Valmiera

Gestern war ich zum letzten Mal von der Botschaft aus zum „Tag der deutschen Sprache“ unterwegs. Diesmal in Valmiera, einem kleinen herausgeputzten Industriestädtchen im Norden Lettlands. Genau wie Sigulda liegt Valmiera am Fluss Gauja und ist ungefähr drei Kilometer vom Nationalpark entfernt. Unser Stadtrundgang dauerte zwar nur eine Stunde, aber ich glaube, dass alles Sehenswerte dabei war: die Ruine der Ordensburg aus dem 13. Jahrhundert, die gotische Sankt-Simons-Kirche von 1283, den Mühlenteich und das sowjetische Denmal für die Gefallenen der Roten Armee.

Bei der Abschlussveranstaltung des Deutschland-Tages gab es ein Konzert des Chores der Domchorschule zu Riga. Dieser ist als „Rammsteinchor“ bekannt geworden. Die SchülerInnen des Deutschkurses hatten Lieder von Rammstein für Chor arrangiert und die Texte ins Lettische übersetzt. Im Februar durften sie dann beim Rammstein-Konzert in Riga vor ca. 15.000 Zuschauern als Vorgruppe auftreten!

Chor aus Riga singt Rammsteins „Ohne dich“

Vergangene Woche

Nach fast einer Woche nun endlich wieder Neues aus Lettland, genauer gesagt aus Liepāja und Mežaparks. Am Donnerstag fand wieder ein von der Botschaft organisierter „Tag der deutschen Sprache“ statt, diesmal in Liepāja, wo ich ja vor zwei Wochen schon war. Eine Besonderheit war, dass ich an der Universität einen Vortrag mit Informationen zum Studieren in Deutschland und zum DAAD halten durfte – auf Englisch. Leider waren nur sechs Leute da, aber es hat gut geklappt und auch Spaß gemacht. Auf jeden Fall fand ich es sehr cool, dass mein Chef soviel Vertrauen in mich hat! 🙂

Heute wurde ich Zeugin eines RIIIIIIIIIIIIIIIIIESIGEN (internationalen) Motorradkorsos: mehr als 1.000 Maschinen jeglicher Bauart die Brīvības iela entlang. Wie passend: Motorrad fahren als Synonym für Freiheit und Unabhängigkeit in der „Straße der Freiheit“. Ich hatte von meinem Balkon aus beste Sicht und konnte optimal beschallt werden. Also, einige Motorräder hätten aufgrund ihrer Schallwerte in Deutschland auf keinen Fall die Zulassung bekommen. Sehr krass!
Anschließend fuhren wir mit der Straßenbahn nach Mežaparks (dt. „Waldpark“), einem Stadtteil im Nordosten Rigas. Er liegt am Ufer des 17 km2 großen Ķīšezers-Sees, der beliebt für diverse Wassersportarten ist. Angelegt wurden der Waldpark (Kiefernwald) und der als Gartenstadt konzipierte Villenvorort am Anfang des 20. Jahrhunderts für die deutsche Elite Rigas bzw. andere reiche Menschen, denen es im Zentrum der Stadt zu eng und laut geworden war. Und leise und weitläufig ist es hier tatsächlich… Der deutsche Name von Mežaparks lautete Kaiserwald, der einigen von euch bekannt sein könnte. Während des Zweiten Weltkrieges lag in diesem Stadtteil das von den Nationalsozialisten errichtete KZ Kaiserwald.

Ereignisreiche Tage

Seit meinem Ausflug am Samstag nach Liepāja ist schon wieder einiges passiert. Sonntagabend war ich mit meiner polnischen Mitbewohnerin Aga und ihren Freunden auf dem Konzert von „SunSay“, einer ukrainischen Fusion-Funk-Reggae-Band (laut russischem Wikipedia). Der Sänger Andrey Zaporozhets war Mitglied der ehemaligen Band „5’nizza“ (sprich: Pjatniza = Freitag), die v.a. in Polen und anderen osteuropäischen Ländern sehr bekannt gewesen sein muss. Das Konzert hat mir sehr gut gefallen und auch die Vorbands waren total in Ordnung! Da hat es sich mal gelohnt, auf den „Tatort“ zu verzichten.

