zahlreichen Handwerks- und Schmuckständen im Kalnciema Kvartāls, hat jedenfalls total viel Spaß gemacht, wie ihr hier sehen könnt (bitte Rechtsklick und „Link in neuem Tab öffnen“):

Līgo-Gesang

Alle Mädchen sollten/durften beim Konzert einen Blumenkranz tragen. Man kann ihn in diesen Tagen an jeder Ecke kaufen, aber eigentlich ist jede lettische Frau in der Lage ihn auch selbst binden. Ich habe meinen von Benita aus dem Chor bekommen. Es ist generell Tradition, dass sich die Frauen mit Blumenkränzen schmücken, während die Männer, die Jāņis heißen, Kränze aus Eichenlaub tragen. Jāņi ist nämlich gleichzeitig deren Namenstag. Die Kränze ahmen die Form eines Eis als Ursprung des Lebens nach. Sie sollen somit die Fruchtbarkeit der Natur widerspiegeln. Es gibt noch zahlreiche weitere Bräuche, was nach Jāņi mit dem Kranz geschehen soll, aber ich benutze ihn jetzt einfach eine Weile als Tisch- oder Raumschmuck.

Ein traditionelles Gericht des Johannesfestes ist Kümmelkäse, und dazu natürlich alus (dt. Bier). Der Höhepunkt an Jāņi sind allerdings die Johannesfeuer, welche vor Sonnenuntergang angezündet und bis zum Sonnenaufgang in Gang gehalten werden. Das Johannesfeuer wird als reinigend und für Gesundheit und Fruchtbarkeit als förderlich betrachtet. Außerdem soll es alles Übel von den durch das Feuer beleuchteten Feldern, Häusern, Menschen und Tieren vertreiben. Das ganze Johannesfest hat mich ein bisschen an die Traditionen zum Maifeuer bei uns erinnert.

Roadtrip durch Nordkurzeme

Heute wird es fast ausschließlich Fotos geben. Nur soviel: Für Samstag und Sonntag hatten Bettina, Friederike, Martin und ich ein Auto gemietet, um Nordkurzeme (dt. Nordkurland – nach dem Volk der Kuren benannt, die für ihre Beutezüge auf der Ostsee berüchtigt waren) und vor allem das Kap Kolka individuell zu erkunden. Es ist der nördlichste Punkt der Halbinsel Kurland und die Grenze zwischen Ostsee und Rigaer Bucht. Bis zum Ende der Sowjetokkupation waren große Teile von Kurzeme militärisches Sperrgebiet, weshalb die Region viele Jahre nahezu sich selbst überlassen war. Jedenfalls haben wir in den zwei Tagen vielleicht sogar mehr gesehen, als so manch ein Lette. Hier nun aber einige meiner Eindrücke vom Wochenende.

 

Tallinn

Am Mittwoch bin ich in der Früh nach Tallinn gefahren, auf Dienstreise. Ich sollte bzw. durfte den deutschen Botschafter in Estland für unseren DAAD-Newsletter interviewen. Das Highlight kam danach: Er lud mich auf seine Residenz auf dem Domberg ein, um gemeinsam mit anderen Deutschen, dem niederländischen Botschafter und einigen Oranje-Fans das EM-Spiel zu gucken. Da war ich natürlich dabei! *g* Bis es soweit war, konnte ich noch gemütlich die mittelalterliche Altstadt von Tallinn besichtigen. Zurück nach Riga musste ich erst am nächsten Tag und so konnte ich mir gestern dann noch das Rotermannviertel außerhalb des historischen Stadtkerns angucken und zum Turm der Olaikirche aufsteigen, die von 1549 bis 1625 das höchste Gebäude der Welt war (159 m). Besonders toll an Tallinn ist die Unterteilung in Ober- und Unterstadt, die durch einige Wege miteinander verbunden sind. In der Oberstadt bzw. auf dem Domberg lebten früher die Adligen, die somit nicht nur im wörtlichen Sinne auf die in der Unterstadt wohnenden Kaufleute und Handwerker herabschauten. Die Aussicht ist auf jeden Fall so richtig knorke!

Um ein Ranking abzugeben: Bei den drei baltischen Hauptstädten rangiert Riga für mich (leider) nur auf dem dritten Rang. Vilnius und Tallinn streiten sich um das Siegertreppchen, aber es ist noch nicht entschieden.

Übrigens: Dienstagabend habe ich es endlich geschafft, mal in die Lettische Nationaloper zu gehen, wo momentan das Rigaer Opernfestival stattfindet. Amélie und ich haben uns Gioachino Rossinis „Der Barbier von Sevilla“ angeschaut, zum Glück mit englischen Übertiteln. Die Inszenierung war witzig gemacht und nicht nur die Gesangsdarbietungen waren super, sondern auch die schauspielerischen Leistungen. Genau wie in diesem Video (Bitte Rechtsklick „In neuem Tab öffnen“!) die glorreichen King’s Singers, die die Ouvertüre der Oper zum Besten geben – immer wieder zum Lachen! 🙂

Vilnius und Trakai

Am Freitag bin ich mit dem Bus nach Vilnius gefahren, um die litauische »kulturweit«-Freiwillige Sabrina zu besuchen. Zwar waren zwei Tage nicht wirklich viel, aber ich hab trotzdem Einiges gesehen und feststellen können, dass mir Vilnius fast ein bisschen besser gefällt als Riga. Das Stadtbild wird von über 50 Kirchen bestimmt, weshalb Vilnius auch den Beinamen „Rom des Ostens“ trägt. Besonders gefällt mir die Lage der Stadt an zwei Flüssen in einer bewaldeten Hügellandschaft. So eröffnen sich von zahlreichen Stellen tolle Panoramen über die Dächer, was mir hier in Riga wirklich fehlt.

Gestern sind wir dann nach Trakai gefahren, einer Kleinstadt in der Nähe von Vilnius. Sie ist wegen ihrer mittelalterlichen Wasserburg ein Touristenmagnet und bildet den architektonisch bedeutendsten Verteidigungskomplex in Litauen. Die Gründung der Stadt Trakai im 13. Jahrhundert traf mit der des litauischen Staates zusammen, der 200 Jahre lang Invasionen des christlichen Europas widerstehen musste. Wir haben uns die Burg zwar nicht von innen angeschaut, dafür aber ein Ruderboot gemietet und den See unsicher gemacht. Zurück in Vilnius sind wir in die „Republik“ der Künstler Užupis gegangen, ein bisschen zu vergleichen mit der Kopenhagener Christiana (@Mutti: Du erinnerst dich?). Dann mussten wir aber auch schon bald zurück ins Studentenwohnheim, weil die EM gerufen hat. Das Deutschland-Spiel schauten wir gemeinsam mit Sabrinas internationalen Mitbewohnern u.a. aus Spanien, Griechenland und Kap Verde. Gefachsimpelt wurde meistens auf Englisch, aber geflucht in der Landessprache – ein amüsanter Abend. In der Nacht feierten wir dann ausgiebig den deutschen Sieg in einem Club. Und ich glaube, das letzte Bier muss schlecht gewesen sein. Ich kann mich nur nicht mehr so genau daran erinnern… 😉