Leider musste ich am Montag schon kurz vor fünf Uhr in der Früh aufstehen, weil ich wieder als Freiwillige bei zwei von der Botschaft organisierten „Tagen der deutschen Sprache“ teilgenommen habe – diesmal in Rēzekne (Montag) und Daugavpils (Dienstag) mit Übernachtung in einem top Schullandheim in Daugavpils. Diesmal war die Organisation viel besser als in Talsi vor einigen Wochen. Wir hatten gestern sogar etwas Zeit, um uns Daugavpils anzuschauen. Daugavpils liegt genau wie Rēzekne in Latgale im Südosten Lettlands. Es ist mit etwas mehr als 100.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Landes, wobei dort nur etwa 16% (!) ethnische Letten leben. Der Rest sind Russen (ca. 60%), Weißrussen, Ukrainer und Polen, die während der Sowjetherrschaft aus allen Gebieten der UdSSR angesiedelt wurden, um in den damals neu errichteten Fabriken zu arbeiten. Ich habe gestern also fast ausschließlich russischsprachige Menschen gehört – außer vielleicht an dem lettischen Staatsgymnasium. Die Stadt wäre also für mich besser geeignet, um mein Russisch zu verbessern, aber mit Rīga habe ich trotzdem Glück gehabt. Daugavpils ist eine triste Industriestadt, fast nur grau in grau, wie ihr auf meinen Bildern sehen könnt. Dennoch würde ich sie nicht als hässlich, sondern eher als anders bezeichnen! Ich plane auf jeden Fall, nochmal wiederzukommen, um die Stadt und ihre Umgebung etwas besser kennenlernen zu können. Es gibt nämlich in Daugavpils eine Zitadelle aus dem 19. Jahrhundert, die die einzige erhaltene Anlage ihrer Art in Osteuropa sein soll. Eine Stunde war dafür einfach zu wenig; wir haben uns eigentlich nur schnell von einem Hochhaus aus einen Überblick über Daugavpils verschafft.

Tja, und heute ist mein Namenstag (vārda diena), der im Leben der Letten traditionsgemäß eine wichtige Rolle spielt. Man könnte sogar meinen, dass der Namenstag als Festtag eine größere Bedeutung hat als der Geburtstag. Und so kam es, dass ich nach fast 24 gelebten Jahren zum ersten Mal Namenstag gefeiert habe – mit zahlreichen Geschenken (u.a. ein Bildband über das unentdeckte Lettland und  Bernsteinschmuck) und kleiner Feier im Büro. Eigentlich müsste man das von jetzt an jedes Jahr machen… 😉 Allerdings war die Feier nicht nur für mich, denn unsere Ortskraft Ieva und auch mein Chef Markus hatten vor Kurzem Geburtstag. Wir haben also alles miteinander verbunden.

Ich will Meer sehen

Und das geht am besten in Jūrmala, der Badewanne Rigas, zehn Kilometer nordwestlich der Hauptstadt. Mit dem Zug fuhren wir (Bettina und zwei ihrer Freunde) in die 25 km lange (!) und flächenmäßig zweitgrößte Stadt Lettlands. 1959 vereinigte man drei Städte und später noch mehrere Fischerdörfer zu Jūrmala. Im Sommer strömen scharenweise Touristen, aber auch Rigaer in den größten Kurort des Baltikums. Die Stadt ist heute außerdem einer der begehrtesten Orte für die reichen Letten geworden, die mit restaurierten Holzvillen und schicken Neubauten ihr Vermögen zur Schau stellen. Auch der lettische Präsident hat am Strand eine Residenz, kameraüberwacht und gesichert mit hohen Mauern. Wir stiegen in Majori, dem Herzstück Jūrmalas aus und liefen dann Richtung Westen nach Dubulti am Meer entlang. Leider hat es heute häufig geregnet, aber die Bilder sind trotzdem ganz schön geworden.

In dieser Woche war natürlich noch mehr los, wie ihr den letzten beiden Fotos entnehmen könnt: Am Mittwoch habe ich meine ehemalige Mitbewohnerin aus Passau getroffen, die gerade eine Freundin in Riga besucht. Die wiederum heißt natürlich auch Laura – es gibt ja keine anderen Namen – und stammt aus Riga, studiert aber in Passau dasselbe wie ich mal studiert habe. Alles klar?! Jedenfalls waren wir u.a. im Lido essen und danach Bowlen. Ich war natürlich gar nicht so schlecht. 😉

Am Donnerstag fand der erste „Tag der deutschen Sprache“ statt, ein von der Botschaft geplanter und durchgeführter Besuch in einer DSD-Schule in Talsi. Ziel war es, deutschlernenden Schülern eine Plattform für Informationen zum Studium in Deutschland zu geben und Kindern der 5. Klasse die deutsche Sprache näherzubringen, damit sie diese als 2. Fremdsprache wählen. Nur soviel zum Tag in Talsi:

Die sechs Phasen der Planung: 1. Begeisterung 2. Verwirrung 3. Ernüchterung 4. Suche nach dem Schuldigen 5. Bestrafung der Unschuldigen 6. Auszeichnung der Nichtbeteiligten.

Wir Freiwilligen (= Laufpersonal) haben schön die ersten 3-4 Phasen von obigem Zitat durchlebt. Es war sehr ernüchternd, von den Mitarbeitern der Botschaft alleingelassen und ohne richtigen Dank wieder nach Hause geschickt! Hoffentlich verlaufen die nächsten Termine besser. Zu allem Überfluss habe ich auch nicht mal etwas vom Ort gesehen. Lediglich die Fahrt nach Talsi hat sich gelohnt, weil ich zum ersten Mal das ländliche Lettland sehen konnte. Manchmal sieht man kilometerweit keine Häuser, aber Bushaltestellen mitten in der Pampa. Das erinnert mich sehr an Kaliningrad. Aber laut Statistik leben in Lettland auch nur 35 Einwohner pro Quadratkilometer.